RohmilchDieser Social-Media-Trend ist sogar für Ungeborene gefährlich
Schwangere sollten Rohmilch trinken. Dazu raten derzeit zahlreiche Influencerinnen. Doch der vermeintlich heisse Gesundheitstipp kann im schlimmsten Fall tödliche Folgen haben.
Darum gehts
Gefährlicher Trend: Influencerinnen raten Schwangeren, Rohmilch zu trinken.
Fachleute warnen, dass Rohmilch zu Infektionen mit etwa Salmonellen oder Listerien führen kann, die für Schwangere und Ungeborene besonders riskant sind.
Pasteurisierte Milch ist sicherer, da durch Wärmebehandlung alle potenziell schädlichen Keime abgetötet werden.
«Rohmilch hat meine Schwangerschaft gerettet», «Rohmilch ist gut für dich und deine Schwangerschaft» – solche Botschaften kursieren derzeit auf Social Media. Auf Deutsch, aber auch in anderen Sprachen (etwa hier und hier). Um ihre Überzeugung zu betonen, nehmen hochschwangere Userinnen einen grossen Schluck der unbehandelten Milch.
Das Problem
Fachleute raten Schwangeren dringend vom Verzehr von unbehandelter Milch ab, da Rohmilch mit krankmachenden und potenziell tödlichen Keimen kontaminiert sein kann.
Das ist Rohmilch
Bei Rohmilch handelt es sich um unbehandelte Milch von Nutztieren, wie Rindern, Schafen und Ziegen, die direkt an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergegeben wird. Sie kann potenziell krankmachende Erreger enthalten. Diese können vom Milch gebenden Tier entweder direkt über die Milchdrüse ausgeschieden werden oder während des Melkens durch Hygienemängel in die Milch gelangen.
Darum ist Rohmilch für Schwangere nicht gut
Das deutsche Bundesamt für Risikobewertung BfR nennt Salmonellen, Campylobacter oder Enterohämorragischen Escherichia coli (Ehec). Diese könnten zum Teil schwere Erkrankungen auslösen, vor allem bei empfindlichen Personen. Deshalb sollten «Kinder, Schwangere oder ältere und kranke Personen daher grundsätzlich auf den Verzehr von nicht abgekochter Rohmilch verzichten», schreibt das BfR. Doch auch gesunde Erwachsene hätten beim Konsum von Rohmilch ein erhöhtes Risiko einer Lebensmittelinfektion.
Eine Studie des deutschen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat ergeben, dass rund zehn Prozent der untersuchten 360 Proben aus unbehandelter Milch multiresistente Bakterien enthalten, was die Behandlung von Infektionen zusätzlich erschweren kann.
Listerien für Schwangere mit das grösste Problem
Für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder besonders problematisch sind laut der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE (PDF) Listerien. Diese können zu Tot-, Fehl- oder Frühgeburten oder auch schweren Missbildungen und Erkrankungen bei Neugeborenen führen. «Die Infektionsrate liegt bei zwölf auf 100‘000 Schwangere», so die SGE.
Die Stäbchenbakterien kommen auch in Weich- und Halbhartkäse, rohem oder nicht durchgegartem Fleisch und Geflügel, Rohwurst wie Salami, rohem Fisch, Meeresfrüchten, geräuchertem Fisch und Lebensmitteln mit rohen Eiern vor. Darum sind auch sie in der Schwangerschaft tabu.
H5N1 in Rohmilch
Nach dem Vogelgrippe-Ausbruch bei Rindern in den USA haben Forschende in der Milch infizierter Tiere hohe Konzentrationen des Erregers H5N1 festgestellt. Daraufhin empfahl die Weltgesundheitsorganisation WHO, nur noch pasteurisierte Milch und Milchprodukte zu konsumieren. Dabei würden alle Keime eliminiert.
Darum ist behandelte Milch besser
Bei behandelter Milch handelt es sich in der Regel um wärmebehandelte Milch. Dies dient dazu, allfällige Keime abzutöten und die Milch länger haltbar zu machen. Wie lange sie danach haltbar ist, hängt von dem gewählten Verfahren ab:
Bei der Pasteurisation wird die Milch bis zu 30 Sekunden bei 72 bis 75 Grad Celsius erhitzt. Gekühlt ist die sogenannte Frischmilch fünf bis zehn Tage haltbar.
Die Hochpasteurisation arbeitet mit Temperaturen zwischen 85 und 134 Grad Celsius. Es werden mehr Keime getötet und die Milch ist etwas länger haltbar.
Ultrahocherhitzung: UHT- Milch wird für ein bis vier Sekunden auf 135 bis 155 Grad Celsius erhitzt. Ungeöffnet ist sie bei Zimmertemperatur acht bis zwölf Wochen haltbar.
Laut einer Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) ist Rohmilch nicht genussfertig: Wer sie abgibt, ist dazu verpflichtet, darüber zu informieren, dass die Rohmilch «vor dem Konsum auf mindestens 70 Grad Celsius erhitzt werden muss». Zudem gelten spezielle Bedingungen für die Lagerung.
Rohmilch soll mehr Vitamine enthalten als behandelte Milch – stimmt das?
Rohmilch-Fans argumentieren, dass bei der Wärmebehandlung wichtige Nährstoffe in der Milch verloren gingen. Laut Verbraucherportal Bayern ist der Gehalt an hitzeempfindlichen B-Vitaminen und Vitamin C in pasteurisierter Milch tatsächlich etwas niedriger. Der Verlust betrage zwischen null und 15 Prozent, bei hochpasteurisierter Milch liege er noch etwas höher. Ähnlich sei es bei Folsäure, so Christina Hoffmann, Diätassistentin an der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, zu Tagesschau.de. «Der Unterschied ist marginal.» Der Gehalt anderer Inhaltsstoffe wie Kalzium, der Vitamine A, D und E sowie Proteine bliebe unverändert.
Laut der US-Arzneimittelbehörde FDA sind in Rohmilch auch keine Probiotika enthalten, wie mitunter behauptet wird. Dass Rohmilch somit deutlich gesünder sein soll als beispielsweise pasteurisierte Milch sei falsch, so Hoffmann. Es gebe auch keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Rohmilch das Immunsystem verbessere.
Hast du schon einmal Rohmilch getrunken?
Rohmilch schützt vor Asthma, aber ...
In einem Punkt bietet Rohmilch jedoch einen Vorteil: In der Kindheit konsumiert kann sie das Risiko für Asthma, Heuschnupfen und Allergien senken. Laut Forschenden der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität liegt das unter anderem am etwas höheren Gehalt von Omega-3-Fettsäuren in Rohmilch. Wahrscheinlich, weil diese im Körper zu entzündungshemmenden Stoffen umgewandelt werden.
Dennoch raten sie wegen der potenziell enthaltenen Keime nicht zum Verzehr von Rohmilch. Vielmehr versuchten sie, in einer weiteren Studie herauszufinden, ob sich mit einer neuen, auf schonendere Weise keimfrei gemachten Milch das Asthma-Risiko senken lässt. Erste Zwischenergebnisse (PDF) «lassen uns hoffen, dass wir Signale in der erwarteten Richtung finden werden».
Fazit
Fachleute raten vom Rohmilchkonsum während der Schwangerschaft dringend ab. Rohmilch kann gefährliche und potenziell tödliche Keime wie Salmonellen, Campylobacter, Ehec und Listerien enthalten, die besonders für Schwangere und ihre ungeborenen Kinder riskant sind. Diese werden bei der Wärmebehandlung abgetötet. Der Nährstoffgehalt von wärmebehandelter Milch unterscheidet sich nicht gross von dem von Rohmilch. In puncto Asthma, Heuschnupfen und Allergien bietet Rohmilch zwar einen Vorteil. Dieser wiegt die potenziellen Risiken laut Fachleuten jedoch nicht auf.
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