Gewalt im Ausgang – «Ich wurde schon drei Mal mit einem Messer verletzt»

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Immer mehr Gewalt«Seit meine Kollegen bedroht wurden, habe ich immer ein Messer dabei»

Es gibt immer mehr Gewaltdelikte mit Stichwaffen. Das Tragen von Messern sei an manchen Orten bereits normal, sagen Jugendliche.

Gewaltdelikte mit Messern nehmen zu – der 17-jährige L. T.* hat im Ausgang immer eines dabei. Zur Abschreckung, wie er betont: «Ich bin überhaupt nicht aggressiv und würde damit nie jemanden bedrohen.»
Das Messer trage er, seit vor wenigen Monaten zwei seiner Freunde am See in Zürich von einer grossen Gruppe junger Männer ausgeraubt worden seien: «Als sie sich wehrten, hielten sie dem einen ein Messer an den Hals», so T.
An manchen Orten in Zürich ist das Tragen von Messern laut verschiedenen Jugendlichen bereits Normalität: «Viele laufen mit einem Messer herum, um sich verteidigen zu können», sagt etwa ein 16-Jähriger aus dem Kanton Zürich, der mit einem Freund am Bellevue auf den Bus wartet.
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Gewaltdelikte mit Messern nehmen zu – der 17-jährige L. T.* hat im Ausgang immer eines dabei. Zur Abschreckung, wie er betont: «Ich bin überhaupt nicht aggressiv und würde damit nie jemanden bedrohen.»

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Darum gehts

  • «Seit meine Kollegen bedroht wurden, habe ich im Ausgang immer ein Messer dabei», sagt der 17-Jährige L. T.*

  • Es gehe um Selbstschutz, betont er – an manchen Orten in Zürich würden aber mittlerweile viele ein Messer tragen.

  • E. K.* aus Winterthur hat schon oft Gewalt im Ausgang erlebt, wie er sagt: «Ich wurde bereits dreimal mit einem Messer verletzt.»

Immer öfter hantieren junge Männer mit Messern – und verletzen oder töten dabei sogar. Schwere Körperverletzungen und Tötungsversuche haben gerade bei Minderjährigen sprunghaft zugenommen. Auch Gewaltforscher Dirk Baier beobachtet diesen Trend und stellt im Interview fest: «Das Tragen von Messern ist für junge Männer attraktiver geworden.»

Einer von ihnen ist der 17-jährige L. T.* Er sei oft in Zürich im Ausgang, wie er erzählt: «Seit meine Kollegen mehrmals mit Messern bedroht wurden, habe ich am Abend auch immer eines dabei.»

Messer an Hals gehalten

Vor wenigen Monaten seien zwei seiner Freunde am See in Zürich von einer grossen Gruppe junger Männer ausgeraubt worden, so T.: «Als sie sich wehrten, hielten sie dem einen ein Messer an den Hals und zogen dem anderen eine Wodkaflasche über den Kopf.» T. selbst sei erst später dazugekommen: «Ich rief sofort die Polizei und ging mit einem meiner Freunde ins Spital.» Ob die Betroffenen schliesslich Anzeige erstattet haben, wisse er nicht.

Seit diesem Vorfall hat T. im Ausgang immer ein Messer dabei – zur Abschreckung, wie er betont: «Ich bin überhaupt nicht aggressiv und würde damit nie jemanden bedrohen.»

«Messer sind mittlerweile normal»


Im Ausgang komme es oft zu Pöbeleien, sagt T. Er findet das schade: «Man geht doch eigentlich am Abend raus, um Spass zu haben.» An manchen Orten in Zürich würden aber mittlerweile viele ein Messer tragen.

Das bestätigen auch mehrere junge Männer, mit denen 20 Minuten am Bahnhof Stadelhofen in Zürich spricht: «Viele laufen mit einem Messer herum, um sich verteidigen zu können», sagt etwa ein 16-Jähriger aus dem Kanton Zürich, der mit einem Freund am Bellevue auf den Bus wartet.

Er selbst sei schon mehrmals dabei gewesen, als im Ausgang jemand mit dem Messer verletzt wurde: «Am Bahnhof Stadelhofen war es ganz schlimm im Winter.» Angst hätten die beiden deswegen aber nicht: «So etwas ist in Zürich mittlerweile normal.»

Schon dreimal angegriffen

Gewalt im Ausgang hat E. K.* aus Winterthur schon oft erlebt, wie er sagt: «Ich wurde bereits dreimal mit einem Messer verletzt.» Bis vor einem Jahr habe er deshalb selbst immer ein Messer und einen Pfefferspray getragen: «Benutzt habe ich es zwar nie, doch ich musste es schon mehr als zehn Mal zum Selbstschutz zeigen oder zücken.» Er habe signalisieren müssen, dass er kein leichtes Opfer sei.

K. hat von den wiederholten Attacken mehrere Narben davongetragen. Und auch psychisch hätten die Erlebnisse den Endzwanziger beeinflusst: «Ich bin viel misstrauischer und vorsichtiger geworden.» Mittlerweile gehe er gar nicht mehr in den Ausgang – «unter anderem wegen der Gewalt.» Zudem meide er alkoholisierte Personen, so K.: «Selber trinke ich seit drei Jahren nicht mehr.»

Viele Messer- und Gewaltdelikte würden nicht bei der Polizei angezeigt: «Das Vertrauen der Opfer in sie ist sehr klein», sagt K. Auch er selbst habe nach den Angriffen jeweils keine Anzeige erstattet. Gleichzeitig zeigten Täter wenig Respekt vor der Staatsgewalt: «Sie machen sich über die lockeren Strafen lustig, etwa auch über Social Media.» Wenn einer in der Gruppe mit einigen Sozialstunden im Altersheim davonkomme, könne das die Gewaltbereitschaft des Rests sogar noch steigern.

*Name bekannt

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von sexualisierter, häuslicher, psychischer oder anderer Gewalt betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Lilli.ch, Onlineberatung für Jugendliche

Frauenhäuser in der Schweiz und Liechtenstein

Zwüschehalt, Schutzhäuser für Männer

Agredis, Gewaltberatung von Mann zu Mann, Tel. 078 744 88 88

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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