Verhüllungsverbot wird knapp angenommen

Livetickeraktualisiert am Sonntag, 7. März, 2021

HochrechnungVerhüllungsverbot wird knapp angenommen

Die Schweiz entscheidet, ob ein Verhüllungsverbot in die Verfassung kommt. Alle Ergebnisse und Reaktionen im Ticker.

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Sonntag, 07.03.2021

Egerkinger Komitee

Jetzt äussern sich auch noch die Initianten hinter dem Verhüllungsverbot.

«Das Egerkinger Komitee ist höchst erfreut darüber, dass eine Mehrheit der Stimmbevölkerung und der Kantone in einem Akt der Vernunft der Volksinitiative Ja zum Verhüllungsverbot zugestimmt haben», heisst es in einer Mitteilung. Dies sei ein klares Verdikt für ein friedliches Zusammenleben in unserer Gesellschaft, in der radikal-islamistisch und kriminell motivierte Verhüllung keinen Platz haben.

«Die Schweizerinnen und Schweizer teilen unsere Auffassung, dass sich in aufgeklärten Staaten wie der Schweiz freie Menschen ins Gesicht blicken, wenn sie miteinander sprechen», so das Komitee. Aufgezwungene Gesichtsverhüllung durch Burka und Niqab degradierten Frauen zu Menschen zweiter Klasse. «Unsere Werte werden mit Füssen getreten, wenn sich Frauen in unserer Gesellschaft nicht mehr als Individuen zu erkennen geben dürfen. Mit seinem Ja zum Verhüllungsverbot hat sich der Souverän nun unmissverständlich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau, sowie die Eindämmung der Machtansprüche des politischen Islams ausgesprochen.»

Walter Wobmann (SVP) ist einer der Initianten hinter dem Verhüllungsverbot. Foto: Michael Scherrer

Der Volksentscheid sei aber auch ein eindeutiges Signal gegen jene Verhüllung, der kriminelle und zerstörerische Motive zugrunde lägen. «Das heute beschlossene, landesweit gültige Verhüllungsverbot schafft endlich verbindliche Rechtssicherheit, um vermummte Chaoten, Hooligans und Extremisten wirksam für deren destruktiv motivierte Vermummung zu bestrafen. Dies stärkt den Handlungsspielraum der Sicherheitsorgane und schützt die Bevölkerung vor vermummten Straftätern.»

Pressekonferenz um 18.30 Uhr

Jetzt ist das Schlussresultat da: 51,2 Prozent sagten Ja zu Verhüllungsverbot. Um 18. 30 Uhr informiert der Bundesrat zu den Ergebnissen. 20 Minuten berichtet live. Weitere News und Analysen finde Sie ebenfalls bei uns. Damit wird dieser Ticker geschlossen. Vielen Dank fürs Mitlesen!

Endresultat lässt auf sich warten

Das Resultat der Abstimmungen ist klar. Derzeit zählen noch der Kanton Waadt und der Kanton Zürich aus. Die Corona-Massnahmen in den Stimmbüros sorgen offenbar für ein längeres Auszähl-Prozedere. Deshalb steht auch noch nicht fest, wann der Bundesrat zu den Resultaten Stellung nehmen wird.

Nein-Komitee

Das überparteiliche Parlamentarier-Komitee «Nein zu staatlichen Kleidervorschriften» schreibt in einer Mitteilung, man bedaure den heutigen Entscheid, akzeptiere ihn aber selbstverständlich. «Die Umsetzung wird für die Kantone mühselig. Es drohen Verbote beliebter Tätigkeiten, ohne dass eine Wirkung im angestrebten Ziel erreicht würde. Die allseitige Enttäuschung ist programmiert. Zu hoffen bleibt, dass diesem «Minarettverbot Teil 2» kein dritter Teil folgen wird.»

Die Annahme bedeute konkret, dass sämtliche 26 Kantone nun umgehend ihre Gesetzesmaschinerie anwerfen müssten, um innert zweier Jahre nach Bundesvorgabe für ihr Kantonsgebiet ein Verhüllungsverbot festzulegen und die (wenigen bundesrechtlich möglichen) Ausnahmen zu definieren.

Besonders problematisch sei, dass der neue Verfassungstext viel zu wenige und explizit «ausschliessliche» Ausnahmen anerkenne. «Unverständlicherweise vergassen die Initianten Ausnahmen für die Wirtschaft, die Kultur, den Sport oder die Freizeit. Dies bringt die Kantone ins Dilemma: Halten sie sich nicht daran, verletzen sie die neue Verfassungsbestimmung. Halten sie sich daran, drohen Grundrechtsverletzungen und namentlich das Verbot geliebter Figuren wie Sport- und Werbemaskottchen oder Strassenkünstlern sowie eine Masken- und Schal-Polizei.»

Laut dem Nein-Komitee wird vor allem «diese erneute Symbolpolitik – wie bereits die erste Auflage, das Minarettverbot von 2009 – mangels konkreten Problems und mangels hilfreicher Lösung keinerlei positive Wirkung zeitigen, weder für die Sache der Frauen noch der öffentlichen Sicherheit.» Daher sei zu befürchten, dass sich bei solchem «politischen Fast-Food» nach einem kurzen Sättigungsgefühl rasch die Enttäuschung über den mangelnden Effekt sowie all die Nebenwirkungen breit machen werde. «Österreich, wo zumindest gefühlt mehr Personen in Haifischkostümen als in Niqabs gebüsst wurden, lässt grüssen.»

Historisch

Amnesty

«Nach dem Minarettverbot hat sich eine Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten ein weiteres Mal für eine Initiative ausgesprochen, die eine einzelne Religionsgemeinschaft diskriminiert und unnötig Ängste und Spaltung schürt. Das Verhüllungsverbot ist keine Massnahme zur Frauenbefreiung, sondern eine gefährliche Symbolpolitik, die die Meinungs- und Religionsfreiheit verletzt», sagt Cyrielle Huguenot, Verantwortliche für Frauenrechte bei der Schweizer Sektion von Amnesty International.

Massnahmen gefordert

«Wir fordern Politik und Regierung auf, sich unmissverständlich hinter die Grundrechte religiöser Minderheiten im Land zu stellen und sich für das friedliche Zusammenleben auszusprechen. Von Seiten der Behörden braucht es Massnahmen, um sicherzustellen, dass das Verhüllungsverbot betroffene Frauen nicht ausgrenzt und aus dem öffentlichen Raum verdrängt.»

Wer eine Frau in der Schweiz zur Verschleierung zwinge, mache sich schon heute strafbar. «Doch es gibt zahlreiche weitere, viel stärker verbreitete Formen der Diskriminierung. Die Behörden sollten jetzt Massnahmen zum Schutz aller Frauen verstärken, die in der Schweiz benachteiligt oder von Gewalt betroffen sind – unabhängig von ihrer Religion und Herkunft.»

Reaktionen

Auch die Operation Libero sowie die SP Frauen melden sich zu Wort.

Bei den SP-Frauen heisst es, man akzeptiere den Volksentscheid natürlich. Man bedaure aber die reine «Symbolpolitik». «Es ist ein Hohn, dass sich die SVP im Abstimmungskampf als Retterin der Frauen aufgespielt hat», wird Tamara Funiciello, Nationalrätin und Co-Präsidentin der SP Frauen* in der Mitteilung zitiert. «Diese Partei hielt die Vergewaltigung in der Ehe für nicht problematisch, leugnet die Lohnungleichheit und stellt sich, heute noch, gegen jede Verbesserung der Situation von Frauen in diesem Land und international!»

Das Ja zur Burkainitiative sei ein bedenkliches Signal an alle Minderheiten, nicht nur an die 400'000 Muslim:innen, welche zur Schweiz gehörten und viel zu unserem Wohlergehen beitrügen. «Reale Probleme wie Sexismus, Rassismus oder Gewalt werden damit nicht gelöst: Weder verhindert ein Burkaverbot religiöse Radikalisierung (sondern fördert diese eher), und erst recht trägt es nichts zur Gleichstellung bei.»

Live-Hochrechnung

Junge SVP

Nikabträgerin

Die Nikabträgerin Valentina Weiss, die dem Islamischen Zentralrat nahe steht, äusserte sich in einer Online-Pressekonferenz.

Für sie komme eine Rückreise in die Schweiz nach dem Ja zum Burkaverbot nun nicht mehr in Frage. Sie wolle dem Staat auch kein Geld in Form von Bussen in die Kasse schieben. «Ich bin absolut enttäuscht und ich schäme mich für die Schweiz», sagt Weiss. «Es zerreisst mir mein Herz.» Sie berichtet mit gebrochener Stimme: Dass die Islamophobie jetzt so weit vorgedrungen sei, sei nicht nachvollziehbar. «Ich bin absolut enttäuscht von den Schweizern.» Sie hoffe aber, dass die Glaubensschwestern in der Schweiz sich dem Gesetz nicht beugen werden. «Sie sollen dafür kämpfen. Es ist eine Prüfung von Allah. Ich hoffe, dass wir diese Prüfung erfolgreich meistern werden.»

IZRS

Auch der Islamische Zentralrat der Schweiz (IZRS) äussert sich zur Annahme des Burkaverbots. «Es besteht kein Zweifel, dass sich die Grundeinstellung der Stimmbevölkerung seit der Minarett-Abstimmung 2009 nicht verbessert hat», heisst es in einer Mitteilung. Der heutige Entscheid reisse alte Wunden auf, baue das Prinzip der Rechtsungleichheit weiter aus und sende ein deutliches Signal der Exklusion an die muslimische Minderheit.

Der IZRS deutet das Ergebnis als «islamophob». Das Verbot werde auch in der Schweiz kaum dazu beitragen, Radikalisierungstendenzen – sei es in muslimischen Milieus – oder auf Seiten der Rechtsnationalen abzuschwächen. «Es ist vielmehr damit zu rechnen, dass der erneute Erfolg weiteres Wasser auf die Mühlen des Egerkinger Komitees schüttet. Dessen Vorstand hat weitere Angriffe auf die muslimische Minderheit und ihre freie Religionsausübung bereits in Aussicht gestellt.»

IZRS will Bussen bezahlen

Juristischen Widerstand haben bereits die Jungen Grünen angekündigt. Auch der IZRS will das Verbot gerichtlich bekämpfen. «Für den Fall, dass es tatsächlich zu Sanktionierungen kommen sollte, hat der IZRS einen Spendenpool zum Schutz der Religionsfreiheit eröffnet. Betroffene Musliminnen können sich, sollten sie gebüsst werden, an uns wenden. Bis zur Ausschöpfung der Ressourcen, werden wir die Bussen bezahlen und darüber hinaus mittels Musterprozessen die Verfassungstauglichkeit der jeweiligen Ausführungsgesetze prüfen lassen.»

Nicolas Blancho vom IZRS äusserte sich an einer Online-Medienkonferenz zum Burkaverbot.

Ronja Jansen (Juso)

Erich Hess (SVP)

SVP-Nationalrat Erich Hess freut sich vorsichtig über den Ja-Trend beim Verhüllungsverbot. Probleme sieht er darin keine, da sich Personen, die sich in der Schweiz bewegen, anpassen sollen.

Appenzell-Ausserrhoden

Aus dem Kanton Appenzell-Ausserrhoden liegen die Endergebnisse vor: 9657 legten ein Ja ein, 10'000 Nein. Die Stimmbeteiligung lag bei 50,8 Prozent.

Jubel

Monika Rüegger (SVP)

Beim Verhüllungsverbot zeichnet sich ein Ja ab. SVP-Nationalrätin Monika Rüegger sieht damit die Rechte der Frauen in der Schweiz gewahrt.

Ausland

Das Ergebnis der Burka-Abstimmung schlägt auch im Ausland Wellen.

Initianten

Beim Ja-Komitee verfolgt man gespannt die Resultate. Foto: Simon Glauser

Basel-Land

Thurgau

Die Thurgauer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» angenommen. 53,92 Prozent sagen Ja zum Burkaverbot. 38 208 stimmten Nein. Die Stimmbeteiligung lag bei 48,3 Prozent.

Aktuelle Live-Hochrechnung

Laut der aktuellen Hochrechnung von 20 Minuten und Tamedia wird das Burkaverbot knapp angenommen.

Gang vor Gericht angekündigt

Beim Verhüllungsverbot zeichnet sich ein Ja ab. Julia Küng von den Jungen Grünen kündigt an, dass ihre Partei Burka-Trägerinnen bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg unterstützen werde. (Video: 20 Minuten)

Aargau

Junge Grüne

Das Burkaverbot wird laut Hochrechnungen knapp angenommen. Die Jungen Grünen künden bereits jetzt an, bei einem allfälligen Ja das Verbot zu bekämpfen. «Die Jungen Grünen sind empört über diesen frontalen Angriff auf unsere Grundrechte und den Schutz von Minderheiten», heisst es in einer Mitteilung. Gemeinsam mit dem Menschenrechtsanwalt Philip Stolkin seien die Jungen Grünen bereit, vor Gericht gegen Anwendungsfälle des Verhüllungsverbots und für die Freiheitsrechte der direkt betroffenen Frauen zu kämpfen.

Bei einer Annahme der Burkainitiative werde nach dem Minarettverbot bereits der zweite Verfassungsartikel geschaffen, der sich explizit gegen eine Religionsgemeinschaft in der Schweiz wende, heisst es weiter. «Es ist höchst problematisch, wenn eine Mehrheit per Volksabstimmung direkt in elementare Grundrechte einer Minderheit eingreift!», so Julia Küng, Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz. Notfalls wolle man bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen, so die Jungen Grünen.

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