Theater Basel«Folter auf der Bühne unter dem Deckmantel der Kunst»
Eine Leserin verliess die Opernaufführung «Requiem» im Theater Basel frühzeitig, weil sie ein geteertes Kind und ein schreiendes Baby verstörten. Sie sorgt sich um das Wohlergehen der Kinder.
Darum gehts
Als Irene Ackermann (55) die Oper «Requiem» im Theater Basel schauen war, musste sie den Saal verlassen, als ein Baby auf die Bühne gebracht wurde. Dieses habe laut angefangen zu weinen.
Ackermann macht sich Sorgen, ob dies Folgen für das Kind haben könnte. Eine Psychologin sieht darin jedoch keine dauerhaften Auswirkungen auf das Kind.
Die Mutter des Kindes ist eng mit dem Theater Basel verbunden. Das Baby symbolisiere den Kreislauf des Lebens.
Am 20. April wurde die Oper «Requiem» zum ersten Mal im Theater Basel aufgeführt. Als Gerüst des Stücks dient die gleichnamige Musik von Wolfgang Amadeus Mozart. Obwohl sie von der Kritik aufs Höchste gelobt worden ist, sei die Oper nicht einfach anzuschauen, so eine Leserin.
Kleinkind bis zum Heulanfall auf der Bühne
Die Früherzieherin und Heilpädagogin Irene Ackermann (55) aus Bern musste das Stück bei einer Szene, die ihr besonders nahe ging, verlassen. Ein Kleinkind, ihrer Einschätzung nach kein halbes Jahr alt, wurde auf die Bühne gelegt und so lange allein gelassen, bis es angefangen habe, zu weinen und zu schreien. Wie sie habe auch ein Mann seine Sachen gepackt und den Saal verlassen. «Es zeugt von Emotionslosigkeit. Man hätte auch gut eine Puppe nehmen können», meint Ackermann.
Bereits während einer anderen Szene, bei der eine neunjährige Darstellerin «geteert und gefedert an einer Stange aufgehängt» wurde, dachte sich Ackermann, das Ganze sei «Folter auf der Bühne unter dem Deckmantel der Kunst». Bei beiden Szenen hatte sie das Gefühl, sie müsse gleich eingreifen. «Im Publikum sassen Anwälte, Ärzte, rundum Leute mit Geld und allen war es egal, Hauptsache, man ist unterhalten», meint sie zu ihrem Theatererlebnis.
Der Trailer zur Oper «Requiem» am Theater Basel.
YouTube/Theater Basel«Es war wirklich ein Übergriff», sagt Ackermann. Sie wundere sich auch darüber, welche Auswirkungen dieses Erlebnis auf ein Kleinkind haben könne. Mit ihrer Kritik ist die Berner Opernbesucherin nicht allein. In den sozialen Medien wurden Posts des Theaters für die «Requiem»-Aufführung teils gehässig kommentiert, insbesondere auch das Kind gab zu reden.
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«Für mich hat das einen Beigeschmack»
Aus psychologischer Perspektive komme es auf den Kontext an, findet Trix Cacchione, Professorin für Entwicklungspsychologie an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). «Wenn das Kind ausserhalb des Theaters in ein tragendes Beziehungsgeflecht integriert ist und feinfühlige Beziehungspartner hat, werden sich solche punktuellen Erfahrungen nicht dauerhaft auswirken, auch wenn sie in dieser Situation Stress bedeuten», so Cacchione.
«Aus moralischer Perspektive würde ich als Privatperson mich dennoch fragen, ob es sinnvoll ist, ein Kind zur Unterhaltung einer Stresssituation auszusetzen. Für mich hat das einen Beigeschmack.»
Symbolisiert den Kreislauf des Lebens
Wie Elena Kuznik, Mediensprecherin des Theaters Basel, erklärt, wurde das Baby von der Mutter, die nur ein paar Meter vom Bühnenrand stand, selbst abgelegt. Den Saal habe es nicht gesehen. «Diese Szene mit dem Baby am Ende des Stücks steht für einen Neubeginn, es symbolisiert den Kreislauf des Lebens. Es ist ein sehr starkes Bild, weil es den Eindruck des puren Lebens erweckt, inmitten der zerstörten Bühnenlandschaft», so Kuznik. Die Mutter des Babys war bis letztes Jahr Tanzpädagogin am Theater Basel und kenne dieses sehr gut.
«Im Theater Basel fanden diverse Onboarding-Termine mit den Müttern statt und die Kinder wurden nach und nach an die Szenen herangeführt. Die älteren Mädchen können Unwohlsein jederzeit anmelden und wurden dazu auch aktiv befragt. Bei dem Baby vertrauen wir auf den Input der Mutter.» Der Einsatz von Minderjährigen wurde gemäss Kuznik beim Amt für Wirtschaft und Arbeit angemeldet. Folgeabklärungen mit psychologischen Fachstellen wurden nicht getätigt.
«Kein Bild der Folter beabsichtigt»
Die Mutter des älteren Mädchens ist Chorsängerin am Theater Basel und steht bei der Produktion selbst mit auf der Bühne. Zwischen ihr und ihrer Tochter habe es viele inhaltliche Gespräche gegeben. Was die Zuschauerin als Teeren und Federn gesehen habe, müsse nicht explizit das bedeuten. Das Schwarze sei ein Pulver, es könnte auch Asche oder Staub sein. «Es ist also kein Bild der Folter damit beabsichtigt», stellt Kuznik klar.
Dass Personen den Saal verliessen, könne immer wieder vereinzelt auftreten, meint Kuznik. Die Gründe könnten ganz unterschiedlich sein und hingen nicht unbedingt mit dem gezeigten Stück zusammen.
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