Jewgeni PrigoschinWill der Wagner-Chef wirklich Frieden? Nein, er will das Gegenteil
Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner soll in einem Beitrag ein Ende des Krieges in der Ukraine befürworten. Doch Jewgeni Prigoschins Worte wurden falsch interpretiert.
Darum gehts
Es geht um Jewgeni Prigoschin (61), den Chef der russischen Söldnertruppe Wagner.
In einem langen Beitrag forderte er angeblich ein Ende des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine.
Eine Überraschung, die mehrere westliche Medien, aber auch Stimmen in Russland aufnahmen.
Doch Prigoschins Text wurde offensichtlich nicht zu Ende gelesen.
Mit einem Blogeintrag vom Freitag hat Jewgeni Prigoschin, der Chef der berüchtigten russischen Söldnergruppe Wagner, für Aufsehen gesorgt. Darin scheint er nahezulegen, dass er ein Ende des Angriffskriegs auf die Ukraine befürwortet, zumal Moskaus Kriegsziele erreicht worden seien.
«Für den Staat und für die Gesellschaft ist es heute notwendig, einen dicken Punkt hinter die militärische Spezial-Operation zu setzen», schrieb der 61-Jährige. Es wäre ideal, jetzt «das Ende der militärischen Spezial-Operation zu verkünden und zu erklären, dass Russland alle seine geplanten Ziele erreicht hat – und in gewisser Hinsicht haben wir sie ja auch wirklich erreicht».
Fehlinterpretation
Diese Worte wurden von westlichen Medien breit aufgegriffen, nicht wenige interpretierten sie als weiteren Beleg für einen Zwist zwischen dem Wagner-Chef und dem Kreml. Prigoschin selbst reagierte später über seinen Pressedienst und liess ausrichten, dass seine Worte falsch ausgelegt worden seien.
Tatsächlich macht schon der Titel des Eintrags vom Freitag deutlich, dass Prigoschin kein Ende des Kriegs in der Ukraine will: «Nur ein ehrlicher Kampf – keine Verhandlungen» lautet die Überschrift.
«Vulgarität und ironischer Slang»
Wer den Text vollständig gelesen habe, könne kaum mehr davon ausgehen, dass Prigoschin für ein Ende der russischen Invasion in der Ukraine plädiere, schreibt das «Institute for the Study of War» (ISW). Immerhin macht Prigoschin zum Schluss sehr deutlich, was er von etwaigen Verhandlungen hält, die ein Abtreten von russisch besetzten Gebiete vorsehen würden: gar nichts. Die Kämpfe müssten weitergehen, schreibt er – und drohte der ukrainischen Armee: «Wir sehen uns in Bachmut.»
Die Militäranalysten vom ISW in Washington zeigen aber Verständnis für die Fehlinterpretation. Die Lektüre seiner Mitteilungen sei kein einfaches Unterfangen. Viele Nuancen würden bei der Übersetzung vom Russischen verloren gehen und seine Texte seien gespickt mit «trockenem Sarkasmus, selektiven Zweideutigkeiten, Aphorismen, Vulgarität und ironischem Slang». So würden Zitate, die aus dem Gesamtkontext seiner Botschaften herausgelöst seien, leicht ihre ursprüngliche Bedeutung verlieren.
Auch russische Kreise lagen daneben
Nicht nur die westliche Presse, auch einige russische Milblogger und Prigoschin-Kritiker wie Igor Girkin (52) lagen bei der Interpretation daneben. Der ehemalige Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU und einstige pro-russische Separatistenführer in Donezk liess sich die Gelegenheit nicht entgehen, verbal auf seinen Erzfeind einzuprügeln. Er forderte indirekt den Einsatz der russischen Staatsanwaltschaft, wegen des Textes gegen Prigoschin zu ermitteln, da er die russische «Spezial-Operation» in Misskredit gebracht habe.
Auch Girkin hatte den Text offenbar nicht zu Ende gelesen – oder dieses möglicherweise bewusst ignoriert.
Machtkampf und Schlammschlacht
Unter den russischen Ultranationalisten Girkin und Prigoschin tobt seit Kriegsbeginn ein Kampf um Einfluss und Ansehen im gleichen Machtzirkel: Beide wollen ihren Einfluss unter russischen Ultranationalisten ausbauen und übertrumpfen sich mit ihrer offenen Kritik an der russischen Militärführung.
Das nimmt mitunter Züge einer regelrechten, öffentlich geführten Schlammschlacht an. Davon profitiert vor allem der russische Präsident Wladimir Putin, der Beobachtern zufolge für keinen der beiden viel übrig haben soll.
Prigoschin schaffte es trotz aller Bemühungen nie in den inneren Kreis von Putin. Und Girkin, der 2014 aus dem Amt des «Verteidigungsministers» der «Volksrepublik Donezk» entfernt und als Mittäter für den Absturz des Malaysia-Airlines-Fluges 17 in Den Haag verurteilt wurde, soll seinen einstigen Stand im Kreml nie mehr wiedererlangt haben.
Keine News mehr verpassen
Mit dem täglichen Update bleibst du über deine Lieblingsthemen informiert und verpasst keine News über das aktuelle Weltgeschehen mehr.
Erhalte das Wichtigste kurz und knapp täglich direkt in dein Postfach.