Kaugummi: Bis zu 3000 Mikroplastikpartikel beim Kauen freigesetzt

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StudieDurch Kaugummi gelangt viel Mikroplastik in deinen Körper

US-Forscher haben Kaugummi auf Mikroplastik untersucht: Ihre Studie zeigt, dass beim Kauen eines Stücks bis zu 3000 Partikel in den Körper gelangen können.

Mikroplastik landet im Körper des Menschen durch die Luft, die wir atmen, unsere Nahrung und das Wasser, das wir trinken.
Pro Woche nimmt der Mensch rund fünf Gramm Plastik zu sich. Das entspricht etwa dem Gewicht einer Kreditkarte, wie aus einer Studie kanadischer Wissenschaftler von 2019 hervorgeht.
Als Mikroplastik gelten Kunststoffpartikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Sie entstehen vor allem ungewollt durch Zerkleinerung, Abrieb oder Zersetzung grösserer Plastikteile in der Umwelt.
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Mikroplastik landet im Körper des Menschen durch die Luft, die wir atmen, unsere Nahrung und das Wasser, das wir trinken.

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Darum gehts

  • Kaugummi enthält Mikroplastik, das beim Kauen freigesetzt wird.

  • Ein grosses Stück Kaugummi kann bis zu 3000 Plastikpartikel abgeben.

  • Jährlich könnten Kaugummikauer bis zu 30'000 Mikroplastikpartikel aufnehmen.

  • Die langfristigen gesundheitlichen Folgen von Mikroplastik sind noch nicht vollständig erforscht.

Wir nehmen jeden Tag Mikroplastik zu uns. Bis zu fünf Gramm pro Woche, was dem Gewicht einer Kreditkarte entspricht. Ein Teil dieser Partikel reichert sich im Körper an, etwa im Blut, in Organen oder in den Hoden. Denn Mikroplastik ist inzwischen Teil unseres täglichen Lebens.

Mikroplastik findet sich etwa in Plastikflaschen, synthetischen Kleidern oder im Reifenabrieb. Nun haben US-Forscher eine weitere Quelle für Mikroplastik untersucht: Kaugummi. Und sie haben erstmals gemessen, wie viele der zwischen einem Mikrometer und fünf Millimeter grossen Teilchen beim Kauen in unseren Körper gelangen können.

Dass Kaugummi eine gewisse Menge Mikroplastik enthält, hat bereits ein Test des Konsumentenmagazins «Saldo» im vergangenen Jahr gezeigt. Die Forschenden um Sanjay Mohanty von der University of California Los Angeles (UCLA) wollten es genauer wissen und haben die Partikel gezählt, die aus natürlichem oder synthetischem Kaugummi abgegeben werden. Ihre noch nicht publizierte Studie (siehe Box) stellten sie anlässlich der Frühlingstagung der American Chemical Society vor.

Peer-Review? So läuft es in der Wissenschaft

Um neue Erkenntnisse unters Volk zu bringen, publizieren Forschende ihre Studien in Fachzeitschriften (Journals). Dafür arbeiten sie zunächst ein Manuskript aus, das sie der Fachzeitschrift vorlegen. Nimmt diese den Entwurf an, findet die Begutachtung, das sogenannte Peer-Review, statt. Das heisst: In der Regel anonyme und unabhängige Fachkollegen begutachten die Arbeit, kritisieren und machen Anmerkungen. Dies dient der Qualitätssicherung. Dann wird die Arbeit an die Autoren zurückgesandt, welche sie überarbeiten. Dieses Vorgehen kann sich einige Male wiederholen. Abschliessend wird die Arbeit im Journal publiziert. Bevor dieser Prozess abgeschlossen ist, werden Studien in sogenannten Preprints veröffentlicht.

Wie gingen die Forschenden vor?

Das Forschungsteam testete fünf Marken von synthetischem Kaugummi und fünf Marken von natürlichem Kaugummi, die alle im US-Handel erhältlich sind. Mohanty sagt, dass sie den menschlichen Faktor durch unterschiedliche Kaumuster und Speichel reduzieren wollten, also liessen sie sieben Stück von jeder Marke von ein und derselben Person kauen – entweder vier Minuten oder 20 Minuten lang. Anschliessend massen die Forschenden die Anzahl der Mikroplastikteile in jeder Speichelprobe.

Was sind die Resultate?

Die Messungen ergaben, dass durchschnittlich 100 Mikroplastikpartikel pro Gramm Kaugummi freigesetzt wurden, wobei einige einzelne Kaugummistücke bis zu 600 Mikroplastikpartikel pro Gramm freisetzten. Ein typisches Stück Kaugummi wiegt zwischen zwei und sechs Gramm, was bedeutet, dass ein grosses Stück Kaugummi bis zu 3000 Plastikpartikel freisetzen könne, so die Forscher.

Wenn eine durchschnittliche Person 160 bis 180 kleine Kaugummistreifen pro Jahr kaut, könnte dies nach Schätzungen der Forschenden zur Aufnahme von etwa 30’000 Mikroplastikpartikel führen.

Geben synthetische Kaugummis mehr Mikroplastik ab?

Die Forscherinnen und Forscher zeigten sich überrascht, dass natürliche Kaugummis, die aus Chicle oder anderen Baumsäften hergestellt wurden, nicht weniger Mikroplastik freisetzten als Kaugummis auf einer synthetischen Kautschukbasis aus erdölbasierten Polymeren. Die durchschnittliche Anzahl von Mikroplastikpartikeln in einem Gramm synthetischem Kaugummi lag bei 104, in natürlichem Kaugummi bei 96.

Spielt die Kaudauer eine Rolle?

Die meisten Mikroplastikteile lösten sich innerhalb der ersten zwei Minuten des Kauens. Nach acht Minuten Kauen waren 94 Prozent der bei den Tests gesammelten Plastikpartikel freigesetzt. Lisa Lowe, Doktorandin an der UCLA, die die Studie angestossen hat, schlägt aufgrund dieser Erkenntnisse vor, lieber länger an einem Stück zu kauen, anstatt gleich ein neues Stück einzuwerfen.

Müssen wir uns Sorgen machen?

«Wir wollen niemanden beunruhigen», sagt Mohanty. «Die Wissenschaft weiss nicht, ob Mikroplastik für uns gefährlich ist oder nicht. Es gibt keine Versuche am Menschen. Aber wir wissen, dass wir im Alltag Kunststoffen ausgesetzt sind, und genau das wollten wir hier untersuchen.»

Mikroplastik könne die Schleimschicht im Darm angreifen und schlimmstenfalls auch auflösen kann, wie der Gastroenterologe Stephan Vavricka in einem Interview mit 20 Minuten erklärte. «Fällt dieser Schutz weg, könnte die Folge ein sogenannter ‹leaky gut› sein, ein löchriger oder durchlässiger Darm. Das kann zum Beispiel Durchfall, Blähungen oder Müdigkeit auslösen und dazu führen, dass Bakterien in den Blutkreislauf gelangen und Entzündungen herbeiführen», sagt Vavricka. Welche Krankheiten konkret durch Mikroplastik ausgelöst werden können, sei allerdings noch kaum erforscht. «Denn der Beweis, dass eine bestimmte Krankheit durch Mikroplastik verursacht wurde, ist sehr schwer zu erbringen», so Vavricka.

Die Studie wurde an der Frühlingstagung der American Chemical Society vorgestellt.

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