SecendMit abgelaufenem Essen lässt sich viel Geld sparen
Das Start-up Secend bietet Lebensmittel günstig an, die sonst im Müll landen würden. Engpässe gab es noch nie, denn die Schweiz produziert Unmengen an Food-Waste. Im Interview beleuchtet Gründerin Angeline Suppiger ein riesiges Problemfeld.
Darum gehts
Die Schweiz produziert immense Mengen von Food-Waste. Ein Drittel aller Lebensmittel wird weggeschmissen.
Das hat unterschiedliche Gründe wie Kaufverhalten, Überproduktion, fehlerhafte Verpackung oder strenge Gesetze.
Das Start-up Secend sichert sich Ware, die die Grosshändler nicht mehr loswerden, obwohl sie noch gut halt- und geniessbar sind.
Mittlerweile hat der Onlineshop rund 25'000 regelmässige Kundinnen und Kunden.
Was ist Secend?
Angeline Suppiger: Mit Secend retten wir Lebensmittel und Kosmetika vor dem Abfall. Wir kaufen noch gut haltbare Produkte von Grosshändlern und Produzenten und bieten sie auf unserem Onlineshop mit Rabatt an.
Warum kommen sie nicht in den normalen Handel?
Aus den verschiedensten Gründen: Überproduktion, Fehldrucke oder falsche Verpackungen, Saisonalität, kurzes oder teils überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Je nach Produkt brauchen sie mindestens vier bis zwölf Monate Laufzeit zum MHD. Wir wollen in unserem Shop das Retten von Lebensmitteln einfach machen.
Am 1. November 2021 berichtete 20 Minuten bereits einmal über euer Start-up. Seither ist viel passiert. Könnt ihr es kurz zusammenfassen?
Wir sind mittlerweile gut gewachsen und in ein fast zwanzigmal grösseres Lager gezogen. Zu Beginn haben wir alle Pakete selbst gepackt, mittlerweile arbeiten wir mit einer Logistikfirma zusammen, die täglich durchschnittlich 200 Päckli verschickt. Und wir haben über 25’000 zufriedene Kundinnen und Kunden, die regelmässig bei uns Lebensmittel retten.
Ich habe gelesen, dass euch ein Laden in Berlin inspiriert hat. Aber wie ging es dann weiter? Woher kam die Ware?
Genau, ein Rettermarkt in Berlin war der Anstoss für Secend. Nachdem Laurin Krausz und ich die Idee im Kopf hatten, haben wir uns an die Arbeit gemacht, Abklärungen getroffen und potenzielle Lieferanten angeschrieben. Wir gingen in die Läden, haben Produkte angeschaut und auf den Verpackungen nach den Produzenten gesucht und diese dann kontaktiert. Wir haben bestimmt über 400 Mails verschickt.
Und woher kommt die Ware heute, da ihr 70’000 Bestellungen pro Jahr bewältigen «müsst»?
Mittlerweile sind wir in der glücklichen Lage, dass viele Lieferanten direkt auf uns zukommen. Wir arbeiten mit vielen Grosshändlern und Produzenten, die uns regelmässig Listen mit ihrer MHD-Ware senden. Abnehmen können wir nun oft gleich einige Paletten oder die gesamte angebotene Menge. Wir beziehen die meisten unserer Produkte von Grosshändlern, die auch Detailhändler wie Migros und Coop beliefern. Damit der Detailhandel diese Produkte abnimmt, müssen sie meist noch eine Laufzeit von sechs Monaten bis zum Mindesthaltbarkeitsdatum haben. Falls dies nicht gewährt werden kann, ist das Risiko zu gross und die Grosshändler bleiben auf den Produkten sitzen – und dies, obwohl sie das MHD noch längst nicht erreicht haben. Da kommt dann Secend ins Spiel.
Wie viele Lebensmittel, die eigentlich noch geniessbar wären, landen heute in der Schweiz im Müll?
In der Schweiz wird ein Drittel aller Lebensmittel weggeworfen. Was jährlich 330 kg pro Person bedeutet!
Viele Lebensmittel sind länger haltbar, als auf der Packung steht. Aber wie kann man das garantieren?
Wir halten uns an die Richtlinien von Foodwaste.ch und der ZHAW. Diese zeigen genau auf, welche Lebensmittel wie lange nach Ablauf des MHD noch ohne Bedenken konsumiert werden können. Das gibt uns und unseren Kundinnen und Kunden Sicherheit. Sollte es aber mal vorkommen, dass ein Produkt doch nicht mehr in einem guten Zustand ist, bezahlt unsere Kundschaft natürlich nicht dafür. Beschädigte oder ungeniessbare Lebensmittel werden direkt zurückerstattet.
Habt ihr da auch schon negative Erfahrungen gemacht?
Bis jetzt noch gar nie. Wir verkaufen jedoch sowieso die meisten unserer Produkte vor Ablauf des MHD, nur knapp zehn Prozent unseres Sortiments sind bereits «abgelaufen». Das MHD steht aber bei unserer Website neben jedem Produkt. Wem «abgelaufene» Lebensmittel doch zu heikel sind, kann diese auch gut aussortieren.
Man kann bei euch aktuell einen halben Liter Hafermilch von Beleaf kaufen. Der Preis ist um 63 Prozent reduziert, da das Produkt seit ein paar Tagen abgelaufen ist. Wie lang ist es tatsächlich haltbar?
Gemäss MHD+ ist der Richtwert für ungekühlte Getränke ca. 120 Tage. Da die Produkte bei uns in einem dunklen und kühlen Lager stehen, sind das optimale Bedingungen für eine längere Haltbarkeit. Sie können bei richtiger Lagerung bedenkenlos auch nach Ablauf des Datums konsumiert werden. Am besten verlässt man sich immer auf seine eigenen Sinne: Auge, Nase, Mund.
Was ist eine Retterbox?
Wir stellen jeden Monat eine neue Retterbox zusammen. In der Retterbox befinden sich viele verschiedene Produkte, die man ganz einfach mit ein paar Klicks retten kann. Wer also keine Lust hat, sich durch die ganze Website zu klicken, kann so superschnell eine gute Mischung von Produkten einkaufen. Die Boxen sind immer mindestens 50 Prozent günstiger als im Detailhandel. Es gibt auch eine vegane Retterbox und immer mal wieder eine Snackbox.
Bei euch gibt es keine Frische-Produkte wie Gemüse, Salat oder Fleisch. Wenn man jetzt noch einen Schritt weitergehen will in Sachen Food-Waste-Bekämpfung: Welche Angebote seht ihr als Ergänzung zu Secend?
Too Good To Go nutzen wir auch privat immer gern. Auch die Äss-Bar ist super für Pendelnde und Personen, denen es nichts ausmacht, wenn das Gipfeli von gestern ist. Grundsätzlich wollen wir auf das Thema Lebensmittelverschwendung aufmerksam machen und damit Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zum Umdenken anregen. Dadurch wird nicht nur die Wertschätzung von Lebensmitteln gesteigert, sondern auch ein wichtiger Beitrag für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz geleistet.
Weitere Informationen zum Thema Food-Waste unter Foodwaste.ch.
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