«Schweiz kann zufrieden sein»Das sagt Europa-Expertin Christa Tobler zu den neuen EU-Verträgen
Der Bundesrat hat die Verhandlungen mit der EU beendet. Was ist dabei herausgekommen? Und ist es zum Vorteil der Schweiz? Europarechtsprofessorin Christa Tobler meint: Grösstenteils Ja. Doch: Wer kämpft im Bundesrat dafür?
Darum gehts
Der Bundesrat hat die Verhandlungen mit der EU abgeschlossen.
Europarechtsprofessorin Christa Tobler sieht in den neuen Verträgen viel Positives.
Zum Beispiel Ausnahmen und Sonderregelungen zugunsten der Schweiz.
Die Schweiz wird ab 2030 jährlich 350 Millionen Franken an die EU zahlen, was im Vergleich zu anderen EWR-Ländern wenig sei.
Die innenpolitische Debatte über die Verträge steht bevor, und der Bundesrat müsse sich nun für deren Unterstützung starkmachen.
Christa Tobler ist eine der profiliertesten EU-Expertinnen der Schweiz. Die klare Pro-Europäerin verfolgt das Ringen um die Bilateralen schon ihre ganze Karriere lang. Nun nimmt sie Stellung zu den drängendsten Fragen des heutigen Tages.
Christa Tobler ist Professorin für Europarecht an der Universität Basel.
Frau Tobler, Sie haben soeben die Mitteilungen des Bundesrates zu den neuen EU-Verträgen gelesen. Was ist Ihr erster Eindruck?
Sie sind grundsätzlich herausgekommen, wie in den letzten Wochen und Monaten erwartet wurde. Sei es bei der Streitbeilegung – Stichwort Schiedsgericht und Rolle des Europäischen Gerichtshofes – dem Landverkehr oder der Unionsbürgerrichtlinie. Der Bundesrat schreibt zu jedem Thema: «Die Verhandlungsziele wurden erreicht», was natürlich ein positives Signal ist. Die Schweiz kann insgesamt zufrieden sein.

Am Freitag feierten Bundespräsidentin Viola Amherd und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Ende der Verhandlungen in Bern.
20min/Marco ZanggerHat es sich gelohnt, so lange zu verhandeln?
Die Schweiz erhält viele Ausnahmen und Sonderregelungen, die der speziellen Situation unseres Landes Rechnung tragen und die es weder im EU-Recht noch im Recht des Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) so gibt. Etliche Ausnahmen sind übrigens erst durch die neuen Verhandlungen hinzugekommen – im früheren Entwurf des institutionellen Abkommens fehlten sie noch.
Bei der Streitbeilegung können als «Strafe» sogenannte «Ausgleichsmassnahmen» ergriffen werden. Diese sind aber nicht auf das Abkommen beschränkt, in dem gestritten wird. Daran gibt es Kritik. Wie ist Ihre Einschätzung?
Das ist eine gute Sache. Denn das ermöglicht eine breitere Palette an Massnahme-Möglichkeiten. Zum Beispiel, wenn es einen Streit um das Landverkehrsabkommen gibt und die Ausgleichsmassnahmen auch dort sein müssen, können sie einem selbst weh tun. Es kann also Sinn machen, den Ausgleich in einem anderen Abkommen zu suchen.
Glaubst du, dass die Schweiz von den neuen EU-Verträgen profitieren wird?
Es wurden Zahlungen der Schweiz an die EU in Höhe von 350 Millionen Franken jährlich ab 2030 beschlossen. Ist dieser Preis fair?
Wenn wir vergleichen, was Island, Liechtenstein und Norwegen im EWR zahlen, scheint es mir durchaus angemessen. Wir werden im Verhältnis weniger zahlen als diese Länder. Das Geld geht übrigens nicht an die EU, sondern direkt in die Partnerländer. Und solche Investitionen lohnen sich erfahrungsgemäss auch für die Schweiz.

Christa Tobler erwartet nun vom Bundesrat, dass er für das neue Vertragspaket kämpft.
20min/Matthias SpicherWie geht es nun weiter?
In der Schweiz folgt nun die innenpolitische Schlacht. Ich bin sehr gespannt, mit wie viel Energie und Einsatz sich der Bundesrat hier im Parlament und vor dem Volk für die Verträge einsetzen wird. Meiner Meinung nach müsste er nun laut und deutlich sagen, warum die neuen Verträge Unterstützung verdienen. Meiner Meinung nach liegt nun ein insgesamt für die Schweiz sinnvoller Kompromiss vor.
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