Stalking: Das kannst du tun, wenn du gestalkt wirst

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SchweizDrohungen, Auflauern und Psychoterror – «es kann jeden treffen»

Stalking kann das Leben von Betroffenen stark einschränken. Mit einem neuen Stalking-Gesetz sollen Betroffene besser geschützt werden.

Stalking definiert sich als das beabsichtigte und wiederholte Nachstellen und Belästigen einer Person und kann sich über Wochen, Monate und Jahre hinziehen.
In der Schweiz gibt es, anders als in vielen europäischen Ländern, für Stalking keinen eigenen Straftatbestand.
Strafrechtlich kann gegen einen Stalker erst dann vorgegangen werden, wenn in diesem Zusammenhang auch strafrechtlich relevante Delikte wie zum Beispiel Drohungen, Tätlichkeiten und/oder Nötigungen begangen werden.
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Stalking definiert sich als das beabsichtigte und wiederholte Nachstellen und Belästigen einer Person und kann sich über Wochen, Monate und Jahre hinziehen.

20min/Michael Scherrer

Darum gehts 

  • Drohanrufe, Auflauern und Psychoterror auf Social Media: Betroffene von Stalking gehen oftmals durch die Hölle.

  • In der Schweiz gibt es, anders als in vielen europäischen Ländern, für Stalking keinen eigenen Straftatbestand. 

  • Der Nationalrat arbeitet zurzeit an einem neuen Gesetzesentwurf, der Stalking explizit unter Strafe stellen will.

  • Experten beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema Stalking.

Was ist unter Stalking zu verstehen?

Stalking definiert sich als das beabsichtigte und wiederholte Nachstellen und Belästigen einer Person und kann sich über Wochen, Monate und Jahre hinziehen. «Das Spektrum von Stalking ist gross und geschieht sowohl online als auch real», sagt Frank Urbaniok. Der Professor für Forensische Psychiatrie beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem Thema. «Mit Social Media hat sich die Situation verschlimmert, da Stalker ihre Opfer nun auch im digitalen Raum belästigen oder anonym beobachten können.» Oftmals reiche es aus, subtile Nachrichten wie «Ich weiss, wo du wohnst» zu versenden, damit die Betroffenen sich eingeschüchtert fühlen: «Die Betroffenen gehen oft durch die Hölle, während die Täter nicht viel Aufwand betreiben müssen.» Laut Urbaniok isolieren sich viele Betroffene aus Angst, werden mit der Zeit depressiv und fühlen sich hilflos. 

Wie viele Menschen sind betroffen?

Eine genaue Anzahl von Betroffenen in der Schweiz kann Urbaniok nicht nennen, da es in der Schweiz keinen Straftatbestand für Stalking gibt und man von einer Dunkelziffer ausgehen muss. Internationale Studien gehen von rund zehn Prozent der Bevölkerung aus, die im Leben mindestens einmal von Stalking betroffen sind, Frauen häufiger als Männer.  Auch die Kantonspolizeien konnten auf Anfrage keine genauen Angaben machen. Bei der Glarner Kantonspolizei verzeichnet man etwa drei bis sechs Stalking-Fälle pro Jahr, im Kanton Appenzell Ausserrhoden sind es ungefähr zwei Fälle pro Jahr. Im Kanton Schwyz sind es zwei bis fünf Meldungen pro Monat, darunter fallen auch wiederholte Meldungen. 

Wer sind die Opfer? Wer die Täter?

Die Gründe für Stalking sind gemäss Urbaniok vielfältig und können unter anderem aufgrund von unerwiderter Liebe, krankhafter Eifersucht, wahnhafter Paranoia oder auch purer Bösartigkeit geschehen. «Es muss jedoch nicht zwingend eine vorherige Beziehung zwischen Opfer und Täter bestehen. Es kann jeden treffen», sagt Urbaniok. Männer wie auch Frauen könnten Opfer, aber auch Täter sein. Er selbst habe eine Frau betreut, die zufällig Opfer wurde: «Der Mann sah die Frau auf der Strasse und folgte ihr.» Danach tauchte er regelmässig bei ihr auf, klingelte an ihrer Tür und schickte ihr Nachrichten wie «Wir gehören zusammen, du kannst dich nicht dagegen wehren, das Schicksal will es so» oder auch Andeutungen, dass, wenn dies nicht eintritt, er ihr etwas antut. «Die Frau wurde depressiv. Weil eine klare gesetzliche Handhabe fehlte, musste die Polizei oftmals improvisieren und es dauerte drei Jahre, bis man das Stalking schliesslich stoppen konnte.»

Was können Betroffene tun?

Gemäss Daniel Wächter, Sprecher bei der Kantonspolizei Aargau, sollen Betroffene bei entsprechenden Feststellungen das Verhalten dokumentieren und sich frühzeitig mit den zuständigen Fachstellen und Behörden austauschen. Auf zivilrechtlichem Weg gebe es die Möglichkeit, gegen Stalkerinnen und Stalker vorzugehen und ein Annäherungs- und Kontaktverbot zu beantragen. «Wichtig ist, dass sich die Frauen melden, damit wir eine professionelle Gefährdungseinschätzung vornehmen können», sagt Hanspeter Krüsi, Sprecher bei der Kantonspolizei St. Gallen. «Wir wie auch andere Polizeikorps haben eigene Bedrohungsmanagement-Abteilungen aufgebaut, die spezialisiert sind und sich diesen Fällen annehmen, auch wenn noch keine strafbare Handlung geschehen ist.»

In der Schweiz gibt es, anders als in vielen europäischen Ländern, für Stalking keinen eigenen Straftatbestand. Strafrechtlich kann gegen einen Stalker erst dann vorgegangen werden, wenn in diesem Zusammenhang auch strafrechtlich relevante Delikte wie zum Beispiel Drohungen, Tätlichkeiten und/oder Nötigungen begangen werden. Der Nationalrat arbeitet zurzeit an einem neuen Gesetzesentwurf, der Stalking explizit unter Strafe stellen will. Die Vernehmlassungsfrist dauert bis zum 16. September. Das Gesetz tritt frühestens Anfang 2025 in Kraft. Urbaniok hat zusätzlich eine Online-Petition lanciert, um auf das Thema aufmerksam zu machen: «Es gibt viele Formen von Stalking. Alle diese Formen können zu einer massiven Beeinträchtigung des Lebens der Opfer führen. Um die Opfer besser zu schützen, ist es notwendig, auch in der Schweiz endlich konsequent gegen Stalker vorzugehen.» 

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Stalking betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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