Tipps von PädagoginnenWie erklärt man Kindern Nachhaltigkeit und Klimaschutz?
Das Verständnis für die Auswirkungen des eigenen Verhaltens auf die Umwelt entsteht im Kindesalter. Im Interview zeigen zwei Pädagoginnen Wege, wie Eltern Kindern und Jugendlichen Nachhaltigkeit näherbringen können.
Darum gehts
Die Pädagoginnen Dr. Irene Lampert und Dr. Petra Breitenmoser zeigen im Interview Wege auf, wie Eltern und andere Bezugspersonen Kinder auf Nachhaltigkeitsthemen sensibilisieren können.
Grundsätzlich können alle Nachhaltigkeitsthemen altersgerecht vermittelt werden.
Ob bei Ernährung, Mobilität oder Konsum: Wichtig ist, was man vorlebt.
Vor allem ältere Kinder und Jugendliche seien oft hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Klima und Umwelt zu schützen und mit Gleichaltrigen mithalten zu können, wenn es um Mode oder Partyferien geht.
Kinder sind die Zukunft: Werte, Wissen und Fähigkeiten, die sie heute erwerben, entscheiden massgeblich darüber, wie unsere Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt in den nächsten Jahrzehnten aussehen. Wir haben bei Dr. Irene Lampert, Studiengangleiterin, Dozentin und Forscherin an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH), und Dr. Petra Breitenmoser, Dozentin und Forscherin an der PHZH und Universität Zürich, nachgefragt, wie Eltern und andere Bezugspersonen Kinder auf Nachhaltigkeitsthemen sensibilisieren können.
Ab welchem Alter sind Kinder in der Regel empfänglich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit?
Irene Lampert (IL): Die meisten Kinder entwickeln schon sehr früh ein Bewusstsein für ihre Umwelt und können bereits im jungen Alter Zusammenhänge erkennen. In diesem Alter beginnen sie damit, viele Fragen zu stellen. Man kann jüngeren Kindern gut eine Wertschätzung für Natur und Tiere mitgeben, indem man mit ihnen raus in die Natur geht und die Tier- und Pflanzenwelt beobachtet und erklärt. Ökonomische Entscheidungen wie das Konsumverhalten zu besprechen, macht meistens ab vier Jahren Sinn.
Petra Breitenmoser (PB): Es gibt aber nicht das eine ideale Alter, um Nachhaltigkeitsthemen anzusprechen. Sobald Kinder sehen, was in der Welt passiert, sollte man auf ihre Fragen eingehen und zusammen Lösungen besprechen.
Können Sie Beispiele nennen, welche Nachhaltigkeitsthemen für welche Altersgruppen relevant sind?
IL: Grundsätzlich können alle Nachhaltigkeitsthemen altersgerecht vermittelt werden. Dabei ist es zentral, auf die Bedürfnisse und Fragen der Kinder einzugehen. Ich erinnere mich beispielsweise daran, wie ich mit Kindern auf einem Bauernhof Milch holte und dabei ihre Fragen zur Milchproduktion beantwortete. Ein Kind hat mich gefragt, warum die Kälber von ihren Müttern getrennt werden. Das ist eine gute Gelegenheit, um über ökonomische Gründe für die vorhandenen Produktionsstrukturen und -prozesse zu sprechen und diese kritisch zu reflektieren.
Wie kann ich als Elternteil oder Bezugsperson aufzeigen, was wir im Alltag konkret für Klima und Umwelt tun können?
IL: Wichtig ist, was man vorlebt – sei es im Bereich Ernährung, Mobilität oder Konsum. Als Elternteil sollte man seine Überzeugungen und Handlungen erklären können. Dabei hilft es, komplexe Themen auf einfach umsetzbare Alltagshandlungen herunterzubrechen.
PB: Selbst kleine Kinder kann man so gut spielerisch einbeziehen und sie beispielsweise den Ausschaltknopf von Steckdosen drücken lassen und sagen, sie seien nun «Energiechef».
Es gibt zahlreiche Unterlagen für Kinder rund um Umwelt- und Klimaschutz. Worauf sollte bei der Wahl des Materials geachtet werden?
PB: Kinderbücher sind teilweise sehr moralisierend und nicht altersgerecht. Es wird nur gesagt, was man machen darf und was nicht, das Warum fehlt allerdings. Kinder möchten jedoch verstehen, wieso man aus Umwelt- oder Klimaschutzgründen Abfall trennt, selten fliegt, vegetarisch lebt, eine Solaranlage auf dem Dach hat oder sich gesellschaftlich oder politisch engagiert. So erkennen sie, dass es nicht in erster Linie ums Verzichten geht, sondern ums aktive Mitgestalten der Welt.
Wie kann ich Kinder in meiner Obhut begleiten, wenn der Klimawandel und dessen Folgen für Menschen und Tiere dazu führt, dass sie sich frustriert oder machtlos fühlen?
PB: Kinder dürfen mit diesen Gefühlen nicht allein gelassen werden. Man sollte ihnen aufzeigen, welche Handlungsmöglichkeiten auf individueller und gesellschaftlicher Ebene bestehen. Das fängt in der Familie an: Wodurch können wir Lebensmittel ersetzen, die hohe CO₂-Emissionen erzeugen, aber gut schmecken? Auch bei der Installation von Solarpanels auf dem Hausdach können Kinder einbezogen werden. Bei Kindern im Schulalter können Eltern oder Lehrpersonen zudem auf Mitsprachemöglichkeiten wie Schülerparlamente aufmerksam machen.
Wie kann man Kinder unterstützen, die Eigeninitiative zeigen und selbst etwas für Klima- und Umweltschutz bewirken möchten?
PB: Ich würde immer wieder aufzeigen, dass wir alle – unabhängig von unserem Alter – nicht nur das eigene Verhalten, sondern auch Strukturen verändern können.
IL: Genau, da stimme ich voll und ganz zu. Dies untermauern Beispiele, in denen Kinder oder Jugendliche gesellschaftliche Strukturen durch ihre Handlungen ändern konnten. Im Kanton Glarus, wo ich wohne, wurde an der Landsgemeinde durch einen politischen Vorstoss eines 19-Jährigen der Neubau und Ersatz von Öl- sowie Gasheizungen verboten: Künftig dürfen im Kanton Glarus Öl- und Gasheizungen weder neu gebaut noch ersetzt werden, und alle kantonalen Gebäude müssen bis in knapp zwanzig Jahren mit mindestens neunzig Prozent erneuerbaren Energien beheizt werden. Solche Erfolgsgeschichten können Kindern und Jugendlichen Mut machen.
Wie kann ich Kindern altersgerecht erklären, dass man aus Klima- und Umweltgründen auch mal verzichten muss (etwa auf Plastikspielzeug, Fast Fashion oder den Flug in die Sommerferien)?
IL: Nachhaltigkeit muss nicht Verzicht bedeuten. Vielmehr geht es darum, bewusst zu konsumieren. Man kann als Familie zum Beispiel gemeinsam Flohmärkte und Velobörsen besuchen, ausgediente Kleider, Spielsachen und Velos weiterverkaufen und so ein erstes Verständnis für Kreislaufwirtschaft schaffen. Oder möchte man als Elternteil nicht, dass das Kind bei Temu einkauft, sollte man kein Verbot aussprechen, sondern andere Optionen aufzeigen.
Wie schaffe ich bei älteren Kindern und Jugendlichen eine solide Grundlage, dass sich ihr Konsumverhalten nicht komplett ändert, sobald sie ihr erstes eigenes Geld verdienen?
PB: Hier darf der Einfluss von Gruppendruck nicht vernachlässigt werden. Viele ältere Kinder und Jugendliche sind zwiegespalten: Einerseits möchten sie Umwelt und Klima schützen, aber andererseits mit ihrem Freundeskreis mithalten können und auch die neueste Mode tragen und in die Partyferien fliegen. Vielen Erwachsenen geht es übrigens nicht anders. Eltern sollten das Gespräch suchen, Verständnis signalisieren und positive Alternativen aufzeigen.
IL: Ich glaube, dass schlussendlich vielen Jugendlichen Umwelt- und Klimaschutz am Herzen liegt und als Bezugsperson kann man sie dabei unterstützen, für ihre Überzeugungen einzustehen und nachhaltig zu leben – und dies, ohne auf alles verzichten zu müssen.
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