«Zero-Nicotine»Viel schädlicher: Experten warnen vor Nikotin-Ersatz in E-Zigis
Besonders bei Jugendlichen sind sie beliebt: E-Zigaretten gibt es neu als NoNic – ohne Nikotin. Doch die Tabakprävention warnt vor einer noch schädlicheren Chemikalie und fordert ein Verbot.
Darum gehts
Einweg-E-Zigaretten mit der Substanz 6-Methylnikotin (6-MN) werden als «nikotinfrei» beworben.
6-MN wird im Labor hergestellt und hat eine ähnliche Wirkung, fällt aber rechtlich nicht unter das Tabakgesetz.
Die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz kritisiert diese Marketingstrategie als irreführend und fordert strengere Kontrollen.
Einige Kantone haben den Verkauf bereits verboten, auf Bundesebene gibt es jedoch noch keine klare Regulierung.
Die E-Zigarette hat sich zu einem viel diskutierten Nikotinprodukt entwickelt – sei es wegen des Geschmacksverlustes der Vape-Zunge, der unklaren Wissenslage oder der trendigen Nutzung durch Jugendlichen. Nun ist die Diskussion neu entfacht, denn eine neue Substanz ist auf dem internationalen Markt angekommen: 6-Methylnikotin (6-MN). Dieser Stoff wird im Labor hergestellt und ähnelt dem natürlichen Nikotin stark – wird rechtlich jedoch nicht als Nikotin eingestuft. Was genau 6-MN ist und wie gefährlich es ist, liest du hier.
Die Folge: Produkte mit 6-MN können legal als nikotinfrei beworben werden. Auf Einweg-E-Zigaretten tauchen daher immer häufiger Bezeichnungen wie «NoNic» oder «Zero Nicotine» auf, die den Eindruck erwecken, sie hätten die gleiche Wirkung wie herkömmliche E-Zigaretten – ohne deren Schadenspotential. Denn sie enthalten 6-MN statt natürlichem Nikotin.

Beschreibungen wie «NoNic: 20MG Effect» suggerieren, dass die Wirkung mit einer herkömmlichen E-Zigarette vergleichbar ist.
Screenshot/AromaKingDabei ist die Studienlage spärlich. Studien mit Mäusen haben gezeigt, dass 6-MN bis zu dreimal so schnell süchtig machen könnte wie Nikotin. So kritisiert die Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention (AT) Schweiz die neuesten Marketingstrategien als hochgradig irreführend und fordert, dass die Politik mit einem vorsorglichen Verbot von 6-MN reagiert. «Die Schweiz schläft einmal mehr», heisst es in einer Medienmitteilung.
Gibt es Produkte mit 6-MN in der Schweiz?
Die als «nikotinfrei» beworbenen Produkte mit 6-MN umfassen derzeit Nikotinbeutel und vor allem Einweg-E-Zigaretten. Doch wie leicht sind sie tatsächlich erhältlich? 20 Minuten sprach mit Verkäufern – sowohl in Läden vor Ort als auch online. Dort heisst es unisono, dass keine Produkte mit 6-MN angeboten würden.
Online sind die Produkte aber durchaus auch in der Schweiz erhältlich: Eine kurze Google-Suche reicht, um ausländische Anbieter zu finden, die in die Schweiz liefern. Ein aktuelles Beispiel in der Diskussion ist Aroma King. Das Unternehmen hatte eine Einweg-E-Zigarette mit 6-MN auf dem Schweizer Markt im Angebot, nahm sie jedoch nach negativen Reaktionen aus dem Sortiment, wie es gegenüber 20 Minuten mitteilte.

Auf dem Schweizer Markt sind Einweg-E-Zigaretten mit 6-MN nicht mehr erhältlich. In Frankreich hingegen ist das Produkt weiterhin verfügbar.
Screenshot/amazon.frWährend das Produkt in einigen Nachbarländern ebenfalls nicht mehr erhältlich ist, wird es in Frankreich – und damit auch über Amazon France – weiterhin verkauft. Eine Anfrage von 20 Minuten, warum das Produkt nach wie vor erhältlich ist, blieb bisher unbeantwortet.
Beim Online-Kauf gibt es in der Regel nur eine Hürde: ein Klick zur Bestätigung, dass man 18 Jahre alt ist. Eine echte Alterskontrolle sei das jedoch nicht, sagt Luciano Ruggia, Geschäftsführer von AT Schweiz.
AT Schweiz: «Diese Gesetzeslücke zu schliessen, ist Aufgabe des Bundes»
Ruggia vermutet, dass die Tabakindustrie 6-MN entwickelt habe, weil nikotinhaltige E-Zigaretten für jüngere Zielgruppen verboten seien. Durch die Herstellung einer «nikotinfreien» Variante – selbst wenn suchterzeugende Wirkung und mögliche gesundheitliche Schäden bestehen bleiben – nutzen Unternehmen gezielt gesetzlichen Grauzonen und Lücken, die in der Schweiz wie auch in vielen anderen europäischen Ländern existieren.

Luciano Ruggia, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention (AT) Schweiz, kritisiert, dass in der Schweiz strenger kontrolliert wird, was in ein Joghurt kommt – als was in eine Zigarette.
privatDas neue Tabakproduktegesetz von 2024 reguliere zwar den Verkauf, die Werbung und die Meldepflicht von Tabakprodukten, lasse aber solche neuen Substanzen aussen vor. «Es liegt in der Verantwortung des Bundes, diese Produkte zu überwachen und zu verbieten», betont Ruggia.
BAG: «Nicht offiziell erhältlich»
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erklärt auf Anfrage von 20 Minuten, dass sie derzeit keinen akuten Handlungsbedarf sieht, da Produkte mit 6-MN in der Schweiz offiziell nicht erhältlich seien.
Falls sie auf den Markt kämen, wäre es dem BAG zufolge korrekt, sie als nikotinfrei zu bezeichnen. Die Anwendung des Tabakprodukterechts und die Beurteilung, ob eine «NoNic»-Kennzeichnung angemessen ist, obliege jedoch den Kantonen, nicht dem BAG.
Wie stehst du zu Einweg-E-Zigaretten generell?
Politik wird aktiv
Trotz – oder gerade wegen – fehlender gesetzlicher Regelungen auf Bundesebene haben bereits einige Kantone den Verkauf von elektronischen Einweg-E-Zigaretten verboten. Dazu gehören Wallis, Jura und Basel-Stadt. Auch in Bern hat der Grosse Rat kürzlich eine entsprechende Motion angenommen.
Ein nationales Gesetz steht bislang aus. Letzte Woche reichte der Walliser Nationalrat Christophe Clivaz (Grünen) eine parlamentarische Anfrage ein. Sein Vorschlag: ein vorsorgliches Verbot von Produkten, die 6-MN enthalten. In seiner Anfrage fordert Clivaz vom Bundesrat eine wissenschaftliche Einschätzung zum Suchtpotenzial und den Gesundheitsrisiken von 6-MN.
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.