EU-Verhandlungen: Bundesrat informiert über die Ergebnisse

Livetickeraktualisiert am Freitag, 20. Dezember, 2024

EU-Deal«Nur wer eine Arbeit hat, darf mit seiner Familie in die Schweiz kommen»

Nach rund neun Monaten sind die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU abgeschlossen. Am Freitag stellte der Bundesrat die Ergebnisse vor.

Am Freitagnachmittag informierte der Bundesrat über die abgeschlossenen EU-Verhandlungen.
Aussenminister Ignazio Cassis hielt fest: Der bilaterale Weg sei «wichtig für unsere Wirtschaft, wichtig für unsere Forschung und wichtig für unsere Sicherheit».
Die Kohäsionsbeiträge werden von den aktuell 130 Millionen ab 2030 auf 350 Millionen Franken ansteigen. «Die Schweiz investiert damit in die Stabilität und den Zusammenhalt in Europa», so Cassis.
1 / 5

Am Freitagnachmittag informierte der Bundesrat über die abgeschlossenen EU-Verhandlungen.

20min/Marco Zangger

Darum gehts

  • Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sind abgeschlossen.

  • Dafür reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Bern, wo sie mit Bundespräsidentin Viola Amherd vor die Medien trat.

  • Am Freitagnachmittag informierten die Bundesräte Ignazio Cassis, Guy Parmelin und Beat Jans über die Ergebnisse der Verhandlungen.

Deine Meinung zählt

Freitag, 20.12.2024
17:15

Das Wichtigste in der Zusammenfassung

Aussenminister Ignazio Cassis, Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Justizminister Beat Jans haben am Freitag in Bern die Resultate der Verhandlungen mit der EU präsentiert. Die Landesregierung nehme das Verhandlungsresultat «mit Genugtuung» zur Kenntnis, erklärt Cassis. Die Schweizer Delegation habe die festgesetzten Ziele erreicht.

Vor den Medien in Bern haben die Bundesräte Beat Jans, Guy Parmelin und Ignazio Cassis die Ergebnisse der Verhandlungen mit der Europäischen Union präsentiert.

Vor den Medien in Bern haben die Bundesräte Beat Jans, Guy Parmelin und Ignazio Cassis die Ergebnisse der Verhandlungen mit der Europäischen Union präsentiert.

20min/Marco Zangger

Der Abschluss der Verhandlungen stelle einen materiellen Meilenstein im Prozess der Weiterentwicklung und Stabilisierung der bilateralen Beziehungen zur EU dar. Dieser bilaterale Weg sei «wichtig für unsere Wirtschaft, wichtig für unsere Forschung und wichtig für unsere Sicherheit», erklärt Aussenminister Cassis.

«Um die Schweiz bildet sich ein Ring of Fire.» In dieser von Konflikten geprägten Zeit seien stabile Beziehungen zu den europäischen Nachbarn umso wichtiger. «Das bringt Vorteile für beide Seiten», so Cassis.

Potenziell mehrere Abstimmungen und vertagter Entscheid zum Ständemehr

Jetzt werden die Departemente damit beauftragt, den formellen Abschluss der Verhandlungen vorzubereiten – danach werden sich Parlament und Stimmbevölkerung zum Vertragswerk äussern können.

Aller Voraussicht nach gleich viermal: Einmal zur Weiterentwicklung bestehender Verträge und je einmal zu den neuen Verträgen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit.

Aller Voraussicht nach könnte die Bevölkerung gleich viermal über das neue EU-Vertragswerk abstimmen.

Aller Voraussicht nach könnte die Bevölkerung gleich viermal über das neue EU-Vertragswerk abstimmen.

20min/Marco Zangger

Ob diese Vorlagen dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterliegen werden, möchte der Bundesrat erst zum Zeitpunkt der Vernehmlassungseröffnung entscheiden.

Die wichtigsten Verhandlungsergebnisse

Die Kohäsionsbeiträge der Schweiz werden als Teil des bilateralen Wegs ab 2030 von 130 auf 350 Millionen Franken pro Jahr erhöht. «Die Schweiz investiert damit in die Stabilität und den Zusammenhalt in Europa.»

Im Bereich der Personenfreizügigkeit habe man erreicht, dass die Unionsbürgerrichtlinie der EU nur in Teilen übernommen werden müsse: Neu wird die Schweiz die Möglichkeit haben, die Schutzklausel eigenständig zu aktivieren, wenn sie gegenüber der EU «beträchtliche und messbare wirtschaftliche Probleme» aufgrund der Personenfreizügigkeit geltend machen kann. «Das stellt eine klare Verbesserung gegenüber dem Status Quo dar», versichert Bundesrat Jans.

Im Bereich der Personenfreizügigkeit stelle das neue Vertragswerk eine «klare Verbesserung gegenüber dem Status Quo» dar, erklärt Beat Jans.

Im Bereich der Personenfreizügigkeit stelle das neue Vertragswerk eine «klare Verbesserung gegenüber dem Status Quo» dar, erklärt Beat Jans.

20min/Marco Zangger

Daneben seien bei der Unionsbürgerrichtlinie Ausnahmen für die Ausschaffung von kriminellen Ausländern vorgesehen. «Die heutigen Regeln zur strafrechtlichen Landesverweisung bleiben gewahrt», erklärt Jans.

Gleiches gelte für die Verhinderung der Migration in das Sozialwesen. «Heute und in Zukunft gilt die gleiche Grundregel: Nur wer eine Arbeit hat, darf mit seiner Familie in die Schweiz kommen.» Wer keine Arbeit habe und dies trotzdem tun möchte, müsse über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, so Jans.

Auch im Bereich des Lohnschutzes habe man sich mit der EU auf ein «dreistufiges Absicherungsmodell» geeinigt. In den Bereichen Landverkehr, Landwirtschaft und Strom habe man «wichtige Ausnahmen zum Schutz der wesentlichen Interessen der Schweiz» ausgehandelt.

Auch in Sachen Lohnschutz habe man wichtige Ausnahmen durchboxen können, die im Interesse der Schweiz seien, so Guy Parmelin.

Auch in Sachen Lohnschutz habe man wichtige Ausnahmen durchboxen können, die im Interesse der Schweiz seien, so Guy Parmelin.

20min/Marco Zangger

Im Bereich der Bildung und Forschung habe die Europäische Kommission beschlossen, dass Forschende und Innovatoren in der Schweiz ab dem Jahr 2025 an fast allen Ausschreibungen der Programme Horizon Europe, Digital Europe und Euratom teilnehmen.

Ausserdem sei ab 2027 auch eine Teilnahme bei Erasmus+ vorgesehen, wie Bundesrat Guy Parmelin erklärt: «Beteiligen Sie sich fleissig an diesen Forschungsprogrammen.»

Im Bereich der Bildung und Forschung dürfen Menschen aus der Schweiz künftig an den meisten europäischen Programmen teilnehmen.

Im Bereich der Bildung und Forschung dürfen Menschen aus der Schweiz künftig an den meisten europäischen Programmen teilnehmen.

20min/Marco Zangger

Weitere Details zur Medienkonferenz findest du weiter unter im Ticker oder in den anderen Artikeln von 20 Minuten zur Thematik. (kas)

Beispielfall für Aktivierung der Schutzklausel

SECO-Chefin Helene Budliger Artieda erklärt mit Blick auf die Schutzklausel, dass die Schweiz ökonomisch messbare Probleme geltend machen müsste, die durch die Zuwanderung aus der EU ausgelöst werden, um die Schutzklausel zu aktivieren.

So könne die Schweiz beispielsweise im Falle eines rapiden Anstiegs der Arbeitslosenquote in einer bestimmten Branche die Personenfreizügigkeit mit EU- und EFTA-Staaten für diese Branche aussetzen.

Als Strafmassnahme könne die EU dann beispielsweise die Personenfreizügigkeit für Menschen aus der Schweiz einschränken.

Bis zu vier Abstimmungen

Auf eine Frage von 20 Minuten erklären die Bundesräte, dass Stimmbevölkerung und Parlament sich bis zu viermal zu den ausgehandelten Verträgen äussern können.

Einmal zur Weiterentwicklung bestehender Verträge und je einmal zu den neuen Verträgen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit.

Ob diese Vorlagen dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterliegen werden, möchte der Bundesrat erst zum Zeitpunkt der Vernehmlassungseröffnung entscheiden.

Verbesserung der Schutzklausel

Zahlreiche Fragen der Journalisten in Bern beschäftigen sich mit der Schutzklausel.

Obwohl die Schutzklausel bereits heute im Personenfreizügigkeitsabkommen mit denselben Bedingungen verankert ist, kam sie nämlich noch nie zur Anwendung.

20min/Marco Zangger

Die Konkretisierung dieser Schutzklausel stelle hier eine klare Verbesserung dar, wie Bundesrat Jans versichert.

Neu könne die Schweiz nämlich eigenständig die Schutzklausel aktivieren, wenn ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgrund der Zuwanderung ausgelöst werden.

Ferner könnten allfällige Strafen vonseiten der EU nur innerhalb des betroffenen Vertragswerks, nicht aber in einem anderen Paket zum Einsatz kommen.

Besser als der Status Quo?

Unter dem Strich sei das Resultat im Bereich Zuwanderung besser als der Status quo ohne Einigung mit der EU, versichert Jans.

Im Bereich der Personenfreizügigkeit und Zuwanderung habe man weitere Ausnahmen durchbringen können, die im Interesse der Schweiz lägen.

Konkretisierung der Schutzklausel

«Wenn das Personenfreizügigkeitsabkommen zu ernsthaften sozialen oder wirtschaftlichen Problemen führt, kann die Schweiz neu eigenständig die Schutzklausel aktivieren.»

Das stelle eine entscheidende Verbesserung zur aktuellen Situation dar, so Jans. Heute kann die Schweiz diese Schutzklausel nur mit dem Einverständnis der EU aktivieren.

Insgesamt habe man im Zuwanderungsbereich ein Schutzdispositiv ausgearbeitet, um soziale und wirtschaftliche Probleme vorzubeugen. Die Schutzklausel solle als ultima Ratio zum Einsatz kommen, wenn alle anderen Instrumente nicht mehr ausreichen.

Beat Jans über die Zuwanderung

Jetzt übernimmt Justizminister Beat Jans das Wort. Er spricht zum Thema Zuwanderung.

Vor den Verhandlungen habe die Schweiz in diesem Bereich drei Ziele definiert: Einerseits sollen Landesverweise straffälliger Ausländer auch künftig möglich sein. Ferner solle der Lohnschutz erhalten bleiben und die Zuwanderung in das Sozialwesen unterbunden werden.

20min/Marco Zangger

«Ich freue mich, dass unsere Unterhändler diese Ziele erreichen konnten», versichert Jans. «Die heutigen Regeln zur strafrechtlichen Landesverweisung bleiben gewahrt», erklärt der Stadtbasler gleich in drei Landessprachen.

Auch mit Blick auf die Verhinderung der Zuwanderung in die Sozialwesen habe der Bundesrat die Ziele erreicht. «Heute und in Zukunft gilt die gleiche Grundregel: Nur wer eine Arbeit hat, darf mit seiner Familie in die Schweiz kommen.» Wer keine Arbeit habe und dies trotzdem tun möchte, müsse über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, so Jans.

Stromabkommen zur Sicherung der Versorgung

Auch über das Stromabkommen freut sich der Wirtschaftsminister: Es leiste einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung und Stabilität des Stromnetzes.

Daneben betont Parmelin, dass das Verhandlungsresultat nicht das einzige sei, was das aktuelle Lohnschutzniveau der Schweiz sichere. Zusammen mit den Sozialpartnern werde es gelingen, den Lohnschutz im Rahmen eines Gesamtpakets zu sichern.

Guy Parmelin freut sich über Forschungsprojekte

Die Europäische Kommission habe beschlossen, dass Forschende und Innovatoren in der Schweiz ab dem Jahr 2025 an fast allen Ausschreibungen der Programme Horizon Europe, Digital Europe und Euratom teilnehmen.

20min/Marco Zangger

Ausserdem sei ab 2027 auch eine Teilnahme bei Erasmus + vorgesehen, wie Bundesrat Guy Parmelin erklärt. «Beteiligen Sie sich fleissig an diesen Forschungsprogrammen.»

Erhöhung des Schweizer Beitrags an die EU

Aktuell zahle die Schweiz der Europäischen Union rund 130 Millionen Franken jährlich in der Form von sogenannten Kohäsionsbeiträgen.

Diese werden insbesondere zum Ausgleich wirtschaftlicher Ungleichheiten in der EU ausgegeben. Auch andere europäische Staaten, die nicht in der EU sind, zahlen solche Beiträge, so Cassis.

Diese Beiträge werden ab 2030 auf 350 Millionen erhöht. «Die Schweiz investiert damit in die Stabilität und den Zusammenhalt in Europa.»

Dynamische Rechtsübernahme

Die dynamische Rechtsübernahme im neuen Vertragswerk beschränke sich auf die fünf bestehenden Verträge aus den Bilateralen I und die drei neuen Verträge in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit.

Beziehungen zu den Nachbaren in einer chaotischen Welt

Cassis ist überzeugt, um die Schweiz herum bilde sich ein regelrechter «Ring of Fire»: «Die Ukraine, der Nahe Osten und Afrika sind geprägt von Konflikten und Zerstörung.»

20min/Marco Zangger

Umso wichtiger seien stabile Beziehungen zu den Nachbarn, so Cassis. «Das bringt Vorteile für beide Seiten.» Der Gesamtbundesrat sei überzeugt, dass dieses Verhandlungsergebnis eine «solide und zielführende Grundlage» sei, um den erfolgreichen bilateralen Weg zu stabilisieren.

Ignazio Cassis spricht von materiellem Meilenstein

Pünktlich um 15 Uhr eröffnet Bundesratssprecher Andrea Arcidiacono die Medienkonferenz.

Der Bundesrat stelle fest, dass die Schweizer Delegation die im Verhandlungsmandat festgelegten Ziele erreicht habe, so Ignazio Cassis. Die Landesregierung danke dem Chefunterhändler und dem Verhandlungsteam für den Einsatz und nimmt den Abschluss der Verhandlungen mit Genugtuung zur Kenntnis.

20min/Marco Zangger

Der Bundesrat wolle die massgeschneiderten bilateralen Beziehungen zur EU weiterentwickeln und stabilisieren. Der Abschluss der Verhandlungen stelle einen materiellen Meilenstein in diesem Prozess dar.

Der bilaterale Weg sei «wichtig für unsere Wirtschaft, wichtig für unsere Forschung und wichtig für unsere Sicherheit», erklärt Aussenminister Cassis.

15:00

Bundesrat nimmt Abschluss der Verhandlungen mit der EU zur Kenntnis

Der Bundesrat – vertreten durch Ignazio Cassis, Guy Parmelin und Beat Jans – teilt mit, dass die Landesregierung vom Abschluss der Verhandlungen mit der EU Kenntnis nehme: Die Schweizer Delegation habe die im Verhandlungsmandat festgesetzten Ziele erreicht.

Jetzt werden die Departemente damit beauftragt, den formellen Abschluss der Verhandlungen vorzubereiten – danach werden sich Parlament und Stimmbevölkerung zum Vertragswerk äussern können. Aller Voraussicht nach gleich viermal: Einmal zur Weiterentwicklung bestehender Verträge und je einmal zu den neuen Verträgen in den Bereichen Strom, Lebensmittelsicherheit und Gesundheit.

Ziel der Verhandlungen sei es gewesen, den bilateralen Weg mit der EU zu stabilisieren und weiterzuentwickeln. Der bilaterale Weg trage seit 25 Jahren massgeblich zum Erfolgsmodell Schweiz bei, so die Landesregierung. Zu diesem Zweck hätten insgesamt 197 unterschiedliche Verhandlungssitzungen mit der Delegation der Europäischen Union stattgefunden.

Die Verhandlungsergebnisse

Der Bundesrat erklärt, dass die von der Schweiz im Vorfeld definierten Ziele erreicht wurden und die Verhandlungsergebnisse den Interessen der Schweiz entsprächen.

Die Kohäsionsbeiträge der Schweiz würden als Teil des bilateralen Wegs ab 2030 von 130 auf 350 Millionen Franken pro Jahr erhöht. Diese Gelder stellten einen wichtigen Bestandteil des Vertragswerks dar.

Im Bereich der Personenfreizügigkeit habe man erreicht, dass die Zuwanderung «weiterhin auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und die Begrenzung der Auswirkungen auf die Sozialsysteme» ausgerichtet bleibe. So habe man die bestehende Schutzklausel konkretisieren können – die Unionsbürgerrichtlinie wiederum müsse die Schweiz nur in Teilen übernehmen und es seien Ausnahmen für die Ausschaffung von kriminellen Ausländern vorgesehen.

Institutionelle Fragen würden ihrerseits direkt in einzelne Binnenmarktabkommen integriert. Die Regeln über staatliche Beihilfen gelten nur in drei Bereichen: Luftverkehr, Landverkehr und Strom. Auf diese Weise könnten die Eigenheiten einzelner Bereiche besser berücksichtigt werden, so der Bundesrat.

Im Bereich des Lohnschutzes habe man sich mit der EU auf ein «dreistufiges Absicherungsmodell» geeinigt und auch in den Bereichen Landverkehr, Landwirtschaft und Strom habe man «Ausnahmen zum Schutz der wesentlichen Interessen der Schweiz» ausgehandelt. (kas)

547 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen