Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Das sagen die betroffenen Branchen

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Reaktion auf StudieÜbergriffe am Arbeitsplatz: Das sagen die betroffenen Branchen

Eine neue Studie des Bundes zeigt, dass von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz besonders Frauen und die Branchen Gesundheitswesen, Gastgewerbe sowie Banken und Versicherungen betroffen sind. 20 Minuten fragt bei den Verbänden nach: Was wird getan, um das Problem zu lösen?

Von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sind besonders Mitarbeitende im Gesundheitswesen, Gastgewerbe sowie Banken und Versicherungen betroffen. (Symbolbild)
«Im Gesundheitsbereich arbeiten viele Frauen, was die Häufigkeit sexueller Belästigung teilweise erklärt», sagt Viviane Hösli von der Gewerkschaft VPOD. (Symbolbild)
Dazu kämen starke Hierarchien und eine hohe Arbeitsbelastung. Hösli sagt aber auch: «Solange Seximus im Alltag akzeptiert wird, wird sich an der Situation auch am Arbeitsplatz wenig ändern.» (Symbolbild)
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Von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sind besonders Mitarbeitende im Gesundheitswesen, Gastgewerbe sowie Banken und Versicherungen betroffen. (Symbolbild)

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Darum gehts

  • Eine neue Studie zeigt, dass ein Drittel der Arbeitnehmenden in der Schweiz sexuelle Belästigung erlebt hat, besonders Frauen und Mitarbeitende im Gesundheitswesen, Gastgewerbe sowie Banken und Versicherungen.

  • Während die Gewerkschaft VPOD im Gesundheitsbereich starke Hierarchien und eine hohe Arbeitsbelastung als Problem erachtet, geben Branchenverbände im Banken- und Versicherungswesen sowie der Gastronomie nur vage Auskunft.

  • Für den VPOD ist klar: Es braucht einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, um Sexismus und Übergriffe am Arbeitsplatz zu reduzieren.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist in der Schweiz noch immer weit verbreitetes Problem. Die Ergebnisse einer neuen Studie des Bundes zeigen, dass ein Drittel der Arbeitnehmenden im bisherigen Erwerbsleben sexuell belästigt wurde – bei Frauen liegt der Anteil mit 44 Prozent deutlich höher als bei Männern mit 17 Prozent. Besonders betroffen sind drei Branchen: Gesundheits- und Sozialwesen, Gastgewerbe sowie Banken und Versicherungen.

20 Minuten will deshalb von den Verbänden wissen:

- Wieso ist das Problem in Ihrer Branche so gross?

- Was tun Sie schon dagegen?

- Wann wird sich etwas ändern?

Das sind die Antworten.

Gesundheits- und Sozialbereich: «Je stärker die Hierarchie, desto grösser das Risiko»

Bis Redaktionsschluss haben die Branchenverbände im Gesundheitsbereich nicht auf die Anfrage von 20 Minuten reagiert. Die Gewerkschaft für den Service public VPOD dagegen kann sich die Studienresultate erklären.

Die Gründe

Viele Frauen in den Berufen: «In beiden Branchen arbeiten viele Frauen, was die Häufigkeit sexueller Belästigung teilweise erklärt», sagt Viviane Hösli, die für den Bereich Gesundheit zuständig ist.

Starke Hierarchien: Hinzu käme, dass im Gesundheitsbereich starke Hierarchien herrschten. «Je stärker die Hierarchie, desto grösser das Risiko. Denn für Betroffene ist es schwieriger, sich zur Wehr zu setzen.»

Angst vor negativen Konsequenzen: Viele hätten Angst vor negativen Konsequenzen – insbesondere, wenn die Belästigung durch Vorgesetzte erfolgt. Auch der Druck in der Branche spiele mit rein. «Die Mitarbeitenden arbeiten immer öfter alleine als im Team und haben zudem weniger Kapazität, um übergriffiges Verhalten anzuklagen.»

Was getan werden muss

Klare Reglemente: Deshalb sei es entscheidend, dass klare Reglemente zur Prävention existieren und externe Anlaufstellen zur Verfügung stehen. «Wenn die Belästigung von Arbeitskollegen und Vorgesetzten ausgeht, ist es zwingend, dass man sich ausserhalb des Arbeitsplatzes melden kann», so Hösli.

Wann sich etwas ändert

Wie bald sich etwas ändern wird, kann Hösli nicht beantworten, denn das Thema müsse gesamtgesellschaftlich angegangen werden. «Solange Seximus im Alltag akzeptiert wird, wird sich an der Situation auch am Arbeitsplatz wenig ändern.»

44 Prozent der Frauen haben bisher sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt.

44 Prozent der Frauen haben bisher sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt.

PantherMedia / Andriy Popov

Banken- und Versicherungswesen: «Belästigungen jeder Art sind nicht tolerierbar»

Der Arbeitgeberverband der Banken wie auch der Schweizerische Versicherungsverband SVV äussern sich nur vage auf die aufgeworfenen Fragen.

Die Gründe

Laut Arbeitgeber Banken belegt die Studie gar nicht, dass es in Banken ein grosses Problem gibt: «Alle Aussagen in Bezug auf Banken beziehen sich auf die heterogene Gruppe ‹Banken, Versicherungen und Immobilien›», sagt Geschäftsführer Balz Stückelberger. Auch der Schweizerische Versicherungsverband SVV äussert sich knapp. Ihm fehle eine Datengrundlage, um die Situation umfassend einschätzen oder kommentieren zu können. «Generell gibt die Studie jedoch zu denken. Wir werden die Erkenntnisse eingehend prüfen und sie an geeigneter Stelle aufnehmen», sagt Mediensprecherin Lisa Schaller.

Was getan wird

Arbeitgeber Banken vertrete für die Bankbranche die Haltung, dass in Bezug auf sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz eine Null-Toleranz-Schwelle gelte. «Für Banken als Branche mit einer sehr hohen Arbeitsplatzqualität sind Belästigungen jeder Art nicht tolerierbar.» Deshalb führe der Verband zum Beispiel Webinare zur Sensibilisierung durch oder habe im Gesamtarbeitsvertrag ein klares Diskriminierungsverbot verankert. «Wir werden dieses Engagement, auch aufgrund der Studie, weiterführen.»

Der SVV habe im Jahr 2021 gemeinsam mit dem kaufmännischen Verband Empfehlungen erarbeitet, die auch Standards zur Verhinderung von Mobbing und Sexismus enthielten. Kommt es zu einem Fall von sexueller Belästigung, sollten die Betroffenen laut Schaller das Gespräch mit dem oder der Vorgesetzten oder dem oder der HR-Verantwortlichen suchen. «Es gibt auch externe Beratungsangebote, die in Anspruch genommen werden können. Bei gravierenden Fällen sind auch rechtliche Schritte zu erwägen.»

Wann sich etwas ändert

Zu dieser Frage äussern sich weder Arbeitgeber Banken noch der SVV.

Gastgewerbe: «Bei uns engagieren sich Menschen, für die das Thema wichtig ist»

Der Branchenverband für Hotellerie und Restauration «Gastrosuisse» äussert sich nicht spezifisch auf die gestellten Fragen.

Die Gründe

«Das Gastgewerbe und die Hotellerie sind eine Branche mit Herz. Bei uns und unseren Unternehmen engagieren sich leidenschaftliche und reflektierte Menschen, für die das Thema wichtig ist», sagt Direktor Pascal Scherrer.

Was getan wird

Deshalb sei das Thema zuoberst auf der Agenda. «Unsere Mitglieder haben einen ausgezeichneten Ruf zu verlieren.» In den Bereichen Kommunikation, Bildung, Weiterbildung nehme der Verband seine Verantwortung wahr. «Denn wir leisten es uns bei keinem Thema, dass wir stehenbleiben und mit dem Erreichten zufrieden sind.»

Wann sich etwas ändert

Gastrosuisse äussert sich nicht zu dieser Frage.

Wirst du oder wird jemand, den du kennst, sexuell belästigt?

Hier findest du Hilfe:

Belästigt.ch, Onlineberatung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Verzeichnis von Anlaufstellen

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

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