Notlandung in GrazTrotz Triebwerkproblemen: «Ohne den A220 würde es nicht gehen»
Ein Swiss-Flugzeug vom Typ A220 musste in Graz notlanden, nachdem Rauch in der Kabine aufgetreten war. Experten loben das Vorgehen der Crew, doch der Vorfall wirft erneut Fragen zur Zuverlässigkeit des Flugzeugtyps auf.
Darum gehts
In Graz musste ein Swiss-Flugzeug notlanden, weil Rauch in die Kabine drang.
Rauch und Feuer sind laut Experten ein Albtraum für Piloten und erfordern sofortiges Handeln. Die Crew reagierte schnell und evakuierte die Passagiere.
Das betroffene Flugzeug, ein A220, hat seit Jahren Probleme mit seinen Triebwerken.
Experten betonen jedoch, dass der A220 weiterhin unverzichtbar bleibt – auch weil es gar keinen Ersatz gebe.
Die Ursache des Vorfalls ist noch ungeklärt, eine Verbindung zu den Triebwerksproblemen wird geprüft.
«So einen Fall habe ich in meiner gesamten Karriere zum Glück nie erlebt», sagt Olav Brunner, ehemaliger Swissair-Pilot. «Rauch ist eine gefährliche Sache. Wenn zum Beispiel eine Luftleitung bricht, kann Rauch ins Cockpit oder die Kabine gelangen – es droht eine Rauchvergiftung.» Sauerstoffmasken wurden in dieser Situation bewusst nicht verwendet. «Es besteht die Gefahr, dass sich das Feuer aufgrund des Sauerstoffs explosionsartig ausbreitet», erklärt Brunner.
«Feuer und Rauch sind der Albtraum eines jeden Piloten»
Feuer und Rauch seien der Albtraum eines jeden Piloten. «Das ist etwas vom Schlimmsten, was passieren kann. Man muss sofort reagieren.» Brunner lobt denn auch das schnelle und korrekte Handeln der Crew: «Sie haben richtig reagiert, sofort notgelandet und alle sicher evakuiert.»
Dieser Einschätzung stimmt der Aviatikexperte und Chefredaktor von SkyNews.ch, Hansjörg Bürgi, zu. Er fügt an, dass auch der Flughafen Graz ein glücklicher Umstand gewesen sei. «Dort läuft nicht so viel, da konnten sie das Flugzeug auf dem Rollfeld stehen lassen. In Wien wäre das schwieriger gewesen.»
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Flugzeug vom Typ A220 Probleme bereitet. Schon mehrmals musste eine A220 ausserordentlich landen.
Vorfall auf Flug Budapest-Zürich:
Einen Tag vor dem Vorfall in Graz hatte die Besatzung vor dem Hinflug von Zürich nach Budapest (LX2258) im Flugzeug einen ungewöhnlichen Geruch auf der Höhe der Reihen 8 bis 11 festgestellt. Doch: «Es handelte sich dabei nicht um eine Rauchentwicklung. Das Flugzeug wurde aus Sicherheitsgründen der Technik zur Inspektion übergeben. Die Überprüfungen wurden ohne technische Befunde abgeschlossen», teilt eine Swiss-Sprecherin 20 Minuten mit.
Flug LX2258 wurde mit einem Ersatzflugzeug durchgeführt. Aufgrund der verspäteten Abflugzeit bereits in Zürich, musste dann der Rückflug von Budapest nach Zürich (LX2259) annulliert werden, da er es nicht mehr rechtzeitig vor der Nachtflugsperre zurück nach Zürich geschafft hätte.
Dabei stellt die Sprecherin aber klar: Es handelte sich um einen Airbus A320, also nicht um den gleichen Flugzeugtyp wie beim Vorfall von Montag.
«Triebwerke machen schon länger Probleme»
«Die A220 wurde in Kanada von Bombardier entwickelt», erklärt Stefan Eiselin, Luftfahrtexperte von aeroTELEGRAPH. Aufgrund von Finanzierungsproblemen habe der Flugzeughersteller das Modell aber dann an Airbus verkauft. «Die Swiss war die erste Airline, die mit der A220 geflogen ist.» In den vergangenen Jahren sei es dabei wiederholt zu Triebwerkspannen gekommen. «Die Triebwerke der A220 sind von Pratt und Whitney und neu entwickelt. Diese machen schon länger Probleme. Die Airlines müssen bestimmte Teile viel häufiger ersetzen, als vorgesehen.»
Die Triebwerksprobleme der A220-Flugzeuge führten dazu, dass die Swiss einige Maschinen des gleichen Typs von AirBaltic anmieten musste, so Bürgi. «Es braucht sie, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Da beim A220 viel mehr Wartungen und Checks notwendig sind, sind immer mehrere Flugzeuge am Boden.» Aufgrund der sich häufenden Probleme hat Swiss laut Eiselin 2019 die ganze A220-Flotte, bestehend aus 29 Fliegern, überprüft und inspiziert.

Aviatikexperte Hansjörg Bürgi glaubt nicht, dass der aktuelle Vorfall mit den Triebwerksproblemen zusammenhängt – komplett ausschliessen kann er es aber nicht.
skynewsDass die Triebwerksprobleme des A220 mit dem aktuellen Vorfall zusammenhängen, glaubt Bürgi indes nicht. Denn: Obwohl die Ursache noch ungeklärt ist, würde sich der Rauch in vielen Fällen vor allem über die Klimaanlage in der Kabine verbreiten. «Die Klimaanlage wird bei diesem Flugzeugtyp aber normalerweise nicht über die Triebwerke betrieben, der Rauch müsste dann woanders hergekommen sein.» Ausschliessen aber kann er einen Zusammenhang nicht: «Die Klimaanlage kann als Reserve über die Triebwerke laufen. Wenn das in diesem Fall so gewesen sein sollte, tut sich damit ein neues Problem auf», so Bürgi.
«Ohne diese Flieger würde es nicht gehen»
Trotzdem brauche es den A220. Nicht nur, weil er «super, neu und umweltfreundlich» ist – sondern vor allem, weil es laut Bürgi an Ersatz fehlt. «Ohne diese Flieger würde es nicht gehen, es gibt einfach zu wenige Flugzeuge weltweit.» Auch die Triebwerke selber seien eine Herausforderung. «Es gibt nicht einfach neue Triebwerke, die man einbauen kann. Vor zehn Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, dass es einmal solche Probleme in der Lieferkette geben wird», erklärt Bürgi. Vor allem die Nachwirkungen der Corona-Pandemie hätten zu diesen Engpässen geführt.
Wie sicher fühlst du dich in Flugzeugen?
Auch Eiselin sieht bis zum Graz-Vorfall keinen Grund, dass der Flugzeugtyp aus dem Verkehr genommen werden müsse. «Keine Airline würde das Risiko in Kauf nehmen, dass ein potentiell gefährliches Flugzeug in Betrieb ist, in der Luftfahrt ist man immer übervorsichtig. Triebwerksprobleme und Rauchentwicklung können immer wieder mal vorkommen, sie stellen aber keine direkte Gefahr für Leib und Leben dar.»
Was genau zum Vorfall in Graz führte, ist noch unklar. «Es ist noch zu früh, um diesen konkreten Fall einzuschätzen, aber es handelt sich hier doch um einen Extremfall, der allenfalls neue Erkenntnisse ans Licht bringt», so Eiselin. «Je nach Einsicht der Ermittler ist dann doch Handlungsbedarf
gefordert.»
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