On: Herr Coppetti, werden Ihre Produkte noch teurer?

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Mitgründer im InterviewHerr Coppetti, werden die On-Produkte noch teurer?

In Zürich West ist mit On ein internationaler Sportartikel-Riese herangewachsen. 20 Minuten hat einen der Gründer gefragt, was vom Start-up-Vibe noch übrig ist und ob die Produkte nicht doch etwas zu teuer sind.

Caspar Coppetti von On: «Start-up heisst Überlebenskampf. Das ist gar nicht so cool, wie alle denken.»
Im Hauptquartier in Zürich West ist ein Grossteil der mittlerweile 3000 Mitarbeiter beschäftigt.
Hauptfunktion Träumen: Caspar Coppetti denkt die Zukunft von On.
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Caspar Coppetti von On: «Start-up heisst Überlebenskampf. Das ist gar nicht so cool, wie alle denken.»

20min / Michael Scherrer

On: Darum gehts

  • Vom Start-up zum globalen Player: Die Zürcher Firma On hat eine beeindruckende Entwicklung hingelegt.

  • Im Interview mit 20 Minuten erklärt Mitgründer Caspar Coppetti, wie sich On zwischen Start-up und Grosskonzern bewegt.

  • Nachhaltigkeit, Preis, «Altherrenmarke»: Ausserdem kommentiert der 48-Jährige die gängigste Kritik am Sportartikelhersteller.

Ziemlich genau zwei Jahre, nachdem Roger Federer in der hauseigenen On-Bibliothek seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, nahm sich Co-Founder Caspar Coppetti (48) in jenem Raum Zeit, ausführlich über die Erfolgsgeschichte seines Unternehmens zu sprechen.

Eine Erfolgsgeschichte, die – ähnlich wie diejenige von Co-Entrepreneur Federer – längst über Schweizer Massstäbe hinausgewachsen ist. Allein in den letzten fünf Jahren wurden im «On Lab» an der Zürcher Förrlibuckstrasse nicht weniger als 1000 Jobs geschaffen, eine Partnerschaft mit Superstar Zendaya aufgenommen – und Industrie-Giganten wie Nike allmählich der Rang abgelaufen.

Seit 2010 mit On unterwegs: Mitgründer Caspar Coppetti.

Seit 2010 mit On unterwegs: Mitgründer Caspar Coppetti.

20min / Michael Scherrer

Herr Coppetti, kürzlich habe ich folgende Aussage aufgeschnappt: «Coppetti war schon corporate, bevor er corporate war.»

(lacht) Also corporate ist die letzte Assoziation, die irgendein Mitarbeiter mit mir machen würde. Ich habe eine ganz andere Rolle bei On.

Und die wäre?

Ich träume die Zukunft, stelle mir vor, was irgendwann einmal sein könnte. Auch wenn es eigentlich ausserhalb unserer Möglichkeiten liegt. Um später dann einen Weg zu finden, in diesen Traum hineinzuwachsen.

Wie hat sich diese Rolle in den 14 Jahren seit der Gründung verändert?

Am Anfang habe ich Klinken geputzt und Schuhschachteln zur Post gebracht. Als Unternehmer macht man halt, was gerade ansteht. Meine Hauptaufgabe im ersten Jahrzehnt von On war, den weltweiten Vertrieb aufzubauen.

«Der Schlüssel war, mit den Händlern joggen zu gehen.»

Caspar Coppetti, Co-Founder On

Und das war gar nicht so einfach.

Ganz und gar nicht. Schauen Sie, der Laufsporthändler ist äusserst konservativ. Klar, beim Laufen gibt es schnell Verletzungen. Laufsportspezialisten sucht man eigentlich erst auf, wenn man ein Problem hat.

Also mussten Sie Apothekern so was wie neue Medikamente «andrehen».

So ungefähr. Sie fühlen sich etwas wie Apotheker, die bei Verletzungen eine Lösung verschreiben. Wir kamen mit etwas ganz Verrücktem, einer komplett anderen Technologie, um die Verletzungsproblematik anzugehen. Dies in den Handel zu übertragen, war richtig schwierig.

Wie haben Sie es gelöst?

Der Schlüssel war, mit den Händlern joggen zu gehen. (lacht)

Die Zurückhaltung blieb aber bestehen.

Klar. Am Anfang haben sie vielleicht zwölf Paar Schuhe bestellt, nicht mehr, auch wenn ich dafür extra nach New York gereist bin.

Klingt nach mehr Sky-Miles als bei einem Flugbegleiter.

Sozusagen, während zehn Jahren bin ich extrem viel geflogen. Zu Beginn nur mit einem Rucksack und zwei Musterschuhen drin.

Was war die schmerzhafteste Ablehnung, die Sie dabei erfahren haben?

Das war 2011. Wir sind nach New York zum bekannten Laufsporthändler «Jack Rabbit» gereist. Da hat sich die Einkäuferin tatsächlich geweigert, den Schuh anzuprobieren. Oder bei «Marathon Sports» in Boston hat mich der Inhaber nicht weniger als drei Mal einfach sitzen lassen.

«Unsere Idee kam halt anfänglich auch etwas verrückt daher.»

Caspar Coppetti, Co-Founder On

Und Sie sind geknickt nach Hause?

Ich komme aus einem kleinen Dorf im Glarnerland. Wenn du dann irgendwo in einer Grossstadt wie New York oder Boston stehst, fragst du dich schon: «Was mache ich eigentlich hier?»

Hast du On-Produkte?

Also gibts keinen Groll?

Nein. Das sind starke Persönlichkeiten mit starken Überzeugungen, bei denen man sich erst einmal Respekt verschaffen muss. Heute sind dadurch schöne Freundschaften entstanden.

Dennoch: Die Händler haben anfänglich nicht an On geglaubt.

Unsere Idee kam halt anfänglich auch etwas verrückt daher – und die Wahrscheinlichkeit, dass wir scheitern würden, war wesentlich höher als die Erfolgsaussichten.

Nehmen wir an, Sie hätten aufgegeben, was würde Caspar Coppetti heute tun?

Ich würde wahrscheinlich etwas anderes Unternehmerisches machen. Das war schon immer mein Traum. Nach dem Studium habe ich kurz bei McKinsey gearbeitet und merkte schnell, beraten ist nicht mein Ding. Das Schwierigste war aber, überhaupt den Mut aufzubringen, aus dem goldenen Käfig auszubrechen und unternehmerisches Risiko zu übernehmen.

Also doch schon immer corporate.

(lacht) Nein, eben nicht. Ich bin mehr der Typ für die «Mission Impossible», weniger fürs Grossraumbüro.

Im «On Lab» in Zürich West hat der Sportartikelhersteller in den letzten fünf Jahren nicht weniger als 1000 Personen zusätzlich eingestellt.

Im «On Lab» in Zürich West hat der Sportartikelhersteller in den letzten fünf Jahren nicht weniger als 1000 Personen zusätzlich eingestellt.

20min / Michael Scherrer

Dennoch haben Sie jetzt selbst Grossraumbüros. Wie viel Start-up steckt beim Koloss mit 3000 Mitarbeitern noch drin?

Also, ich würde gerne etwas klarstellen: Der Aspekt des Start-ups wird von vielen romantisiert. Start-up heisst Überlebenskampf. Das ist gar nicht so cool, wie alle denken. Für uns war der wichtigste Moment 2014, als wir erstmals eine schwarze Null schreiben konnten. Nun sind wir längst kein Start-up mehr, sondern ein börsenkotiertes Unternehmen.

Was hat sich seit 2014 verändert?

Wir haben uns laufend professionalisiert. Mehr Leute bedeuten letztlich mehr Arbeitsteilung. Anfänglich haben wir Gründer alles selbst gemacht. Nun braucht es Strukturen, Prozesse und Systeme. Die Herausforderung besteht darin, die Innovationskraft dabei aufrechtzuerhalten. Viele Unternehmen holen diese nur noch von aussen, man kauft Innovation über Akquisitionen ein oder arbeitet mit Entwicklungspartnern.

Wie schaffen Sie das?

Wir machen täglich den Spagat zwischen Freiräumen, in denen Mitarbeitende mutig sein und Dinge auch mal in den Sand setzen können, und der laufenden Strukturarisierung der Produktion oder Logistik.

«Wenn man aber etwa neue Mitarbeitende fragt, die von grösseren Firmen wie Adidas zu uns stossen, finden sie uns in gewissen Bereichen schon noch schrecklich unstrukturiert.»

Caspar Coppetti, Co-Founder On

Sie trotzen mit dem, wie Ihr es nennt, «Explorer Spirit» der eigenen Grösse.

Genau. (lacht)  Wenn man aber etwa neue Mitarbeitende fragt, die von grösseren Firmen wie Adidas zu uns stossen, finden sie uns in gewissen Bereichen schon noch schrecklich unstrukturiert. Wir ermutigen die Mitarbeitenden, bezüglich Innovation lieber mal um Entschuldigung zu bitten, als um Erlaubnis zu fragen. So blühen viele auf.

Welche konkreten Aufgaben haben dabei die Gründer?

Wir drei Gründer haben am meisten Stimmrechte und halten zusammen mit den beiden Co-CEOs die Kontrolle über das Unternehmen. So können wir langfristig agieren und auch gewisse Risiken eingehen, die angestellte Manager nicht eingehen könnten.

Sind Sie deshalb in den USA kotiert, weil in der Schweiz duale Aktienstrukturen nicht gerne gesehen werden?

Nicht nur. Die Schweiz wäre natürlich ein guter Finanzplatz gewesen. Hier wären wir jedoch der einzige Sportartikelhersteller an der Börse gewesen. In den USA sind es mindestens 20. Letztendlich stellt sich die Frage: Willst du Regionalliga spielen oder Champions League?

Caspar Coppetti (l.) im Gespräch mit 20 Minuten.

Caspar Coppetti (l.) im Gespräch mit 20 Minuten.

20min / Michael Scherrer

Sie haben sich für die Champions League entschieden.

In den USA wird man gnadenlos durchleuchtet, genauso wie die Konkurrenz. Deshalb kann man sich stets mit den Besten messen und dabei lernen. Wir schätzen den Austausch mit den Analysten und Investoren sehr.

Wenn Sie in der Champions League der global tätigen Sportartikelhersteller mitmischen, übernehmen Sie automatisch Sippenhaft einer in vielerlei Hinsicht unnachhaltigen Industrie. Wie gehen Sie damit um?

Es ist ja eigentlich ein Kompliment, wenn Leute draufschauen, was wir machen. Und klar: Mit einer gewissen Grösse kommt eine gewisse Verantwortung. Diese Verantwortung wollen wir wahrnehmen.

Meilensteine von On

  • 2010: Gründung von On in der Schweiz und Launch der ersten Schuhe

  • 2014:  Launch des ersten Cloud-Schuhs

  • 2016: Launch der ersten Bekleidungslinie

  • 2020: Über zehn Millionen Paar Schuhe verkauft

  • 2021: Börsengang an der New York Stock Exchange

  • 2022: Über eine Milliarde Franken Umsatz

  • 2022: Bezug der «On Labs» in Zürich

Was tun Sie für die Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit ist für On ein wichtiger Pfeiler der gesamten Strategie. In einer Industrie mit weltweiten Produktions- und Lieferketten ist es extrem schwierig, die eigenen Produkte auf Nachhaltigkeit und Zirkularität zu trimmen. Heisst: Wir brauchen zum einen viele Kooperationen. Zum anderen müssen wir die Konsumenten auf dieselbe Schiene bringen. Es ist ein langer Weg und braucht viel Energie und Geduld.

«Unser Stimmrecht ist an eine aktive Mitarbeit gekoppelt.»

Caspar Coppetti, Co-Founder On

Wie überwachen Sie Ihr Material?

Schon länger hat es in unseren Produkten einen Chip drin, womit man die Produktion rückverfolgen kann. Gleichzeitig investieren wir viel Zeit, unsere Hersteller auf die Reise in Richtung Nachhaltigkeit und Zirkularität mitzunehmen.

Klingt gut. Aber was heisst das genau?

Die Hersteller müssen letztlich verstehen und mittragen, was wir erreichen wollen, ob es sich nun um ökologische oder soziale Nachhaltigkeit handelt. Wir überprüfen regelmässig, dass unsere Anforderungen an Arbeitspraktiken, Sicherheit am Arbeitsplatz und globalen sozialen Standards erfüllt werden. Ab diesem Jahr werden wir noch einen Schritt weitergehen und unsere Überprüfung auch auf unsere indirekten Lieferanten ausweiten. Eine Veränderung von Produktionsprozessen erreicht man aber nicht in erster Linie über Kontrolle, sondern über Aufklärung, Unterstützung und Anreize.

Zurück zur Gewaltentrennung. Ein Gründer-geführtes Unternehmen wäre an der Schweizer Börse so nicht möglich.

Google, Tesla, Facebook: In den USA bevorzugen Investoren Gründer-geführte Unternehmen über Management-geführte und räumen den Gründern deshalb Sonderrechte in Form von Stimmrechtsaktien ein. Übrigens: Unser Stimmrecht ist klar an eine aktive und operative Mitarbeit gekoppelt. Mit unserer Pensionierung verfallen sie.

In On Lab an der Zürcher Förrlibuckstrasse wird munter getüftelt.

In On Lab an der Zürcher Förrlibuckstrasse wird munter getüftelt.

20min / Michael Scherrer

Stört es Sie, dass sich die Öffentlichkeit über die Gewinnmarge auf Ihren Produkten enerviert?

Die Gewinnmarge ist öffentlich und gibt letztlich Auskunft darüber, wie gut man beim Konsumenten ankommt. Wir haben nun sehr viel Öffentlichkeit, die vorwiegend positiv ist. Alles andere müssen wir auch etwas aushalten.

Aber im Ernst: Ist die Gewinnmarge nicht zu hoch?

Nein. On-Produkte sind Premium-Produkte. Die Menschen sind bereit, dafür zu zahlen, damit wir umso mehr in die Innovation und Weiterentwicklung unserer Produkte investieren können.

Könnten Sie also noch teurer werden?

Es könnte in diese Richtung gehen, aber dazu muss man die Trendentwicklung genau anschauen. Im Schnitt sind On-Produkte doppelt so teuer wie Nike-Produkte. Heisst: Will Nike eine Milliarde Umsatz machen, müssen sie doppelt so viel verkaufen wie wir. Mit der kleineren Menge werden wir automatisch etwas die Speziellen bleiben.

«Im Schnitt sind On-Produkte doppelt so teuer wie Nike-Produkte.»

Caspar Coppetti, Co-Founder On

Je mehr Premium, desto mehr bewegt man sich in einem Segment, wo es schwieriger wird, Junge anzusprechen. Rührt daher die Problematik der «Altherrenmarke»?

Das ist ein Stück weit ein Schweizer Phänomen, wo wir stark über den Sport-Kanal und weniger über Lifestyle gewachsen sind. Das sieht in den USA zum Glück anders aus. Da wird On gerade bei Jugendlichen als ein Statussymbol gesehen.

Heisst aber: On hat zwei Markenbilder. Rücken diese Bilder wieder näher zusammen?

Es ist nie gut für eine Marke, zwei Markenbilder zu haben. Mit der Diversität der Produkte wollen wir gegensteuern, und aktuell beobachten wir, wie die Coolness von On quasi aus dem Ausland wieder in die Schweiz importiert wird. (lacht)

Caspar Coppetti freut sich auf den Flagship Store in Zürich.

Caspar Coppetti freut sich auf den Flagship Store in Zürich.

20min / Michael Scherrer

Ist der Schweizer Markt einfach schwieriger als andere?

Im Durchschnitt erhalten wir in der Schweiz sehr viel Anerkennung. Mittlerweile sind wir aber etwas über den Schweizer Massstab hinausgewachsen, was einen gewissen Erklärungsbedarf nach sich zieht. Es liegt nun an uns, den Schweizerinnen und Schweizern zu zeigen, wofür On steht und was wir alles tun am Standort Schweiz.

Wie wollen Sie das tun?

Da gibts viele Möglichkeiten. Die Partnerschaften mit Swiss-Ski und Swiss Olympic sind sehr wichtig, weil wir dadurch auch den Nachwuchs unterstützen können. Und nächsten Frühling werden wir beispielsweise endlich einen Flagship Store in Zürich eröffnen – in der wunderschönen Location des Musik Hug. Dort wird On in seiner ganzen Vielfalt für alle erlebbar sein.

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