Vogelgrippe-Todesfall: Droht die nächste Epidemie?

Publiziert

VogelgrippeErster Todesfall mit H5N2 – droht jetzt die nächste Epidemie?

In Mexiko ist erstmals ein Mensch am H5N2-Virus, einem Subtyp der Vogelgrippe, gestorben. Experten weltweit sind besorgt. Droht die nächste Pandemie? Infektiologe Andreas Widmer ordnet ein.

In Mexiko ist der erste Mensch überhaupt am Vogelgrippe-Subtyp H5N2 gestorben.
Das Vogelgrippe-Virus verbreitet sich vor allem unter Tieren, Übertragungen auf den Menschen sind selten.
Andreas Widmer ist Infektiologe. Er sagt, es sei nicht die Zeit für Panik. Trotzdem müssten Behörden und die Fachwelt ganz genau hinschauen, was in Mexiko passiert.
1 / 3

In Mexiko ist der erste Mensch überhaupt am Vogelgrippe-Subtyp H5N2 gestorben.

Felix Kästle/dpa

Darum gehts

  • Erstmals ist eine tödliche Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus des Typs H5N2 im Labor bestätigt.

  • Der Todesfall in Mexiko lässt Epidemiologinnen weltweit aufhorchen.

  • Infektiologe Andreas Widmer sagt, das Potenzial einer Epidemie sei vorhanden – derzeit sei eine Übertragung von Mensch zu Mensch aber sehr unwahrscheinlich.

Die Sars-CoV-2-Pandemie hat die Weltöffentlichkeit gelehrt, wie schnell Viren sich ausbreiten können. Entsprechend hohe Wellen hat der Tod eines Mexikaners geworfen, der kürzlich an der Vogelgrippe, genauer am Influenza-H5N2-Virus, verstorben ist. Er ist der erste Mensch, der diesem Virustyp erlegen ist. Infektiologe Andreas Widmer beantwortet für 20 Minuten die wichtigsten Fragen.

Was ist die Vogelgrippe?

Eine infektiöse und ansteckende Krankheit, die Haus- und Wildvögel befällt und oft eine schwere Krankheit und sogar den Tod des Tieres verursacht. Die für die Vogelgrippe verantwortlichen Influenza-A-Viren können auch andere Tiere und selten auch Menschen infizieren.

Wie breiten sich die Viren aus und was sind die Symptome beim Menschen?

Die Viren befallen viele wandernde Wildwasservögel und können sich auch durch Kontakt mit Hühnern, Truthähnen, Enten oder Gänsen ausbreiten. Das Virus kann Menschen durch in der Luft verteilte Tröpfchen infizieren oder durch Kontamination von Gegenständen, die mit den Händen berührt und dann an Mund, Augen oder Nase geführt werden.

Was ist H5N2?

H5N2 ist ein anderer Subtyp der Influenza-A-Viren.

Was ist am Mexiko-Todesfall besorgniserregend?

Andreas Widmer sagt: «Es braucht eine grosse Menge Viren, damit ein Mensch mit der Vogelgrippe infiziert wird. Der Angriffspunkt bei diesem Typ ist nicht wie bei der saisonalen Grippe im oberen Atemtrakt, sondern sehr viel tiefer. Bei der letzten Epidemie waren vor allem Kinder betroffen, die sich direkt inmitten von vielen Hühnern aufgehalten haben.»

«Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung scheint derzeit sehr unwahrscheinlich.»

Andreas Widmer, Infektiologe und Präsident Swissnoso

Welche Folgen könnte das haben?

Laut Widmer gibt es ein Best- und ein Worst-Case-Szenario: «Im Best Case ist das nur ein laues Lüftchen, im Worst Case ein tödlicher Tsunami.»

Best Case: «Wenn sich die Viren an einem Ort konzentrieren, kann man rechtzeitig Massnahmen ergreifen. In Mexiko wurden beim Geflügel schon Epidemien nachgewiesen. 29 Kontaktpersonen des verstorbenen Patienten aus dem Spital als auch von zu Hause wurden negativ getestet, eine Mensch-zu-Mensch Übertragung scheint zurzeit sehr unwahrscheinlich.»

Worst Case: Wie bereits bei Sars-CoV-2 fürchten sich Experten vor allem vor Mutationen: «Der Nachweis dieses Subtyps H5N2 bei einem Menschen lässt alte Befürchtungen einer weiteren Pandemie aufleben. Da ähnlich wie bei Sars-CoV-2 keine Immunität gegen Influenza H5N2 beim Menschen vorhanden ist, besteht ein erhebliches – aber auch unwahrscheinliches – pandemisches Potenzial», sagt Widmer.

Im Dezember 2022 rief Ecuador wegen der Vogelgrippe den Gesundheitsnotstand aus.

20min

Muss ich mich also vor der nächsten Epidemie fürchten?

Dafür ist es noch zu früh. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht von einem geringen Risiko für die Bevölkerung aus. Trotzdem sagt Widmer: «Wir Wissenschaftler dürfen nicht noch einmal so versagen wie in Wuhan, wo viel zu spät reagiert worden ist. Es ist jetzt zentral, noch genauer hinzuschauen, wo das Virus sich in Mexiko verbreitet.» Die Mehrheit der Fachleute geht laut Widmer davon aus, dass die nächste Pandemie durch Influenza-Viren ausgelöst wird. Widmer sagt es so: «Das Risiko ist derzeit relativ gering, aber die Folgen könnten ähnlich wie bei Sars-CoV-2 sein.»

Die Schweinegrippe war damals ja auch harmlos. Also kein Grund zur Sorge?

Das wäre laut Widmer ein womöglich fataler Trugschluss: «Die Schweinegrippe war 2009 eine Pandemie. Sie hat sich genau so verbreitet, wie die Wissenschaft das vorhergesagt hat, und etwa in England jeden Tag bis zu 10’000 Menschen angesteckt. Damals hatten wir einfach Glück, dass die Infektion in den allermeisten Fällen sehr harmlos verlaufen ist.» Auch 2009 war der weltweiten Epidemie ein lokaler Ausbruch in Mexiko vorangegangen.

Wie kann Schlimmeres verhindert werden?

Laut Widmer gibt es mit Baloxavir heute ein deutlich wirksameres Medikament als Tamiflu, das bei der letzten grossen Pandemie massenhaft gehortet worden ist. «Es wirkt viel schneller und verhindert nachweislich die Übertragung von Mensch zu Mensch.» Auch Impfungen für die Influenza-Subtypen seien in der Entwicklung.

Fürchtest du dich vor einer weiteren Pandemie?

Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?

Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.

Deine Meinung zählt

117 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen