Rachael Garrett: Professorin klagt über Schweiz

Aktualisiert

KarriereETH-Professorin reichts – «Kinderhort riet mir ständig, weniger zu arbeiten»

Wer als Mutter in der Schweiz Karriere macht, werde ständig kritisiert, sagt Rachael Garrett, Ex-Professorin an der ETH. Sie arbeitet jetzt in England. 

«Beim Hort sagten sie mir ständig, ich solle nicht 100 Prozent arbeiten», erzählt Rachael Garrett. Sie war von 2019 bis 2023 Professorin für Umweltpolitik an der ETH und hat in dieser Zeit in Zürich gelebt.
Nun ist sie mit ihrer Familie nach England gezogen, wo sie in Cambridge eine Professur bekommen hat. Hier sei das Klima für arbeitende Mütter nicht annähernd so anstrengend wie in der Schweiz, sagt Garrett.
Vieles hänge vom Partner ab, sagt Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH und Mutter zweier Kinder. Ihr Mann könne flexibler arbeiten und habe die Kinder mehr unterstützt, als sie noch kleiner waren.
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«Beim Hort sagten sie mir ständig, ich solle nicht 100 Prozent arbeiten», erzählt Rachael Garrett. Sie war von 2019 bis 2023 Professorin für Umweltpolitik an der ETH und hat in dieser Zeit in Zürich gelebt.

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Darum gehts

  • Eine Vollzeit arbeitende Mutter habe es in der Schweiz schwer, sagt Professorin Rachel Garrett.

  • Die Kritik an Vollzeit-Müttern sei ein wichtiger Faktor gewesen beim Entscheid, die Schweiz zu verlassen. In England sei es «total anders».

  • ETH-Professorin Sonia Seneviratne sagt: «Es kommt auf den Partner an.»

Warum hat es so wenig Professorinnen, obwohl Studentinnen in der Mehrzahl sind? Weil Frauen nicht Karriere wollen, sondern Kinder und einen reichen Mann. So das kurz zusammengefasste Resultat einer Studie der Uni Zürich, die in den letzten Tagen für Furore gesorgt hat.

Nun sagt eine prominente Wissenschaftlerin zu 20 Minuten: «Wegen diesem Müll habe ich die Schweiz verlassen.» Rachael Garrett (40) war von 2019 bis jetzt Professorin für Umweltpolitik an der ETH Zürich, nun hat sie eine Professur an der Universität Cambridge und ist mit ihrer Familie nach England gezogen.

«Natürlich kann eine Frau in der Schweiz Karriere machen», sagt sie. «Doch es hilft den Frauen nicht, wenn Medien das Gegenteil vermitteln.» Statt über die vielen erfolgreichen Professorinnen zu berichten, die international spitze seien und ihren Job geniessen, lese man über Frauen, die nicht Professorin werden wollen.

Kritik für Vollzeit-Pensum

Als Vollzeit arbeitende Mutter zweier Kleinkinder habe sie kritisches Feedback aber auch sehr direkt mitbekommen: «Manche Hortbetreuerinnen meiner damals fünfjährigen Tochter sagten mir mehrmals, dass ich nicht 100 Prozent arbeiten solle, weil die Kinder meine Präsenz bräuchten.» 

Obwohl Garretts Mann von zu Hause aus arbeitete, habe die Hortbetreuerin gefühlt jede zweite Woche sie, die Mutter, angerufen und gesagt, die Tochter wolle nach Hause, sie solle sie bitte nach dem Mittagessen abholen. Sie wisse auch von Freunden, die ihre Kinder in der Schweiz zur Welt gebracht haben, dass manchen frisch gebackenen Müttern schon im Spital gesagt werde, sie sollten jetzt ihr Pensum reduzieren.

«Es ist belastend, zu hören, dass Frauen nicht Vollzeit arbeiten sollten, weil das nicht gut für ihre Kinder sei», sagt Garrett. Diese Stereotype und Bewertungen seien ein wichtiger Faktor gewesen bei ihrem Entscheid, die Schweiz zu verlassen. «In England ist die Gesellschaft nicht annähernd so anstrengend für arbeitende Mütter. Hier ist es total anders.»

«Es kommt auf den Partner an»

Ob eine Mutter in der Schweiz Karriere macht, hänge vor allem vom Partner ab, sagt Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH und Mutter zweier Kinder (9 und 13). «Mein Mann und ich arbeiten beide 100 Prozent, aber mein Mann ist etwas flexibler und hat die Kinder mehr betreut, als sie noch kleiner waren.»

Seneviratne ist derzeit für ein viermonatiges Sabbatical an der Universität Stanford. Ihr Mann hat unbezahlten Urlaub genommen, um die Kinder zu betreuen. «Es hilft natürlich sehr, dass er mich so unterstützt», sagt die 49-Jährige. Und: Viele ihrer männlichen Kollegen hätten Partnerinnen, die Teilzeit arbeiten. Das mache es natürlich einfacher.

«Es bewegt sich gerade sehr viel»

Katrin Beyer ist Bauingenieur-Professorin an der ETH Lausanne und ebenfalls Mutter zweier kleiner Kinder. Sie sagt: «Es bewegt sich im Moment sehr viel, bei den Professoren hat sich in den letzten Jahren schon viel getan.» 2010 war sie die erste Professorin in ihrem Fach an der ETH, mittlerweile seien es vier Frauen. «Wir Bauingenieur-Professorinnen stellen schon fast ein Fünftel – bis vor 13 Jahren war unser Anteil noch bei null.»

Die politischen und gesellschaftlichen Anstrengungen, um nicht bloss eine nominelle Gleichstellung zu erreichen, wie Beyer sagt, sondern eine tatsächliche, müssten deshalb fortgeführt werden. Für Familien brauche es Kinderbetreuungsplätze. Eltern bekämen oft weniger Kita-Tage, als sie eigentlich für ihr Pensum benötigten. In der Westschweiz seien Vollzeit arbeitende Mütter im direkten Umfeld relativ gut akzeptiert. «Aber auch in der Arbeitswelt braucht es noch Anstrengungen, damit alle gleichwertig teilnehmen und mitgestalten können.»

Ist es für Mütter schwierig, Karriere zu machen?

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