Pontoise, FrankreichSuizid von gemobbter Evaëlle (11): Lehrerin freigesprochen
2019 nahm sich in Frankreich die Schülerin Evaëlle wegen Mobbing das Leben. Ihre Lehrerin stand deswegen vor Gericht – nun wurde sie freigesprochen.
Darum gehts
Die frühere Französischlehrerin (62) einer gemobbten Schülerin, die sich 2019 umbrachte, stand wegen Mitschuld am Tod von Evaëlle (11) vor Gericht.
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen des Verhaltens von Pascale B. 18 Monate Haft gefordert.
Nun wurde die Lehrerin freigesprochen. Evaëlles Eltern wollen das Urteil nicht akzeptieren.
Evaëlles ehemalige Französischlehrerin Pascale B. (62) wurde am Donnerstag vom Strafgericht Pontoise (Val-d'Oise) freigesprochen. Während ihres zwei Tage dauernden Prozesses beharrte die Frau darauf, sie habe das Mädchen nicht gedemütigt.
«Die behaupteten Tatsachen sind nicht erwiesen», erklärte der vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung. Er kam zudem zum Schluss, «das Vorsatzelement der Tat» sei nicht gegeben und Pascale B. habe nicht «willentlich versucht, Evaëlles Lebensbedingungen zu verschlechtern».
Schockiert von der Entscheidung des Gerichts blieben Evaëlles Eltern mehrere Minuten lang schluchzend auf der Richterbank sitzen. Ihr Anwalt rief: «Das ist ein Schlag ins Gesicht!» Sie wolle die Staatsanwaltschaft bitten, in Berufung zu gehen, versicherte die Mutter den Medien. In Frankreich kann das in solchen Fällen nur die Anklage tun.
«Ich bin völlig fassungslos», erklärte Evaëlles Mutter. «Die Fakten und Zeugenaussagen waren da, sie wurden aber nicht gehört. Wir müssen die Dinge noch einmal erklären.» Die sichtlich bewegte Mutter fügte hinzu, der Entscheid habe ihr das Gefühl gegeben, dass die Justiz das Verhalten dieser Lehrerin dulde. «Sie sagt, diese Lehrerin habe das Recht, sich unseren Kindern gegenüber so zu verhalten.»
Vor versammelter Klasse gedemütigt
Die Lehrerin wird verdächtigt, ein vergiftetes Klima geschaffen oder zumindest aufrechterhalten zu haben, unter dem das Mädchen litt. Mehrere Schüler berichteten von verletzenden Bemerkungen der Lehrerin B. Evaëlle wurde zudem trotz Sehproblemen in die hinterste Reihe der Klasse verbannt. Pascale B. habe Evaëlle mehrfach zum Weinen gebracht und sich dann darüber aufgeregt, dass sie in Tränen ausbrach. Selbst Kollegen der Lehrerin gaben an, dass sich B. auf bestimmte Schüler «eingeschossen hatte» und diese jeweils vor der Klasse demütigte. So soll sie Schülerinnen und Schüler, die sie ins Visier genommen hatte, vor versammelter Klasse als «dumm» und «nutzlos» bezeichnet haben.
18 Monate Haft gefordert
Im März hatte die Staatsanwaltschaft nach zweitägigen Anhörungen eine 18-monatige Bewährungsstrafe für die 62-Jährige gefordert. Da Pascale B. die Jugendliche «den Wölfen zum Frass vorgeworfen» habe, hatte die Anklage zudem ein dauerhaftes Berufsverbot für sie gefordert. Zwei Mitschüler waren im Zusammenhang mit dem Fall Evaëlle bereits wegen Belästigung der Schule verwiesen worden.
Seit der vierten Klasse Opfer von Mobbing
Bereits in der vierten Klasse war das Mädchen regelmässig von ihren Klassenkameraden verspottet und gemobbt worden. Mit dem Eintritt in die sechste Klasse im September 2018 wurde aber alles schlimmer: In den Gängen und auf dem Schulhof waren die Demütigungen täglich. Es hagelte Beleidigungen, Mitschülerinnen weigerten sich, neben Evaëlle zu sitzen. Auch ein Schulwechsel brachte keine Besserung.
Am 21. Juni 2019 kam sie nach einer weiteren Demütigung in der Schule nach Hause: Ein Mitschüler hatte ihren Rucksack ausgeleert, ihre Sachen auf den Schulhof geworfen und sie dabei beschimpft. Ihre Mutter schalt Evaëlle, weil sie nicht mit einem Erwachsenen darüber gesprochen hatte. Wenige Stunden später fand ihr Vater das Mädchen leblos in ihrem Zimmer auf.
Bist du oder ist jemand, den du kennst, von (Cyber-) Mobbing betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Fachstelle Mobbing (kostenpflichtig)
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61
Hilfe bei Mobbing, Fachstelle für Schulen und Eltern (kostenpflichtig)
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
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