Krieg in der Ukraine dauert an: Stimmung gegen Geflüchteten kippt

Aktualisiert

Ukraine-KonfliktKrieg dauert an: Stimmung gegen geflüchtete Ukrainer kippt

Während der Krieg andauert, verschärft sich die Stimmung in der Schweiz gegenüber ukrainischen Geflüchteten zunehmend. Doch warum hat sich der Diskurs so stark verändert?

Zwei Ukrainer mussten bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Unia eine Hass-Attacke über sich ergehen lassen.
«Die neue Zuwanderung von hochqualifizierten Personen verschärft den Wettbewerb um Arbeitsplätze und Wohnraum», sagt Soziologe Ganga Jey Aratnam.
In urbanen Gebieten führe dies dazu, dass Einheimische zunehmend gezwungen sind, abzuwandern. «Viele lassen ihren Frust darüber nach unten ab, insbesondere im Asylbereich.» (Symbolbild)
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Zwei Ukrainer mussten bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Unia eine Hass-Attacke über sich ergehen lassen.

20min/Anna Bila

Darum gehts

  • Die Stimmung gegenüber ukrainischen Geflüchteten in der Schweiz hat sich verschlechtert, teils beeinflusst durch rechte Rhetorik und eine verschärfte Migrationsdebatte.

  • Der Konkurrenzdruck auf dem Arbeitsmarkt und beim Wohnraum führt zu Spannungen zwischen Schweizer Bürgern und den neu zugezogenen Geflüchteten.

  • Dazu Migrationsforscherin Janine Dahinden und Soziologe Ganga Jey Aratnam.

Die Stimmung gegenüber ukrainischen Geflüchteten hat sich in den letzten Monaten merklich verschlechtert, berichten einige Ukrainerinnen und Ukrainer. Aber warum? Die beiden Migrationsforschenden Janine Dahinden und Ganga Jey Aratnam klären auf.

Rechte Rhetorik führt zu zunehmender Spannung

In den letzten Jahren habe sich die Haltung gegenüber Migranten und Geflüchteten in der Schweiz und der EU spürbar verändert, sagt Migrationsforscherin Janine Dahinden. «Rechte Rhetorik hat an Einfluss gewonnen und wird zunehmend bis weit in die Mitte und sogar in linke Kreise übernommen – und die Medien greifen diese Diskurse auf.» Die allgemeine Debatte um Migration und Rassismus habe sich deutlich verschärft – was nun auch ukrainische Flüchtlinge betreffe.

«Ukrainer und Ukrainerinnen wurden als ‹Flüchtlinge wie wir› wahrgenommen.»

«Viele Menschen stellten zu Beginn des Ukraine-Krieges ihre Wohnungen zur Verfügung und engagierten sich aktiv, da Ukrainer und Ukrainerinnen als ‹Flüchtlinge wie wir› wahrgenommen wurden – im Gegensatz zu Menschen aus anderen geografischen Gegenden, die oft nicht dieselbe Unterstützung erfuhren.» Doch diese Solidarität habe mit der Zeit nachgelassen. «Der Krieg dauert an, und mit ihm verschiebt sich auch der Diskurs.»

Schweizer Bürger fühlen sich im Wohnungsmarkt bedrängt

Soziologe Ganga Jey Aratnam sieht weitere Gründe für die zunehmenden Spannungen: «Die neue Zuwanderung von hochqualifizierten Personen verschärft den Wettbewerb um Arbeitsplätze und Wohnraum.» In urbanen Gebieten führe dies dazu, dass Einheimische zunehmend gezwungen sind, abzuwandern. «Viele lassen ihren Frust darüber nach unten ab, insbesondere im Asylbereich.»

«Selbst wenn sie die Rückkehr planen, sollten sie sich möglichst schnell in den Arbeitsmarkt integrieren.»

Gleichzeitig bestehe im Asylbereich noch Potenzial zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration, sagt Jey Aratnam. Geflüchtete aus der Ukraine seien häufig besser qualifiziert und hätten im Gegensatz zu anderen Geflüchteten dank des S-Status einen direkten Zugang zum Arbeitsmarkt. «Dennoch wird das seit zwei Jahren realistisch gesetzte Ziel, 40 Prozent der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt zu integrieren, nicht erreicht.» Hier seien auch die ukrainischen Geflüchteten gefordert: «Selbst wenn sie die Rückkehr planen, sollten sie sich möglichst schnell in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren versuchen.»

Wer früher als Bedrohung galt, ist heute integriert

Das Phänomen sei aber nichts Neues, sondern wiederhole sich in der Geschichte: «Während Gruppen wie die Italiener oder Kosovaren früher als Bedrohung galten, werden sie heute als integrierte Mitbewohner geschätzt.» Ähnlich sei es mit Geflüchteten aus der Ukraine. Es gebe jedoch auch hierzulande rechte und extreme Gruppierungen, die ideologisch mit Putin übereinstimmen und sich gegen ukrainische Geflüchtete äusserten.

Mehr Bildungsangebote und Anerkennung für nicht-hochqualifizierte Arbeit

Jey Aratnam betont, dass ein friedliches Zusammenleben zwischen Asylsuchenden und Schweizern durchaus möglich sei: Dafür müsse die Gesellschaft und die Wirtschaft den Wert auch von nicht-hochqualifizierten Arbeitskräften stärker anerkennen. Gleichzeitig seien im Asylbereich weitere Integrationsmassnahmen erforderlich – etwa durch mehr Bildungsangebote für erwachsene Geflüchtete.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Beratungsnetz für Rassismusopfer

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

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