Muttenz BLErste Staatsanwältin: «Kein Ehedrama, sondern Tötungsdelikt»
Die Hälfte aller Schweizer Tötungsdelikte passierten 2024 im häuslichen Umfeld. Die Erste Staatsanwältin Jacqueline Bannwarth spricht mit 20 Minuten über Täterprofile und Tatorte.
Darum gehts
Die Erste Staatsanwältin Jacqueline Bannwarth kritisiert die Verharmlosung von Femiziden als «Ehedrama».
2024 fanden rund die Hälfte der Tötungsdelikte im häuslichen Umfeld statt, mit 17 weiblichen und zwei männlichen Opfern.
Bannwarth betont, dass Täter oft narzisstisch und kontrollsüchtig sind und die Schuld selten bei sich sehen.
Spanien bietet gefährdeten Frauen Schutz durch elektronische Überwachung, was Bannwarth als Vorbild sieht.
Die Kriminalitätsstatistik vom Montag bestätigt, was die Erste Staatsanwältin Jacqueline Bannwarth seit Jahren beschäftigt: Rund die Hälfte der Tötungsdelikte im Jahr 2024 fanden im häuslichen Umfeld statt. Unter den Opfern sind 17 Frauen und zwei Männer. Auch im 2025 sollen bereits zehn Femizide passiert sein. Am vergangenen Wochenende wurde in Emmenbrücke eine 40-Jährige und ihre Tochter getötet - tatverdächtig ist ihr Freund. Im Februar wurde in Pratteln eine 33-Jährige von ihrem Partner erschossen. Sie hinterlässt eine Tochter.
«Ich denke mir bei jedem Femizid, es darf nicht wahr sein, es ist so unnötig», sagt Bannwarth. Sie ist seit 30 Jahren im Amt und macht sich für die Sichtbarkeit von Femiziden stark. «Das liegt mir wirklich am Herzen», sagt sie in einem Hintergrundgespräch im Rahmen einer Jahresmedienkonferenz der Baselbieter Staatsanwaltschaft. Bannwarth spricht vor den Medienschaffenden über die überlasteten Mitarbeitenden, aber eben auch über Femizide.
«Ich störe mich jedes Mal, wenn ich in der Zeitung von einem ‹Ehedrama› lese.»
Diese würde in den Medien anfangen: «Ich störe mich jedes Mal daran, wenn ich in der Zeitung von einem ‹Ehedrama› lese. Diese Formulierung verharmlost, was passiert ist und ein Drama schiebt die Schuld auf beide.» «Schlimm» fände sie auch den Begriff «Beziehungsdelikt», denn an einer Beziehung seien ja zwei Personen beteiligt und also auch beide schuld. «Ist also auch die Frau schuld, dass sie umgebracht wurde? Der Begriff suggeriert, dass die Tötung nicht passiert wäre, wenn sie sich konform verhalten hätte», sagt Bannwarth.
Narzisstisch und kontrollsüchtig: Ähnliche Täterprofile
Dass die Femizide gehäuft in der einen oder anderen Region vorkommen, sei Zufall, sagt sie: «Ausschlaggebend für den Tatort sind die Familienstrukturen und nicht der Wohnort.» Denn: «Femizide passieren nicht von heute auf morgen, da steckt eine lange Geschichte dahinter», sagt Bannwarth. Da seien Anzeichen da, schon vorher. «Man weiss, dass das Risiko getötet zu werden am höchsten ist, wenn sich jemand für eine Trennung entschliesst oder darüber nachdenkt», sagt sie.
«Diese Männer empfinden es als Kränkung, wenn die Frau nicht das macht, was sie wollen.»
Die Täterprofile hätten eines gemeinsam: Die Persönlichkeitsstruktur. «Sie sind oft narzisstisch veranlagt und haben ein übersteigertes Kontrollbedürfnis. Diese Männer empfinden es als Kränkung, wenn die Frau nicht das macht, was sie wollen», sagt Bannwarth, die schon diverse Täter nach Femiziden befragt habe.
Diese würden oft ähnlich verlaufen, sagt sie. Manche Täter würden die Schuld auf die Frau schieben. Die Täter würden die Schuld selten bei sich sehen. «Wir haben schon einen Täter befragt, der sagte, er habe gewollt, dass sie aufhört zu reden. Sie habe aber einfach weiter geredet und er habe ihren Hals immer fester zugedrückt, bis sie dann nichts mehr sagte», sagt Banwarth und hält kurz inne.
Weiter als die Schweiz: Spanien überwacht gefährdete Frauen mit Sender
Es brauche einen gesellschaftlichen Wandel, sagt sie. «Es geht um Frauen- und Männerbilder. Um den Wert eines Lebens. Darum, wer bestimmt, ob jemand am Leben bleiben darf oder nicht.» Die Prävention fange bei der Erziehung an und in den Schulen, wo man Aufklärungsarbeit leisten sollte.
Andere Länder seien in der Prävention von Femiziden viel weiter. Spanien hat zum Beispiel am Bein oder am Arm getragene Bänder mit Sendern für Personen, die gegen einen potentiellen Täter ein Kontaktverbot erwirkt haben. Diese Personen werden 24/7 – also rund um die Uhr – überwacht. Denn dies biete Frauen echten Schutz.
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