Studie: Missstände bei Adoption indischer Kinder

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Zahlreiche FälleSchweiz: Adoptionen indischer Kinder oft ohne Zustimmung der Eltern

Eine aktuelle Forschungsarbeit um die St. Galler Ethnologin Rita Kesselring legt erhebliche Missstände bei der Vermittlung indischer Heimkinder in die Schweiz offen.

Über 2000 indische Kinder wurden innert 30 Jahren in die Schweiz vermittelt und dort adoptiert.
Mutter Teresa setzte sich für einen schnellen Adoptionsprozess der Kinder ein.
Ihre Heime verdienten an den Adoptionen viel Geld. Eine neue Studie enthüllte erhebliche Missstände im Adoptionsprozess.
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Über 2000 indische Kinder wurden innert 30 Jahren in die Schweiz vermittelt und dort adoptiert.

AFP

Darum gehts

  • Eine neue Studie deckt erhebliche Missstände bei den Adoptionen indischer Kinder in der Schweiz auf.

  • Behörden schauten offenbar gezielt weg und ignorierten, dass für die Adoption notwendige Dokumente nicht vorgelegt wurden.

  • Viele Kinder wurden ohne die Zustimmung der leiblichen Eltern vermittelt.

Eine Adoption sieht hohe rechtliche Hürden vor – so müssen die leiblichen Eltern des Kindes beispielsweise eine Verzichtserklärung unterschreiben. Umso erschreckender ist es daher, dass Schweizer Behörden bei der Vermittlung indischer Kinder in den Jahren zwischen 1973 und 2002 nicht so genau hinschauten. Das ergab eine am Freitag veröffentliche Forschungsarbeit um die Ethnologin Rita Kesselring der Universität St. Gallen.

Die Studie «Mutter unbekannt – Adoptionen aus Indien in den Kantonen Zürich und Thurgau, 1973 - 2002» wurde im Auftrag der Kantone Zürich und Thurgau angefertigt. Sie zeigt exemplarisch auf, dass die damals verantwortlichen Stellen in der Mehrzahl der untersuchten Fälle die in der Schweiz geltenden Vorschriften nicht durchgesetzt haben. «Sie akzeptierten, dass ihnen zentrale Dokumente fehlten. Zudem liess der Kanton Zürich eine Vermittlungsstelle gewähren, die nicht über die nötige Bewilligung verfügte», heisst es in der Medienmitteilung des Kantons Zürich.

Heime verdienten Geld mit Adoptionen

Aber warum wurde bei der Adoptionspraxis in diesem Mass «geschludert»? Laut den Forscherinnen zahlte man in der Schweiz damals Geld dafür, dass in Indien Kinder zur Adoption freigegeben wurden. Diese flossen an Mutter-Teresa-Heime, die die Adoptionen vermittelten und denen das Geld als «lukrative Einnahmequelle» diente. Mutter Teresa, die in der katholischen Kirche als Heilige verehrt wird, bat 1987 per Brief das Bundesamt für Ausländerfragen, den Visaprozess für indische Adoptivkinder zu beschleunigen, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt.

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Bei vielen der untersuchten Fälle handelte es sich nicht um Waisen- oder Findelkinder. Vielmehr wurden die Kinder unverheirateten Frauen weggenommen, die sonst mit gesellschaftlicher Ausgrenzung hätten rechnen müssen und quasi gezwungen wurden, ihr Baby abzugeben.

Richtlinien verschärft

Insgesamt wurden 2278 Heimkinder aus Indien in die Schweiz vermittelt. Bei wie vielen von ihnen die Vorschriften bewusst umgangen wurden, geht aus der Medienmitteilung nicht hervor. Allerdings ist davon die Rede, dass «die Mängel den gesamten Prozess» betrafen: Von der Aufnahme der indischen Kinder, während ihrer Pflege und bis zum Adoptionsentscheid.

Seit 2003 wurden die Richtlinien für Adoptionen mit dem Inkrafttreten des Haager Übereinkommens nachhaltig verschärft. In Indien wurden zudem zahlreiche Mutter-Teresa-Heime geschlossen.

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