Wie geht es weiter?«Die Nervosität an den Aktienmärkten dürfte vorerst anhalten»
Die Börsen bleiben am Montag tiefrot. Wie lange dauert das noch an und was kommt danach? Der Raiffeisen Anlagechef spricht von trüben Aussichten.
Börsenbeben: Darum gehts
Die Nervosität an den Börsen hält an, mit hohen Verlusten seit den neuen US-Zöllen.
Raiffeisen-Experte Geissbühler sieht Anzeichen für Panik, rät aber von Panikverkäufen ab. Eine Erholung sei trotzdem zu erwarten
Der Zollstreit könnte die US-Wirtschaft in eine Stagflation führen, während die die Schweizer Wachstumsprognose von 1,3 auf 0,9 Prozent gesenkt wurde.
Die Börse ist im Minus und die Aufregung gross. Die Tagesverluste nach den neusten Zöllen von US-Präsident Donald Trump erreichten Rekordniveaus, wie sie seit der Covid-Pandemie nicht mehr gesehen wurden. Unsicherheit hat die Märkte im Griff. Für viele stellt sich nun die grosse Frage: Wie geht es weiter? Und wann geht es endlich wieder bergauf beim Markt?
Matthias Geissbühler, Anlagechef bei Raiffeisen, wagt gegenüber 20 Minuten einen vorsichtigen Ausblick auf die möglichen Zukunftsszenarien der Börse und erklärt, was dies für die Weltwirtschaft und die Schweiz bedeutet.
Zum Experten
Erste Anzeichen einer Panik
«Die Nervosität an den Aktienmärkten dürfte vorerst anhalten», so Geissbühler. Nach dem Markteinbruch seit vergangenem Donnerstag seien die Aktienmärkte mittlerweile aber stark überverkauft. «Der massive Anstieg des Volatilitätsindex zeigt zudem an, dass an den Märkten erste Anzeichen einer Panik auszumachen sind.»
Dies lasse zumindest kurzfristig auf eine temporäre Gegenbewegung in den kommenden Tagen schliessen. Fundamental stelle sich die Frage, wie stark der Zollkonflikt die Wirtschaft beeinträchtigen wird. «Wir sehen ein erhöhtes Risiko einer Stagflation in den USA, was wiederum die Gewinnentwicklung bei den Unternehmen negativ beeinflussen wird.»
Das ist eine Stagflation:
Von Stagflation wird gesprochen, wenn wirtschaftliche Stagnation und Inflation miteinander einhergehen. Das heisst, Preise für Öl, Energie und andere Produkte steigen – die Teuerung zieht also an, obwohl gleichzeitig das Wirtschaftswachstum lahmt. Das ist eine gefährliche Mischung: Denn die Arbeitslosigkeit wächst und es ist extrem schwer, aus diesem Kreislauf zu entkommen. Die letzte Stagflation gab es in den 1970er-Jahren. Auslöser war der Öl-Schock von 1973: Der Ölpreis schnellte in die Höhe, und mit ihm die Inflation. Dabei wurde das Wirtschaftswachstum ausgebremst. Die Stagflation dauerte etwa acht Jahre.
Heftige, kurzfristige Gegenreaktion möglich
Innenpolitisch dürfte der Druck auf Donald Trump zunehmen. «Insofern ist zu erwarten, dass er einige ‹Deals› erzielen kann, seinen ‹Liberation Day› als vollen Erfolg verkaufen wird und dann gleichzeitig die reziproken Zölle hinausschiebt oder abmildert.» Schon nur moderate «Good News» zum Thema, könnten an den Märkten zu einer heftigen, kurzfristigen Gegenreaktion führen, erklärt Geissbühler.
«Panikverkäufe sind deshalb jetzt nicht angebracht.»
Mittelfristig werde aber die wirtschaftlichen Entwicklungen und die Gewinnentwicklung der Unternehmen entscheidend sein. «Und diesbezüglich haben sich die Aussichten eingetrübt.» Es sei nicht davon auszugehen, dass sich die Aktienmärkte rasch wieder in Richtung der alten Höchststände bewegen werden. Die Märkte dürften sich gemäss Geissbühler aber nach dem heftigen Kurseinbruch in den kommenden Tagen stabilisieren. «Panikverkäufe sind deshalb jetzt nicht angebracht.»
Wie beeinflusst die aktuelle Marktsituation deine Investitionsstrategie?
Zölle entbehren jeglicher Grundlage
Trotzdem sei der Schaden bereits angerichtet: «Wir gehen davon aus, dass zumindest die neuen Basiszölle von 10 Prozent bis auf Weiteres bleiben werden.» Auch gegenüber China dürften die bereits beschlossenen 20-Prozent-Zusatzzölle Bestand haben. «Allein dies dürfte das globale Wachstum um gut 0,5 Prozent reduzieren.»
Auch in der Schweiz habe Raiffeisen die Wachstumsprognose für dieses Jahr von 1,3 Prozent auf 0,9 Prozent reduziert. «Zu hoffen bleibt, dass es der Schweiz auf diplomatischem Weg gelingt, der Administration Trump aufzuzeigen, dass die angekündigten Zölle von 31 Prozent jeglicher Grundlage entbehren und diese entsprechend nach unten angepasst oder ganz fallengelassen werden.»
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