Staatsrechts-ProfessorStocker-Absetzung: «Die Regeln sind recht streng»
Das Bundesgericht hebt die Wahl des Schaffhauser Ständerats Simon Stocker (SP) auf. Markus Schefer, Professor für Staatsrecht an der Universität Basel, spricht von einer Premiere und ordnet ein.
Darum gehts
Das Bundesgericht entzieht Simon Stocker (SP) das Mandat als Ständerat, weil er nicht mehrheitlich in Schaffhausen wohnte.
Staatsrechtler Markus Schefer spricht im Interview von einem nachvollziehbaren und pragmatischen Entscheid.
Der Regierungsrat hat die Neuwahlen auf den 29. Juni angesetzt. Bis dahin bleibt der zweite Schaffhauser Sitz vakant.
Simon Stocker verliert sein Amt als Ständerat, weil er am Wahltag mehr in Zürich als in Schaffhausen wohnte. Hat Sie der Entscheid des Bundesgerichts überrascht?
Markus Schefer: Mir ist kein anderer Fall bekannt, in dem das Bundesgericht eine Wahl aufgehoben hat. Zwar kenne ich als Aussenstehender das Dossier nicht im Einzelnen. Trotzdem ist das Urteil für mich nachvollziehbar. Wo hat er gewohnt? Was hat er wo gemacht? Wann war er in der Stadt Zürich? Wann in Schaffhausen? Der Entscheid hängt sehr stark von der Bewertung dieser Fakten ab.
Wie würden Sie dieses Urteil charakterisieren?
Das Bundesgericht hat einen sehr pragmatischen Entscheid gefällt. Es sagt nicht, die Wahl hätte nie stattgefunden. Dadurch bleiben alle Amtshandlungen gültig. Das haben die Richter natürlich gemacht, um einen Rattenschwanz an Problemen zu vermeiden. Der Entscheid heisst auch nicht, dass Thomas Minder, der am zweitmeisten Stimmen holte, nun Ständerat ist.

«Im Nationalrat sind die Regeln viel lockerer, da ist sogar ein Wohnsitz im Ausland möglich», sagt Markus Schefer.
Universität BaselWeil das kantonale Recht diesen Fall nicht regelt, ordnet das Gericht einfach an, dass es Neuwahlen braucht. Ist das zulässig?
Ja, sie können ja nicht einfach einen Entscheid treffen und sich dann nicht zu den Folgen äussern. Das Vorgehen ist vernünftig, denn Majorzwahlen sind Persönlichkeitswahlen.
Der Regierungsrat hat die Neuwahlen auf den 29. Juni angesetzt. Der Kanton Schaffhausen wird in der nächsten Session nur noch mit einem Ständerat vertreten sein.
Ich denke, das ist keine allzu tragische Situation.
Ist diese Wohnsitzregel so noch zeitgemäss?
Es sind recht strenge Regeln. Im Kanton Schaffhausen ist die Wählbarkeit eines Ständerats an den Wohnsitz geknüpft. Der Grund ist, dass die Ständeräte mit der Bevölkerung vertraut sein sollten, was bei Simon Stocker natürlich so ist. Im Nationalrat sind die Regeln viel lockerer, da ist sogar ein Wohnsitz im Ausland möglich. Letztlich ist es aber eine politische Frage.
Warum durfte Stocker überhaupt antreten, wenn er die Kriterien nicht erfüllt?
Simon Stocker ging, wie auch die kantonalen Behörden und Gerichte davon aus, dass er die Kriterien erfüllt. Der Fall ist nicht so klar, dass man jemandem einen Vorwurf machen könnte.

«Ein Urteil des Bundesgerichts gilt es zu akzeptieren», sagte Simon Stocker am Mittwoch an der Medienkonferenz. Der Kern des Entscheids sei allerdings eine Absage an ein gleichberechtigtes Familienmodell.
20min/Michael ScherrerSimon Stocker sagte an der Medienkonferenz, das Problem sei das Zivilgesetzbuch (ZGB) und nicht das kantonale Gesetz. Dieses verbiete Eheleuten verschiedene Wohnsitze.
Der Kanton Schaffhausen könnte beispielsweise auf eine Wohnsitzpflicht verzichten; die Bundesverfassung liesse dies ausdrücklich zu.
Man könnte sagen, die Bevölkerung hat Simon Stocker gewählt, obwohl er teils in Zürich lebte. Wird durch diesen Entscheid nicht der Volkswille infrage gestellt?
Nein, so funktioniert es nicht. Wer die Regeln ändern will, kann einen Vorstoss machen, um die Verfassung des Kantons Schaffhausens zu ändern.
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