Tonhalle ZürichUm Pianistin zu werden, musste Yilan als Kind ihr Heimweh besiegen
Die Spitzen-Talente Yilan Zhao (29) und Tassilo Probst (21) traten in der Zürcher Tonhalle auf. Sie erzählen, wie sie es so weit geschafft haben und was sie dafür in Kauf nehmen mussten.
Darum gehts
Die Chinesin Yilan Zhao und der Deutsche Tassilo Probst tourten diese Woche durch die Schweiz.
Tassilo hat als Vierjähriger mit dem Geigenunterricht angefangen. Yilan Zhao verliess mit zehn Jahren für das Klavierstudium ihr Zuhause.
Sie erzählen, was die Karriere ihnen abverlangte. Und warum sie es wieder so machen würden.
Yilan Zhao kommt aus Hunan. In der südchinesischen Provinz hat auch Kommunistenführer und Nationalheiligtum Mao seine Wurzeln. Doch Yilan blieb nicht lange. Schon als sie sieben Jahre alt war, sagten die Lehrer: «Dieses Kind hat Talent.» Dann fuhren die Eltern mit ihr jede Woche vier Stunden in die Provinzhauptstadt zum Klavierunterricht. Mit zehn Jahren begann Yilan ein Klavierstudium am Konservatorium in Wuhan, 500 Kilometer von zuhause entfernt.
«Ich habe jede Nacht geweint», erzählt Yilan. Jetzt ist sie in Zürich und hat gerade einen Auftritt in der Tonhalle hinter sich, ein Doppel-Piano-Konzert von Mozart, zusammen mit Oliver Schnyder. Sie ist eines der jungen Spitzentalente, die von der Zürcher Orpheum-Stiftung gefördert werden.

Yilan Zhao wollte unbedingt Pianistin werden und zog deshalb mit zehn Jahren in ein Internat, 500 Kilometer von zuhause entfernt.
privatDamals in Wuhan, vor bald 20 Jahren, da fragte der Vater Yilan am Telefon: «Möchtest du nach Hause kommen?» Weil sie so fest Heimweh hatte. Doch das liess ihr Kopf nicht zu. Sie wollte Pianistin werden, unbedingt. Mit 15 begann sie das Studium in New York, auch dort vom Heimweh geplagt. Mit 23 kam sie nach Zürich an die Hochschule der Künste (ZHdK).
Yilan, eine fröhliche und kontaktfreudige 29-Jährige, die irgendwann einmal eine Familie haben möchte («ich liebe Kinder»), hat schon mehrere Preise gewonnen, mit Musik-Koryphäen gearbeitet und auf weltberühmten Bühnen gespielt.
Ihr nächstes Projekt: ein Solo-Album. Und die Weiterführung ihrer Sonntags-Matinée im Lavaterhaus in Zürich. Der Eintritt ist frei, Studierende mit wenig Geld sollen auch teilhaben, sagt Yilan. Und das Interesse sei gross: Bis zu 80 Besuchende pro Sonntag. Doch die Kollekte genüge nicht für die Deckung der Kosten. Trotz Welterfolg: Das Musiker-Dasein ist wenig luxuriös.
Der Vater fragte Yilan: Möchtest du heimkommen? Doch das liess ihr Kopf nicht zu.
Yilan Zhao zeigt, was möglich ist, wenn Menschen sich etwas in den Kopf setzen und nicht locker lassen. Sie sei von den Eltern nicht gepusht worden, sondern habe diese Karriere selber gewollt. Die Eltern hatten wenig Geld, der Klavierkauf war für sie ein Kraftakt. Noch heute verbringt sie einen Monat im Jahr bei der Familie in Hunan.
Früher als alle anderen
Am selben Abend in der Zürcher Tonhalle tritt auch der Münchner Violinist Tassilo Probst (21) auf. Er hat als Vierjähriger angefangen, Geige zu spielen, als Sechsjähriger trat er mit Bruder und Vater auf dem Petersplatz in Rom auf, auch der Papst hörte zu. Mit 16 machte Tassilo das Abitur – drei Jahre zu früh, obwohl er dem Unterricht oft ferngeblieben war. Und mit 19 schloss er seinen Bachelor an der Musikhochschule ab. Jetzt studiert er am Mozart-Institut der Universität Augsburg.

Tassilo Probst (21) mit seinen Eltern, am 19. März 2024 in der Tonhalle Zürich. Die Mutter sagt: «So gelöst wie heute Abend habe ich ihn selten gesehen.»
20min/Claudia BlumerWährend Tassilo mit der Journalistin spricht, der Applaus klingt noch in den Ohren, stehen seine Eltern ein paar Meter weiter an einem Apéro-Tischchen. Die Frage drängt sich auf: War es ihr Ziel, aus dem Sohn einen grossen Geigen-Virtuosen machen? Immerhin fing er mit dem Unterricht an in einem Alter, in dem andere gerade einmal richtig sprechen lernen. «Überhaupt nicht», sagen alle drei. Ganz im Gegenteil: Der Vater, hauptberuflich Arzt und passionierter Hobby-Geiger, hat Tassilos älteren Bruder schon unterrichtet. «Da kam der Kleine schon so früh und wollte auch, ich dachte: Dafür habe ich doch gar keine Zeit.»
Hättest du auch gern so Karriere gemacht?
Heute sind sie stolz, oder vielmehr: «Glücklich, wenn wir sehen, dass er auf der Bühne so aufgeht.» Selten habe sie ihren Sohn so gelöst und schwungvoll erlebt wie hier in der Tonhalle, sagt die Mutter. Die Überflieger-Karriere, sie sei nicht nur einfach, auch wenn es für Aussenstehende so scheinen möge. Der fehlende Kontakt zu gleichaltrigen Klassenkameraden etwa sei schwierig gewesen.
Heute Abend aber ist einer der glücklichen Momente. Tassilo und seine Eltern hätten das Zimmer noch bis morgen, aber sie fahren noch in derselben Nacht nach München zurück, da hat es weniger Verkehr auf der Strasse.
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