Sicherheitsexperte erklärt«Federer ist nicht zwingend weniger gefährdet als Selenski»
Der Schweizer Marco Fetz hat als Sicherheitsexperte mit über 30 Jahren Erfahrung schon Spitzenpolitiker, Promis und CEOs beraten. Im Interview erklärt er, wie er Gefahren erkennt.
Darum gehts
Roger Federer lebt gefährlich, ähnlich wie Präsident Wolodimir Selenski.
Sicherheitsexperte Marco Fetz erklärt, wie er Gefahren erkennt und Angriffe verhindert.
Fetz betont die Wichtigkeit von Prävention im Personenschutz.
Marco Fetz, Sie sind CEO der Starco Security AG, langjähriger Sicherheitsexperte und Angehöriger der Militärpolizei. Wenn Sie wählen könnten: Würden Sie lieber Roger Federer oder Wolodimir Selenski beschützen?
Roger Federer habe ich tatsächlich einmal an den Swiss Indoors beschützt, da war er allerdings noch nicht der Star von heute. Präsident Selenksi hingegen ist eine völkerrechtlich geschützte Person, die darum vom Schweizer Staat geschützt werden muss. Der Schutz ist somit Aufgabe der Polizei und nicht von einem privaten Sicherheitsunternehmen.
Die Frage zielte darauf ab, ob Sie lieber den Nervenkitzel mit Selenski oder den Schoggijob mit Federer wählen würden.
Das ist Ihre Interpretation. Wir teilen Gefahren in fünf Stufen ein, wobei fünf die höchste ist. Präsident Selenski ist vermutlich bei Stufe vier oder fünf eingeteilt, Federer würde ich bei zwei bis drei einstufen, ohne die genauen Details zu kennen. Federer ist nicht zwingend weniger gefährdet, dies aufgrund seiner hohen Bekanntheit und der Vermögenssituation, weshalb er ebenfalls möglichen Risiken ausgesetzt ist.
Wann ist die Gefahr für Angriffe denn am grössten?
Gleich bei der Ankunft oder vor der Abfahrt daheim oder im Büro. «Denn durch diese hohle Gasse muss er kommen», wusste schon Wilhelm Tell. Häufig denken Menschen bei Personenschutz nur an den Schutz des Lebens. Wir schützen aber auch die Handlungsfreiheit etwa eines CEOs, der nicht erpresst werden darf. Bei einem Schweizer CEO ist die Gefahr momentan aber grösser, dass er an einem Herzinfarkt stirbt, als dass er auf offener Strasse erschossen wird.
In den USA ist das allerdings dem CEO von United Healthcare passiert. Hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Ja, besonders bei amerikanischen Kunden. Früher wollten sie beispielsweise nur bis zur Ferienstation und zurück begleitet werden. Dazwischen waren sie teilweise alleine unterwegs. Jetzt wurde für sie jedoch Personenschutz angesetzt. In der Schweiz gab es bisher zum Glück noch kein solches Trigger-Ereignis. Das ist meiner Meinung nach aber nur eine Frage der Zeit.
2022 hat ein 38-Jähriger den Impfchef Christoph Berger entführt.
Ja, da gab es finanzielle Motive. Seither beraten wir öfters reiche Familien und Unternehmen. Das Schlimmste, was unseren Regierungsmitgliedern zum Glück bisher passierte, ist, dass an einer Bauerndemo Stiefel flogen oder dass ihnen ein Glas Apfelsaft ins Gesicht geschüttet wurde.
Die neue Disney+-Serie «Paradise» dreht sich um einen fiktiven Personenschützer und Freund des US-Präsidenten. Wie beurteilen Sie die persönliche Nähe zur Schutzperson?
Sogenannte «Buddy-Guards» sind in der Branche verpönt. Wir müssen Vertrauen aufbauen, aber dürfen nicht zu Freunden der Schutzpersonen werden. Sonst können wir nicht mehr rational entscheiden. Diese Nähe sieht man eher bei Bodyguards. Die TV-Persönlichkeit Irina Beller etwa liess sich 2015 für Fotos von ihren Bodyguards tragen und sagte, sie seien fast schon Teil der Familie. Da fehlt der nötige Abstand. Stars und Sternchen wollen aber oft Muskelpakete, die abschreckend wirken.
Die Serie «Paradise» ist seit dem 28. Januar bei Disney+ zu sehen.
YoutubeAuf welche Tricks fährt Hollywood ab, obwohl sie in echt nicht funktionieren?
Manchmal wirft sich der Held auf eine Person, um sie vor einer Explosion zu schützen. In echt würde die Explosion jedoch beide tödlich verletzen. Am häufigsten suchen Actionhelden jedoch bei einem Schusswechsel Deckung hinter völlig ungeeigneten Objekten, wie Autotüren. Wenn diese nicht gepanzert sind, würden sie einen Schuss aus einem Gewehr kaum abwehren.
Gibt es ein Filmgadget, das Sie unbedingt haben möchten?
Ja, aus dem Film «Der Spion, den ich liebte». Dort setzt James Bond in einem Hotelzimmer ein Wanzensuchgerät ein und ist nach 30 Sekunden fertig. In echt dauert ein solcher Raum-Sweep mehrere Stunden und benötigt mehrere hochspezialisierte Personen, bis wir sagen können: Der Raum ist zu 99 Prozent sicher.
Wollen Sie das Gerät also vor allem für die 100-prozentige Gewissheit?
Nein, 100-prozentige Gewissheit gibt es nur bei James Bond. In echt hat beispielsweise der US-Präsident die technischen Möglichkeiten und Ressourcen, den Informationsschutz auf einem solch hohen Level zu gewährleisten, indem er mit Elektroingenieuren und Hochfrequenztechnik arbeitet. Manchmal braucht man spezielle Vorhänge, um etwa zu verhindern, dass ein Lasermikrofon über die Fenster die Schwingungen im Inneren abfangen kann.
Wie wichtig ist dir Sicherheit im Alltag?
Welche Aktionen Ihres Berufslebens waren filmreif?
Einige. Über eine darf ich sprechen, da hatten wir auch Glück. Da ging es um den Schutz der Geschäftsleitung an der Weihnachtsgala einer Privatbank, die es heute nicht mehr gibt. Da ging ein Mitarbeiter mit dem Messer auf den Personalchef los. Wir haben ihn gerade noch im letzten Moment erwischt, den Angriff abgewehrt und ihn zu Boden geführt. Der Mann hatte vermutlich psychische Probleme.
Wie haben Sie die Gefahr erkannt?
Eine Mitarbeiterin hat uns vorab darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Mann seltsam verhalte. Er griff etwa mit der Hand in das Tiramisu des Buffets. Daraufhin wollte der Personalchef mit ihm reden, also ging ich mit und sah, dass auf dem Tisch ein Kuchenmesser lag. Das löste eine Anspannung in mir aus. Plötzlich zog der Mann das Messer und holte aus – da konnten wir den Angriff gerade noch abwehren. Ich schaue immer auf die Hände, wenn jemand auf mich oder die Schutzperson zukommt. Sind sie versteckt, gilt die Person für mich als potenziell gefährlich.
Was lässt Ihre Alarmglocken sonst noch läuten?
Der Psychologe Dietmar Heubrock hat in einem Experiment mit gestellten Attentaten herausgefunden, dass Polizisten und Sicherheitsspezialisten, anders als Laien, irgendwie spüren, wenn etwas nicht stimmt. Heubrock hat erkannt, dass Attentäter enorm unter Stress stehen. Und wenn Menschen gestresst sind, versuchen sie, den Stress teils unkontrolliert abzubauen, fassen sich ständig ins Gesicht oder fummeln an ihrer Jacke rum. Einem geübten Auge fallen solche Details auf.
Selbst in einer grossen Menschenmenge?
Ja. Bei Künstlerinnen und Stars ist es häufig so, dass sich potenzielle Täter beispielsweise im Publikum mit dem Menschen auf der Bühne mitbewegen, um optimal positioniert zu sein.
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