CS-SessionStaatsrechtler – «Keller-Sutter darf 9-Milliarden-Deal nicht unterschreiben»
Das Parlament verweigert die Zustimmung zu den 109 Milliarden Franken Garantien an die UBS. Das spiele keine Rolle, heisst es allenthalben. Ein Gesetzes-Artikel und ein Rechtsprofessor stellen das nun aber in Frage.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) verlässt den Nationalratssaal nach ihrer Niederlage im CS-Streit wortlos.
20min/Stefan LanzDarum gehts
Das Parlament hat den UBS-Kredit abgelehnt. Konsequenzen habe das aber keine, sagt der Bund.
Ganz anders sieht das Rechtsprofessor Andreas Kley und stützt sich dabei auf ein Bundesgesetz.
«Der Bundesrat darf den Vertrag mit der UBS über die neun Milliarden nicht unterschreiben», sagt er.
Die Behörden verteidigen ihre Position und sagen: «Eine Nichtgenehmigung hat keine rechtliche Wirkung.»
Der Nationalrat fügte Finanzministerin Karin Keller-Sutter am Mittwoch ihre grösste politische Niederlage zu. Eine unheilige Allianz von SP, Grünen und SVP stimmte gegen die Milliarden-Kredite für die neue Mega-UBS.
Die FDP-Bundesrätin zeigte den Medien die kalte Schulter und verliess den Saal nach der Abstimmung wortlos. Immerhin: Sie kann sich damit trösten, dass das Geld auch so in trockenen Tüchern ist. Denn die sechsköpfige Finanzdelegation hatte die mit Notrecht verfügten Kredite noch am historischen 19. März abgenickt.
So lautete zumindest während der CS-Session die allgemeine Haltung. Diese deckt sich aber auf den ersten Blick nicht mit dem «Bundesgesetz über die Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen» aus dem Jahr 2010.
Rechtsprofessor: «Parlament hat letztes Wort»
Dort heisst es in Artikel 34: «Der Bundesrat unterbreitet die mit Zustimmung der Finanzdelegation beschlossenen dringlichen Aufwände (...) der Bundesversammlung (...) zur nachträglichen Genehmigung.» Der SRF-Journalist Philipp Burkhardt hatte die brisante Passage nach der Abstimmung entdeckt und via Twitter darauf hingewiesen.
Für Andreas Kley, Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich, ist die Gesetzeslage klar: «Der Bundesrat braucht die Zustimmung des Parlaments. Dieses hat rechtsverbindlich das letzte Wort – und nicht die Finanzdelegation, welche die Kredite vorläufig und dringlich genehmigt hat.»
Im Klartext heisst das laut Kley: «Der Bundesrat darf den Vertrag mit der UBS über die neun Milliarden nicht unterschreiben. Und vom bereits unterzeichneten Vertrag über die 100 Milliarden an Garantien, welche die Nationalbank der UBS gewährt, müsste der Bundesrat eigentlich zurücktreten. Auch, wenn er dabei vertragsbrüchig wird.»
Finanzverwaltung: «Nichtgenehmigung hat keine rechtliche Wirkung»
Das lässt den Knall im Nationalrat in neuem Licht erscheinen. Stellung beim Bund nimmt die Eidgenössische Finanzverwaltung. «Das erwähnte Bundesgesetz hat keine eigenständige Bedeutung», sagt Sprecher Philipp Rohr. Man stütze sich aber selbstverständlich auf geltendes Recht – inklusive Artikel 34.
Es gelte zu unterscheiden zwischen dem formellen Akt der Unterbreitung zur Genehmigung sowie den Auswirkungen einer Nichtgenehmigung. Für den Sprecher der Finanzverwaltung ist klar: «Eine Nichtgenehmigung hat keine rechtliche Wirkung.» Zu diesem Schluss sei nach einer Analyse auch das Sekretariat der Finanzkommission gekommen.
Behörden wollen «politisches Signal ernst nehmen»
Die Milliarden seien bereits «vollumfänglich verpflichtet», da die Ausfallgarantie des Bundes an die SNB und die Garantie des Bundes an die UBS Teil der Vereinbarung zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS seien.
Rohr verspricht aber: «Der Bund wird im Rahmen der Verhandlungen mit der UBS das politische Signal berücksichtigen.» Was das konkret bedeutet, verrät der Sprecher nicht. Der Bund werde jedenfalls darauf bedacht sein, die Übernahme durch die UBS nicht zu gefährden.
Soll der Bundesrat die UBS-Übernahme platzen lassen?
«Parlament kann Bundesrat nicht verhaften lassen»
Laut Kley sind die Sanktionsmöglichkeiten des Parlaments gegen den Bundesrat begrenzt. «Es ist eine politische Verantwortung. Sie können den Bundesrat deswegen ja nicht verhaften lassen.» Letztlich werde wohl auch das Parlament verstehen, dass der Bundesrat die Übernahme der CS durch die UBS nicht einfach platzen lassen kann, indem er vertragsbrüchig wird.
Aber: «Wenn das Parlament tatsächlich zu dem Schluss kommt, dass die ganzen 109 Milliarden unter allen Umständen zu kippen sind und der Bundesrat sich nicht daran hält, kann das Parlament den Bundesrat im Dezember abwählen.»
Vor den Wahlen
Heisse CS-Debatte kommt im Herbst
Auch wenn die CS-Garantien nun erst einmal formell abgelehnt sind, wird sich der Nationalrat spätestens diesen September wieder über das Geschäft beugen. Denn die Rettung wurde mittels Notrecht beschlossen. Dieses muss spätestens sechs Monate später in ordentliches Recht überführt werden. Kaum eine Partei wird sich die Gelegenheit nehmen lassen, hier nochmals mit harten Bandagen für ihre Anliegen zu kämpfen.
Ob dem Timing schnalzen die Polit-Strategen schon mit der Zunge. Denn kaum einen Monat später sind die nationalen Wahlen. Die Debatte fällt also mitten in die heisseste Phase des Wahlkampfes.
Und was, wenn das Parlament die Vorlage dann im Wahlfieber ablehnt? Unklar! Über dieser Frage brütet derzeit eine ganze Schar Juristen.
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