«Sie hätten erkennen müssen, dass sie eine labile Person ist»

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Sexualdelikt«Sie hätten erkennen müssen, dass sie eine labile Person ist»

Bei einer Halloween-Feier lernten sich ein Mann und eine Frau kennen – wegen der Geschehnisse im Anschluss wurde der Mann nun verurteilt.

Ein junger Mann wurde wegen Vergewaltigung verurteilt. (Symbolbild)
Der junge Mann und eine junge Frau hatten sich bei einer Halloween-Feier kennen gelernt. (Symbolbild)
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Ein junger Mann wurde wegen Vergewaltigung verurteilt. (Symbolbild)

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Darum gehts

  • Ein junger Mann ist vom Kreisgericht St. Gallen wegen Vergewaltigung verurteilt worden.

  • Der Vorfall ereignete sich nach einer Halloween-Feier 2022, beide Beteiligten hatten zuvor Alkohol getrunken und bei der Feier «herumgeknutscht».

  • Das Gericht zweifelte an der Glaubwürdigkeit der Aussagen des Angeklagten.

  • Das sagt ein forensischer Psychiater zu dem Thema.

  • Der Anwalt und Ständerat Andrea Caroni erläutert das neue Sexualstrafrecht.

Ein junger Mann und eine junge Frau hatten sich bei einer Halloween-Feier 2022 kennen gelernt. Beide tranken Alkohol, haben sich wild auf der Tanzfläche geküsst. Danach haben die beiden gemeinsam die Feier verlassen, sich im Freien weiter geküsst und unterhalten.

Sie habe schlechte Erfahrungen mit Typen gemacht, sagte die Frau zum Mann. Sie sei auch etwas unentschlossen bei Typen. Die Liaison der beiden wird auf einem Autoparkplatz trotzdem immer intimer, sie berühren sich, sie befriedigt ihn oral.

Bei der Polizei sagt die Frau nach dem Vorfall zuerst aus, der Mann habe sie für den Oralverkehr heruntergedrückt. Bei der Zweitaussage revidiert sie jedoch diese Aussage: Der junge Mann habe sie doch nicht heruntergedrückt für den Oralverkehr.

Geschlechtsverkehr unterbrochen

Auf dem Autoparkplatz kommt es zum ersten Geschlechtsverkehr zwischen den beiden, der jedoch unterbrochen wird. Hier unterscheiden sich die Erinnerungen der beiden – der junge Mann sagt, er habe seinen Penis in die Unterhose der Frau geführt, diese habe dann mit drei bis vier Fingern seinen Penis in ihre Vagina eingeführt. Es seien Leute vorbeigekommen, weswegen die junge Frau ihre Hose hochzog und der Geschlechtsverkehr unterbrochen wurde. Die junge Frau sagt, sie habe den Sex gar nicht gewollt, und den jungen Mann auch weggestossen.

Die junge Frau ersucht allerdings zu keinem Zeitpunkt Hilfe – an einem öffentlichen Ort, an dem andere Menschen in der Nähe waren, die vermutlich Hilferufe gehört hätten. Die Frau schreibt per Whatsapp eine Nachricht an ihre Freundin, dass alles in Ordnung sei.

Wechsel des Ortes

Nach dem ersten Sex gehen die beiden einvernehmlich zu einem anderen Ort, an dem sie ungestörter sind. Wieder wird wild geküsst, es kommt zu Sex – auf der Motorhaube eines Autos. «Sie hat meinen Penis genommen und in sich eingeführt, nachdem ich ihn in ihre Unterhose geführt habe», sagt der junge Mann vor Gericht.

Die Frau erinnert sich genau anders: Er habe seinen Penis genommen und sei in sie eingedrungen, sie haben ihn weggestossen, sagt sie in der Polizeivernehmung.

Gemeinsam wieder zurück zur Party

Der junge Mann sagt, die junge Frau habe sich beim zweiten Sex spontan aufgesetzt, weswegen der sexuelle Kontakt abgebrochen wurde.

Nach dem Sex sind beide gemeinsam zurück zur Halloween-Party gegangen. Erst nach der Rückkehr, nachdem die Frau mit Freundinnen wieder zusammentrifft, kommt das Thema Vergewaltigung auf, im Verlauf der Nacht erstattet sie deswegen Anzeige bei der Polizei. Der Mann wird – bereits zu Hause – angetroffen und von der Polizei verhaftet.

«Es nicht das erste Mal, dass mir so etwas passiert»

Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass ihr so etwas passiert sei, sagt die junge Frau in der Polizeivernehmung. Nur was genau ihr vorher bereits passiert ist, wird in der Vernehmung nicht gefragt. «Sie scheint aus der Vergangenheit traumatisiert zu sein», sagt der Verteidiger des jungen Mannes, was Auswirkungen auf ihr Erleben an Halloween gehabt hätte.

«Der junge Mann hat während des Sex sogar gefragt, ob es geht. Er habe sich auch Sorgen gemacht, ob sich die junge Frau verkühlt», führt der Verteidiger des jungen Mannes weiter aus.

15 Monate Haft auf Bewährung

Das Gericht entscheidet jedoch anders, als vom Verteidiger: «Sie hätten erkennen müssen, dass sie es mit einer labilen Person zu tun haben», sagt der Vorsitzende Richter zum Angeklagten, und verurteilt ihn wegen Vergewaltigung zu 15 Monaten Haft auf Bewährung mit einer Probezeit von zwei Jahren.

Unglaubwürdig sei laut Gericht auch, dass der junge Mann ausgesagt hatte, dass die Frau beim Sex mit drei bis vier Fingern seinen Penis gegriffen und in ihre Vagina eingeführt habe. Für das Gericht ist das eine Schutzbehauptung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann vor dem Kantonsgericht angefochten werden.

Das sagt der Ständerat und Anwalt Andrea Caroni zum Sexualstrafrecht, das ab dem 01.07.2024 in Kraft tritt.

Der forensische Psychiater Thomas Knecht ordnet ein, wieso Missverständnisse beim Sex so häufig sind und gibt Tipps, um diese zu vermeiden.

Wirst du oder wird jemand, den du kennst, sexuell belästigt?

Hier findest du Hilfe:

Belästigt.ch, Onlineberatung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Verzeichnis von Anlaufstellen

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

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