Sicherheitsprüfung: Intime Fragen und gründliche Untersuchungen

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SicherheitsprüfungAuf den Simonazzi-Nachfolger warten intimste Fragen

Die Personensicherheitsprüfung des Bundes ist derzeit in den Schlagzeilen. Die Beamten müssen prüfen, ob Geheimnisträger vertrauenswürdig sind. Wie weit sie dabei wirklich gehen dürfen, ist aber kaum bekannt.

Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Vizekanzler und Bundesratssprecher André Simonazzi muss eine «erweiterte Sicherheitsprüfung» bestehen.
Das erweiterte Formular, welches der künftige Nachfolger oder die künftige Nachfolgerin von André Simonazzi ausfüllen muss. Insgesamt ist es sieben Seiten stark. Die anderen Seiten findest du unten im Artikel.
Der Vizekanzler ist bei jeder Bundesratssitzung mit im Raum und verfügt darum über viele brisante und geheime Informationen.
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Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Vizekanzler und Bundesratssprecher André Simonazzi muss eine «erweiterte Sicherheitsprüfung» bestehen.

20min/Stefan Lanz

Darum gehts

  • Sicherheitsprüfer des Staatssekretariats für Sicherheitspolitik SEPOS und der Bundeskanzlei haben einen strengen und gefürchteten Ruf bei Beamten und Militärangehörigen.

  • Die Prüfungen sind detailliert und umfassen persönliche Informationen, um sicherzustellen, dass keine Sicherheitsrisiken bestehen.

  • Der designierte SEPOS-Staatssekretär und hochrangige Militärs verloren ihre Jobs, weil sie als nicht vertrauenswürdig eingestuft wurden.

  • Auch die künftige Vizekanzlerin oder der künftige Vizekanzler müssen die Prüfung in ihrer strengsten Form bestehen.

Sie sind berüchtigt und gefürchtet bei allen Beamten und Armeeangehörigen, die mit vertraulichen und geheimen Dingen zu tun haben: die Sicherheitsprüfer des Staatssekretariats für Sicherheitspolitik SEPOS und jene der Bundeskanzlei. Einige Beamte, mit denen 20 Minuten im Rahmen dieser Recherche sprach, nennen sie «spassbefreite Bünzli».

Ihr Ruf ist also nicht besonders gut – ihr Job dafür umso wichtiger und ehrenvoller. Sie sollen dafür sorgen, dass die Schweizer Geheimnisse geschützt und bewahrt bleiben. Und sie machen das gründlich – soweit das von aussen zu beurteilen ist. So ist sogar der designierte SEPOS-Staatssekretär Jean-Daniel Ruch im Netz der Prüfer der Bundeskanzlei hängen geblieben. Und jüngst wurde bekannt, dass zwei hochrangige Militärs ihre Jobs verloren haben, weil sie nicht mehr als vertrauenswürdig gelten.

Auch Simonazzi-Nachfolge muss Prüfung bestehen

Auch die Nachfolgerin oder der Nachfolger des unerwartet verstorbenen Vizekanzlers André Simonazzi muss die Prüfung über sich ergehen lassen – und erst noch die «erweiterte» Version davon – inklusive obligatorischer Befragung. Wie weit die Bundeskanzlei bei der Rekrutierung ist – und ob somit schon Kandidatinnen und Kandidaten bei den Prüfern antraben mussten –, ist nicht bekannt. Auf Anfrage heisst es nur, der «Prozess nimmt wie vorgesehen seinen Lauf» und der Bundesrat wolle die Stelle «im Spätsommer» besetzen.

So krass ist die Personensicherheitsprüfung wirklich

Es beginnt mit einem Formular

Es beginnt alles mit einem Formular, das die Prüflinge ausfüllen müssen. Auf Anfrage von 20 Minuten wurde uns dieses Formular ausgehändigt.

Das Basis-Formular, welches der künftige Nachfolger oder die künftige Nachfolgerin von André Simonazzi ausfüllen muss.
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Das Basis-Formular, welches der künftige Nachfolger oder die künftige Nachfolgerin von André Simonazzi ausfüllen muss.

Screenshot/Staatssekretariat für Sicherheitspolitik SEPOS

Wer sich um einen Job mit mehr Geheimnissen bemüht – wie eben beispielsweise als Vizekanzlerin oder Vizekanzler –, der muss sogar noch mehr Informationen per Formular preisgeben.

Das erweiterte Formular, welches der künftige Nachfolger oder die künftige Nachfolgerin von André Simonazzi ausfüllen muss.
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Das erweiterte Formular, welches der künftige Nachfolger oder die künftige Nachfolgerin von André Simonazzi ausfüllen muss.

Screenshot/Staatssekretariat für Sicherheitspolitik SEPOS

Sexuelle Vorlieben, Gewerkschaft, Alkohol: Das interessiert die Prüfer

Tatsächlich dürfen die Prüferinnen und Prüfer das Leben der Prüflinge sehr tief durchleuchten. Die Verordnung des Bundes offenbart allein auf dreieinhalb A4-Seiten, welche Informationen schon bei einer Prüfung der ersten Stufe abgefragt werden «können».

Auf dreieinhalb Seiten wird aufgezeigt, was die Prüferinnen und Prüfer alles erfragen dürfen.
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Auf dreieinhalb Seiten wird aufgezeigt, was die Prüferinnen und Prüfer alles erfragen dürfen.

Screenshot Verordnung

Immer intimer werden dabei die Informationen. Religiöse, politische und gewerkschaftliche «Ansichten und Tätigkeiten», aber auch Informationen über die «Intimsphäre und die Sexualität» dürfen eingeholt werden. Hier betont das Verteidigungsdepartement VBS auf Nachfrage aber, dass diese Informationen «nur in den seltensten Fällen» eingeholt werden. Die Fachstelle sei sich bewusst, «dass solche Themen für die befragten Personen unangenehm sein können». Nachgebohrt wird zu diesen Themen dann, wenn ein gewisser «Spektakelwert» oder ein «Erpressungsrisiko aufgrund von Angst vor Kenntnisnahme durch Dritte» vorliegt.

Auch dürfen die Prüferinnen und Prüfer sich informieren, ob eine Alkohol- oder Drogensucht vorliegt. Dazu dürfen sie – mit dem Einverständnis des Prüflings – unter anderem auch den Hausarzt oder die Hausärztin befragen.

Würdest du die Sicherheitsprüfung bestehen?

All diese Informationen dürfen die Prüfer übrigens nicht nur über die zu prüfende Person einholen, sondern explizit auch über die Ehefrau, den Ehemann, den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin, enge Freunde und die Familie, «sofern diese Angaben für die Beurteilung des Sicherheitsrisikos unerlässlich sind».

Noch weiter geht es bei der erweiterten Sicherheitsprüfung, bei der sämtliche Daten der Steuerbehörden und Banken eingesehen werden dürfen.

Für diese Posten muss man eine Sicherheitsprüfung überstehen

Auf einer Liste in der Verordnung sind diverse Funktionen wie Generalsekretärin oder Generalsekretär eines Departements, Direktorinnen oder Direktoren von Bundesämtern, Diplomatinnen und Diplomaten – oder eben die Vizekanzlerinnen oder Vizekanzler –aufgeführt. Auch Beamte, die «Schäden» ab einem gewissen Umfang verursachen können – beispielsweise, weil sie sich bestechen lassen könnten –, müssen geprüft werden.

Nicht öffentlich gelistet wird, wer bei der Armee oder im Strom- und Kernenergiebereich eine Prüfung ablegen muss. Die Logik: Wenn nicht genau bekannt ist, welche Funktionen Zugang zu Geheimnissen haben, seien die Personen in diesen Funktionen auch besser davor geschützt, Ziel «von Spionage und Sabotage» zu werden.

Einen Fragenkatalog gibt es nicht wirklich

Für gewisse Funktionen, wie eben Vizekanzlerin oder Vizekanzler, ist eine persönliche Befragung vorgeschrieben. Was dabei gefragt werde, richte sich «nach den potenziellen Risiken, die sich aus der Datenerhebung oder der jeweiligen Funktion ergeben», sagt das VBS. Weiter lässt man sich nicht in die Karten schauen – auch, damit die Prüflinge nicht für die Befragung trainieren können.

So viele Prüfungen gab es bis 2023

In der Vergangenheit sorgten die intimen Fragen immer wieder für Schlagzeilen, weil «gefühlt fast jeder», der in der Verwaltung tätig ist, sie über sich ergehen lassen musste, wie Insider sagen. Der Bundesrat hofft nun, mit einer Anpassung, die seit Anfang 2024 gilt, die Zahl der Prüfungen zu verringern.

Tatsächlich zeigen Zahlen des VBS, dass unter dem alten System vergangenes Jahr fast 55'000 Prüfungen durchgeführt wurden.

Tatsächlich zeigen Zahlen des VBS, dass unter dem alten System vergangenes Jahr fast 55'000 Prüfungen durchgeführt wurden.

VBS

Das passiert, wenn man nicht besteht

Abgeschlossen wird die Prüfung im besten Fall mit einer «Sicherheitserklärung», das heisst, die Prüfung wurde bestanden. Auch möglich ist aber eine «Sicherheitserklärung mit Vorbehalt» oder gar eine «Risikoerklärung», welche ein Nicht-Bestehen bedeutet. Gegen diesen negativen Entscheid kann man vor Gericht klagen – allerdings auf eigenes Kostenrisiko.

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