Analyse«Donald Trump wird im Wahlkampf profitieren»
Trump blutüberströmt und mit kämpferisch erhobener Faust: Dieses Bild wird den Wahlkampf prägen und Trump helfen, glaubt der US-Wahlkampfexperte Louis Perron. Anders sieht es Experte Guido Weber.
Trump zeigte gerade eine Tabelle mit den Zahlen der Grenzübertritte, als die Schüsse ertönten. Man konnte sehen, wie Trump sich mit der rechten Hand an den Hals fasste. Auf seinem Gesicht schien Blut zu sein.
20minDarum gehts
Nach dem versuchten Attentat auf Donald Trump könnte ein Bild zum Gamechanger im Wahlkampf werden.
Politikberater und Politanalyst Louis Perron glaubt, dass gerade die rund fünf Prozent unentschlossenen Wählerinnen und Wähler in den Swing States vom Bild zugunsten Trumps beeinflusst werden könnten.
Etwas anders sieht es Wahlkampfexperte Guido Weber: Er glaub, dass die Meinungen grösstenteils gemacht sind.
Einig sind sich die Experten darin: Bei den zurückhaltenden Reaktionen wird es nicht lange bleiben, beide Seiten werden schon bald wieder in gewohnter Manier verbal aufeinander losgehen.
Bei einer Wahlkampfveranstaltung in Pennsylvania kam es zu einem Attentatsversuch auf Trump, der Ex-Präsident wurde am Ohr verletzt und musste von der Bühne evakuiert werden. Alle laufenden Updates zum Attentatsversuch gibts im Ticker.

Dieses Bild wird Wahlkampfgeschichte schreiben, glaubt Louis Perron, Politologe, Politikberater und Experte für den US-Wahlkampf.
Getty Images via AFPFür Louis Perron, Politologe und Politikberater, ist klar: «Das Bild, das Trump mit blutüberströmtem Gesicht, umringt von Secret-Service-Leuten und mit kämpferisch erhobener Faust zeigt, wird als eines der ganz zentralen Bilder in diesen Wahlkampf eingehen. Trump wird in seinem Wahlkampf von diesem einen Bild profitieren.» Perron hat das Buch «Beat the Incumbent: Proven Strategies and Tactics to Win Elections» («Den Amtsinhaber schlagen: Bewährte Strategien und Taktiken zum Wahlsieg», die Red.) geschrieben, das kürzlich in den USA erschienen ist.
In Krisen seien es immer die Bilder, die am meisten auslösten und die grössten Emotionen transportierten. «Trump hat das wohl instinktiv realisiert und Sekunden nach dem Attentat mit der erhobenen Faust reagiert. Dieser Moment wird seine Wahlchancen verbessern.»

Louis Perron ist Politologe und Politikberater und hat in den USA gerade das Buch «Beat the Incumbent: Proven Strategies and Tactics to Win Elections» veröffentlicht.
Ronny JauEntscheidend wird für Perron werden, wie die rund fünf Prozent unentschlossenen Wähler auf den Attentatsversuch und die Bilder reagieren werden: «Die Wahlen werden in den Swing States entschieden. Auf die Wähler dort wirken diese Bilder jetzt. Und sie werden dadurch möglicherweise eher Trump wählen. Das Bild passt ins Narrativ von Trump als Kämpfer. »
«Trump profitiert, doch die Wahl ist längst nicht entschieden»
Trotzdem sei es definitiv noch zu früh, aufgrund dieses Bildes die Wahl als entschieden zu bezeichnen. «Der Attentatsversuch wird einen Einfluss haben. Er zeigt aber auch: Es kann noch extrem viel passieren in diesem Wahlkampf. Wer weiss, was morgen oder in einem Monat das Thema sein wird.»

Der amtierende US-Präsident Joe Biden wendete sich nach dem Attentatsversuch an die Nation.
AFPPerron glaubt, dass beide Seiten relativ bald wieder zu ihrem gewohnt angriffigen Tonfall übergehen werden. «Einige Demokraten werden sagen, dass Trump aufgrund seiner Rhetorik selber mitverantwortlich ist für diese Schüsse, die Republikaner werden sagen, dass die Demokraten die Gewalt mit einer Hetzjagd gegen Trump geschürt haben. Dass diese Gewalteskalation der Anfang einer grossen nationalen Versöhnung ist, scheint für Perron unrealistisch: «Dafür ist die USA zu polarisiert, die Gräben sind zu tief.»
«Es gehört zur USA, dass Sachen mit Gewalt geändert werden sollen»
Das glaubt auch Guido Weber, Experte für den US-Wahlkampf. Er geht sogar noch weiter und sagt: «Am Ausgang der Wahl ändert das versuchte Attentat kaum etwas. Trump-Wähler werden weiterhin Trump wählen, Biden-Wähler Biden. Und für einen wirklichen Einfluss auf die Mobilisierung vergeht noch zu viel Zeit zwischen Attentat und Wahlen.»

Dass überzeugte Biden-Wählende sich jetzt Trump zuwandten, glauben die Experten nicht. Laut Politologe und Politberater Louis Perron könnte der Attentatsversuch aber unentschlossene Wähler in den Swing States überzeugen.
Getty Images via AFPÜberhaupt werde das Land wohl höchstens kurz geschockt sein: «Es gehört zu Amerika und dessen Geschichte, dass hin und wieder versucht wird, gewisse Dinge mit Gewalt zu lösen oder zu verändern. Auch, dass auf Präsidenten oder Präsidentschaftskandidaten geschossen wird, ist leider nichts Neues.»
Die Schüsse seien ein Ausdruck der Polarisierung und des Aufheizens der Stimmung, die von Trump selber an vorderster Front betrieben werde. «Seine Rhetorik ist schon lange sehr gewalttätig, etwa während seiner ‹Lock her up›-Kampagne (Sperrt sie ein, die Red.) gegen Hillary Clinton. Die jüngste Gewalt ist einfach noch einmal eine Zuspitzung dessen, was in den USA schon länger passiert – erinnern wir uns auch an den Sturm des Kapitols.»
«Gehe davon aus, dass alle bald wieder zur Tagesordnung übergehen»
Die ersten Reaktionen auf die Schüsse fielen indes sehr zurückhaltend aus: US-Präsident Joe Biden rief unmittelbar nach den Schüssen dazu auf, politische Gewalt in jeder Form zu verurteilen: «Eine Trump-Rally sollte friedlich und ohne jegliche Probleme abgehalten werden können. Die Vorstellung, dass es politische Gewalt wie diese in den Vereinigten Staaten gibt, ist unvorstellbar.»
«Nach Schiessereien wird jeweils kurz und laut darüber diskutiert, dass dem ein Ende gesetzt werden muss. Passieren tut meist nichts.»
Auch Trump selber hieb nicht in die gewohnte Kerbe und verzichtete auf jegliche Schuldzuweisungen. Er dankte dem Secret Service und sagte, dass über den Schützen nichts bekannt sei. «Es ist unglaublich, dass so eine Tat in unserem Land möglich ist», schrieb Trump. Experte Weber glaub allerdings nicht, dass diese Zurückhaltung lange anhalten wird: «Ich gehe davon aus, dass Trump und sein Team ziemlich bald wieder zu ihrer gewohnt aggressiven Rhetorik übergehen und das versuchte Attentat für ihre Zwecke auszunutzen versuchen werden.»

Guido Weber ist ein Schweizer Politikberater und Wahlkampf-Experte für amerikanische Politik.
Tamedia«Die Aufregung ist kurz gross, passieren tut meist nichts»
Denn auch das zeige die Geschichte: «Nach Schiessereien, egal ob sie Präsidentschaftskandidaten oder Schülerinnen und Schüler treffen, wird jeweils kurz und laut darüber diskutiert, dass dem nun endlichen ein Ende gesetzt werden müsse. Passieren tut meist nichts und kurz darauf geht man wieder zur Tagesordnung über, also zu einem extrem liberalen Waffenrecht, mit dem einige Staaten das offene Tragen von Waffen zum Grundrecht erklären.»
Dass der 20-jährige Schütze offenbar Republikaner war, muss für Weber nichts heissen: «Nach so einer Tat versucht man natürlich schnell, eine politische Zuordnung zu machen. Aber solange keine politischen Botschaften, ein Manifest oder Ähnliches zum Vorschein kommen, würde ich dieser Zuordnung nicht allzu viel Gewicht beimessen. Vielleicht hat der Täter einfach einmal in seinem Leben die Republikaner gewählt oder sich an einer Parteiveranstaltung registrieren lassen.»
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