«Unverhältnismässig»Juristen verurteilen Demo-Verbot in Basel, Zürich und Bern scharf
Die Demo-Verbote in Zürich, Basel und Bern kommen bei Staatsrechtlern nicht gut an. Jetzt schiessen auch Juristen scharf gegen die Grundrechtseinschränkungen.
Darum gehts
Zürich, Bern und Basel haben für das kommende Wochenende Demo-Verbote angekündigt.
Staatsrechtsprofessoren kritisieren das als unverhältnismässig, insbesondere das generelle Versammlungsverbot in Basel.
In Bern sei störend, dass Spassveranstaltungen wie Fussball- und Hockeyspiele erlaubt seien, politische Versammlungen aber verboten würden.
Die Gewalteskalation im Nahen Osten, gewalttätige Demos in mehreren europäischen Städten, Bombendrohungen an sechs französischen Flughäfen und ein terroristisch motivierter Anschlag in Brüssel: Europa und der Nahe Osten sehen sich mit einer fragilen Sicherheitslage konfrontiert.
Darauf haben die Städte Zürich, Bern und Basel reagiert und Demo-Verbote erlassen (siehe unten). Am Donnerstagmittag verurteilt der Verein «Demokratische Juristen Schweiz» dieses Vorgehen und findet klare Worte: «Dieses Vorgehen ist mit dem von der Bundesverfassung und internationalen Abkommen geschützten Recht zu demonstrieren nicht vereinbar. Die angekündigten Demonstrationsverbote stehen im Widerspruch zu den demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien und sind nicht zu rechtfertigen.»
Auch Helen Keller, Professorin am Institut für Völkerrecht und ausländisches Verfassungsrecht der Universität Zürich, sieht das kritisch: «Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sagt ganz klar, dass ein generelles Verbot von Versammlungen nur in Ausnahmefällen genehmigt werden darf. Die Behörden sind ausserdem verpflichtet, eine klare Begründung anzugeben, wieso ein weitreichendes Verbot ausgesprochen wird.»
«Versammlungsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut»
Auch, dass wie im Falle der Demo in Basel eine Gegendemonstration angekündigt wurde, ist laut der Staatsrechtlerin alleine kein ausreichender Grund für ein so weitgehendes Verbot. «Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Rechtsgut. Die Behörden und das Gemeinwesen haben dafür zu sorgen, dass die Menschen in der Öffentlichkeit ihre Meinung kundtun können.» Das Verbot ist laut der Staatsrechtlerin nur dann zulässig, wenn die Behörden darlegen können, dass das Gewaltpotenzial so hoch ist, dass es nicht mehr möglich ist, die Demonstrationsteilnehmenden und Dritte ausreichend zu schützen.
Warst du schon einmal an einer Demo?
Klar sei auch: «Findet trotzdem eine Demonstration statt und sie wird aufgelöst, ist der Rechtsweg offen. Dann müssten erst die inländischen und, wenn das Verfahren weitergezogen wird, letztlich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte über die Zulässigkeit der Verbots urteilen.» Bevor die Behörden ein weitgehendes Demonstrationsverbot aussprechen, hätten sie laut der Expertin mildere Massnahmen prüfen müssen: «Etwa eine Beschränkung der Anzahl Personen oder die Einschränkung auf gewisse Orte innerhalb der Städte.»
«In einer Demokratie muss es genau umgekehrt sein»
Auch Kellers Kollege Andreas Glaser hält ein generelles Versammlungsverbot wie in Basel-Stadt für unverhältnismässig, da es «pauschal ohne Bezugnahme auf konkrete Bedrohungslagen verhängt wird».
Man könne es aber nicht von den Erfahrungen aus der Pandemie trennen: «Die Pauschalisierung wurde dort angewandt, alle Versammlungen ab einer bestimmten Zahl verboten», sagt Glaser. Die Äusserungen von Herrn Nause bei 20 Minuten belege die Fehlgewichtung der Behörden: «Sie wollen YB und den SCB spielen lassen, politische Demonstrationen aber verbieten. In einer Demokratie muss es genau umgekehrt sein. Spassveranstaltungen müssten zugunsten politischer Versammlungen abgesagt werden. Dies ist aber nicht erwünscht.»
Bern verbietet Demos «bis auf weiteres»
In Basel-Stadt sind sämtliche Demonstrationen ab Freitagabend, 20. Oktober um 17 Uhr bis Sonntag, 22. Oktober um Mitternacht verboten – auch solche, die nichts mit dem Nahen Osten zu tun haben. Zürich verbietet «Kundgebungen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt» für diese Woche, also ab Mittwoch bis Sonntagabend. Bern geht einen Schritt weiter: «Kundgebungen rund um den Nahostkonflikt werden wir bis auf weiteres nicht tolerieren. Ein Enddatum dieser Praxis kann ich aktuell nicht kommunizieren», sagt Sicherheitsdirektor Reto Nause. (VUC)
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