Exklusiv-InterviewAn diesen KI-Projekten arbeitet Microsoft-Schweiz
Der Technologie-Chef von Microsoft Schweiz spricht exklusiv mit 20 Minuten über künstliche Intelligenz, ChatGPT und die potenziellen Gefahren dieser Technologie.
Darum gehts
Die künstliche Intelligenz findet eine immer breitere Anwendung.
Marc Holitscher ist Technologie-Chef von Microsoft Schweiz und sagt, was mit KI möglich ist.
Im Interview verrät er, welche Aufträge der Konzern schon abgelehnt hat.
Vor nur einem Jahr hätten vermutlich die wenigsten gewusst, was ChatGPT sein soll. Heute jedoch findet die künstliche Intelligenz (KI) hinter diesem wohl berühmtesten Chatbot der Welt auch in der Schweiz immer breitere Anwendung, von Banken bis hin zu Spitälern.
Gleichzeitig warnen Stimmen vor den potenziellen Gefahren dieser Technologie. Welche Auswirkungen wird KI im Jahr 2024 haben? 20 Minuten sprach mit Marc Holitscher (52), dem Technologie-Chef von Microsoft Schweiz. Der Konzern ist Hauptaktionär von ChatGPT-Entwickler OpenAI.
Es heisst, es sei ein Durchbruch bei der Super-KI gelungen, werden Computer nun bedrohlich, etwa wie in den Hollywood-Streifen «Terminator» oder «I, Robot»?
Nein, man muss keine Angst haben, solche Untergangsszenarien sind unrealistisch. Es wird immer den Menschen brauchen. Unser Ziel ist es, verantwortungsbewusste KI zu entwickeln und einzusetzen, die positive Auswirkungen hat.
Was tun Sie dafür?
Technologien, die das Potenzial haben, die Welt zu verändern, müssen verantwortungsvoll entwickelt und genutzt werden – das ist unsere Überzeugung. Wir verpflichten uns, verantwortungsbewusst KI zu schaffen, basierend auf Prinzipien wie Fairness, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Datenschutz, Inklusivität, Transparenz und Rechenschaftspflicht.
Was heisst das konkret?
Wir haben einen Leitfaden für einen verantwortungsvollen und transparenten Umgang mit KI entwickelt. Dazu gehört unter anderem, dass wir Entwicklerteams divers zusammenstellen, und zwar nicht nur anhand der Geschlechter, sondern auch in puncto Weltanschauung, Behinderungsstatus, Herkunft und darüber hinaus.
Was bringt das?
Vielfältige Teams entwickeln inklusivere Produkte und haben innovativere Ideen. Damit wollen wir die Übersetzung von Verzerrungen in die Algorithmen vermindern. Zudem prüfen wir die Ziele unserer Kunden. Es gab auch schon Aufträge, die wir deshalb abgelehnt haben. Organisationen dürfen keine Grundrechte verletzen.
Was waren das für Aufträge?
Beispielsweise wollte eine Strafverfolgungsbehörde ein System entwickeln, das die Technologie der Gesichtserkennung zur Überprüfung der Identität von Fahrern bei Verkehrskontrollen nutzen sollte. Ausserdem haben wir die Gesichtsanalyse eingestellt, die auf emotionale Zustände und Identitätsmerkmale wie Geschlecht, Alter oder Lächeln schliessen lässt.
Microsoft-Vizechef Brad Smith sagt, dass es noch Jahre dauert, bis Computer intelligenter sind als Menschen. Wie kann ich mir eine solche autonome künstliche Intelligenz vorstellen?
Ich glaube nicht, dass eine Maschine ähnlich intelligent wird wie der Mensch. Ein Computer ist besser in eingeschränkten Themenbereichen wie der Bilderkennung oder in Wahrscheinlichkeitsberechnungen, er ist schlussendlich eine sehr leistungsfähige Prognosemaschine. Aber das sind nur definierte Aufgaben und statistische Verfahren, das hat nichts damit zu tun, was Intelligenz ausmacht.
Wie sehen Sie denn die KI im Vergleich zum Menschen?
KI ist nur ein Copilot. Den Menschen wird es immer brauchen, denn am Ende ist der Pilot für den Flieger verantwortlich.
Wann wird aus dem Werkzeug ChatGPT eine Kreatur?
Roboter werden bald normal sein, etwa in Lagerhallen, die dann per Sprache Befehle empfangen. Es gibt bereits Firmen, die KI für Roboter in der Pflege verwenden. Es gibt fantastische Möglichkeiten mit KI.
Zum Beispiel?
Die Mobiliar und die Helvetia haben auf unserer Plattform einen Chatbot implementiert, andere Unternehmen nutzen unsere KI, beispielsweise, um Verträge zu protokollieren. Und an der Universitätsklinik Balgrist unterstützt KI erfolgreich bei holografisch navigierten Operationen, und hilft Chirurgen so präziser, schneller und sicherer zu operieren. Richtig eingesetzt kann die Technologie das Leben einfacher, effizienter und angenehmer machen.
Was glaubst du, kann KI den Menschen gefährlich werden?
Was machen OpenAI und Microsoft mit den Daten, wenn ich ChatGPT nutze?
Wenn Unternehmen ein Sprachmodell von Microsoft nutzen, garantieren wir, dass die Daten nicht genutzt werden. Beispielsweise zum Training des Modells. Das ist wichtig, sonst würde etwa eine Versicherung nicht mit uns arbeiten.
Was ist bei normalen Nutzerinnen und Nutzern?
Bei privater und entsprechend kostenloser Nutzung gibt es Unterschiede, da wir Daten zum Beispiel zur Verbesserung der Microsoft-Implementation und für Werbezwecke nutzen. Das wird aber immer deutlich deklariert.
Was können Sie zum Chaos bei OpenAI sagen?
Microsoft ist nach wie vor von der Partnerschaft mit OpenAI überzeugt.
Finanzprüfer von EY glauben, dass zwei Prozent aller Jobs wegen KI verschwinden. Sehen Sie das auch so?
Mit der Weiterentwicklung von KI-Systemen erwarten wir, dass sich die Art einiger Jobs ändern wird und dass neue Jobs entstehen werden. Wir gehen davon aus, dass dieser Wandel neue Denkweisen in Bezug auf Fähigkeiten und Ausbildung erfordern wird, um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer auf die Zukunft vorbereitet sind und dass genügend Talente für kritische Jobs zur Verfügung stehen.
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