Wintersport«70% der Emissionen eines Skitages entstehen bei der An- und Abreise»
Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in der Schweiz vor allem im Winter in den Bergen. Maren Stöber von Protect Our Winters erklärt, wie man möglichst nachhaltig Skifahren und Snowboarden kann.
Darum gehts
Mehr als jede dritte Person in der Schweiz betreibt regelmässig Wintersport. Wie lassen sich die Umweltauswirkungen minimieren?
«Bis zu 70 Prozent der Emissionen eines Skitages entstehen bei der An- und Abreise, da die meisten immer noch mit dem Auto ins Skigebiet fahren», sagt Maren Stöber von Protect Our Winters.
Was wäre die Lösung? «Es braucht eine Struktur, die uns die richtige Entscheidung erleichtert», so Stöber. «Wenn das Auto nicht mehr die einfachste Lösung ist, finden wir eine bessere.»
Stöber warnt: «Bergregionen erwärmen sich grundsätzlich schneller. Die Schweiz liegt bereits bei 2,8 Grad Erwärmung, der globale Durchschnitt bei 1,3 Grad.»
Mehr als jede dritte Person in der Schweiz fährt Ski oder Snowboard. Was gilt es zu beachten, um dem Winterhobby möglichst nachhaltig nachzugehen? 20 Minuten hat bei Maren Stöber von Protect Our Winters nachgefragt.
Frau Stöber, was ist Protect Our Winters und welche Rolle spielen Sie in der Organisation?
Ich arbeite als stellvertretende Geschäftsführerin bei Protect Our Winters, der Stimme der Outdoor-Community für den Klimaschutz. Unser Motto lautet: Schütze, was du liebst. In der Outdoor-Community gibt es viele Menschen, die in den Bergen unterwegs sind und sehen, wie der Klimawandel die Alpenregionen verändert. Mit Kampagnen und Sensibilisierung sorgen wir dafür, dass sich die Outdoor-Community klimafreundlich engagiert und auch entsprechend wählt und abstimmt.
Ein Wintersportgebiet erscheint auf den ersten Blick alles andere als nachhaltig: Tausende von Menschen tummeln sich an einem Ort, der einmal Natur pur war. Streng genommen: Kann Wintersport überhaupt nachhaltig sein?
Fakt ist, dass jede Form von Tourismus einen Einfluss auf die Umwelt hat, vor allem der Massentourismus. Richtig ist aber auch, dass wir alle mit dem Wintersport als Breitensport aufgewachsen sind. Unser Ansatz ist daher, dass wir heute die Verantwortung für die Zukunft übernehmen müssen, uns aber nicht den Kopf über vergangene Entscheidungen zerbrechen sollten. Die Skianlagen sind da und es wäre auch nicht richtig, sie nicht mehr zu nutzen, denn für die Bergbevölkerung sind sie auch ein wichtiges Standbein. Ob die Skigebiete noch weiter ausgebaut werden müssen, ist dagegen fraglich.
Wenn man Wintersport nachhaltig betreiben will: Was ist das Wichtigste, worauf man achten sollte?
Das Thema hat grundsätzlich zwei Facetten: Nachhaltigkeit im Wintersport und die Möglichkeit, den Wintersport zu nutzen, um den Klimaschutz in einem grösseren Zusammenhang zu sehen. Im Wintersport ist die Ressourcennutzung ein grosses Thema: Wasser, Energieerzeugung, Bewirtschaftung und Gastronomie. Dies betrifft vor allem die Skigebiete selbst. Für die Konsumentinnen und Konsumenten ist der wichtigste Faktor eindeutig die Mobilität. Bis zu 70 Prozent der Emissionen eines Skitages entstehen bei der An- und Abreise, da die meisten immer noch mit dem Auto ins Skigebiet fahren. Hier haben wir als Community einen enormen Hebel. Der Energieverbrauch eines Skitages ohne Anreise entspricht dem von drei Duschen. Und nicht zu vergessen, kürzlich hat der Bund bekannt gegeben, dass über die Hälfte des Mobilitätsaufkommens in der Schweiz mit Freizeit und Tourismus zu tun hat.
Eine Frage drängt sich auf: Liegt die Verantwortung für nachhaltigen Wintersport allein bei den Konsumentinnen und Konsumenten?
Viele reisen mit dem Auto an, weil es einfacher ist, die ganze Ausrüstung ins Auto zu packen, als sie kompakt zu verpacken und mit dem ÖV zu transportieren. Das hat aber auch eine systemische Dimension. Es ist zu einfach und zu billig, mit dem Auto ins Skigebiet zu fahren. Es braucht eine Struktur, die uns die richtige Entscheidung erleichtert. Wenn das Auto nicht mehr die einfachste Lösung ist, finden wir eine bessere. Das kann man über negative Anreize tun, wie zum Beispiel die Parkgebühren zu erhöhen oder aber positive wie noch bessere Direktverbindungen für Züge ins Skigebiet, so wie sie etwa zwischen Genf und Verbier oder zwischen Zürich und Flumserberg am Wochenende bestehen.
Kann man den Leuten das Autofahren verbieten?
Nein, das ist auch nicht unser Ansatz, da er nicht zielführend wäre. Man kann Einschränkungen durchsetzen, siehe das Beispiel der Erhöhung der Tarife für Parkplätze, um so Verhaltensänderungen anzustossen. Allgemein gesagt gibt es bei solchen Verschiebungen der Baseline immer zuerst einen Aufschrei, aber dann gewöhnen sich die Menschen sehr schnell daran – das zeigt die Verhaltensforschung. Als die Gurtpflicht im Auto eingeführt wurde, sind die Leute auch erst auf die Barrikaden gegangen. Irgendwann haben sie aber gemerkt, dass das neue Normal durchaus Sinn macht. Welche Verhaltensänderungen aber zielführend sind beim touristischen Verkehr, müsste die Wissenschaft eruieren.
Stichwort Ski- und Snowboardausrüstung. Was kann man in Sachen Nachhaltigkeit tun?
Es gibt die 5-R-Regel, an die man sich halten kann. Refuse: Keine Produkte kaufen, die man nicht wirklich braucht. Reduce: Generell weniger kaufen. Reuse: Dinge wiederverwenden und mit anderen teilen. Recycle: Dinge wiederverwendbar machen. Rot: Dinge der Erde zurückgeben. Für den Wintersport bedeutet das konkret: Am nachhaltigsten ist es, nichts Neues zu kaufen. Skier und Snowboards kann man so lange benutzen, bis die Kanten nicht mehr geschliffen werden können oder der Belag abgenutzt ist. Man kann die Ausrüstung auch leihen, gebraucht kaufen oder die Kleidung multifunktional nutzen. Eine gute Pflege verlängert die Lebensdauer der Ausrüstung.
Viele Wintersportorte werben damit, nachhaltig zu sein. Wie kann man als Konsument überprüfen, was davon stimmt?
Wir von Protect Our Winters erstellen kein Ranking, weil das nicht zielführend ist. Es gibt Nachhaltigkeitslabel, aber auch hier muss man schauen, wie sie funktionieren. Manche Wintersportorte listen ihre Nachhaltigkeitsmassnahmen online auf. Man kann sich dort anschauen, wie der Strom erzeugt wird, wobei mittlerweile fast alle Skiorte erneuerbare Energiequellen haben: Arosa hat Wasserkraft, Andermatt heizt klimaneutral mit Holz. In der Gastronomie gibt es fast überall noch Luft nach oben. Warum ist das Standardmenü immer noch eines mit Fleisch? Auch hier sollte ein Umdenken stattfinden, natürlich ohne den Menschen die Möglichkeit zu nehmen, Fleisch zu essen.
Der Einsatz von Schneekanonen spielt keine Rolle?
Das hängt von den Bedingungen im Skigebiet ab. In manchen gibt es viel Wasser, in anderen nicht. Die Universität Basel hat herausgefunden, dass Skigebiete wie Andermatt oder Sedrun ihren Wasserverbrauch bis Ende des Jahrhunderts um 80 Prozent erhöhen müssen – auf 540 Millionen Liter statt 300 Millionen Liter für die Beschneiung. Bergregionen erwärmen sich grundsätzlich schneller. Die Schweiz liegt bereits bei 2,8 Grad Erwärmung, der globale Durchschnitt bei 1,3 Grad.
Kann es sich dann lohnen, in Skigebiete zu fahren, die möglichst hoch und über der Schneefallgrenze liegen?
Wahrscheinlich ist das die logische Konsequenz. Das führt aber auch zu dem Problem, dass es in diesen Skigebieten zu einer Verdichtung kommt. Das wiederum birgt die Gefahr, dass Wintersport zum Luxussport wird. Denn wenn immer mehr Leute auf engerem Raum sind, wird die hohe Nachfrage zu einer Explosion der Preise führen.
Was sollte man als nachhaltiger Wintersportler oder nachhaltige Wintersportlerin noch beachten?
Geh für das Klima abstimmen und wählen. Und wenn dir im Skigebiet etwas auffällt, frage auch mal nach: Warum gibt es denn keine vegetarische Alternative auf der Speisekarte?
Wusstest du, dass die Anreise zum Skigebiet 70 Prozent der Emissionen eines Skitags ausmacht?
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