Zürich und Bern«Zerstört Kultur und Sport»: Werbeverbot sorgt für Kopfschütteln
Nach Bern will auch die Stadt Zürich Werbung weitgehend verbieten. Bei nationalen Parlamentariern sorgt das bis in die SP für Unverständnis. Es gibt aber auch Sympathien.
Darum gehts
Zürich und Bern planen drastische Einschränkungen für kommerzielle Werbung im Aussenbereich.
Die geforderten Massnahmen stossen auf heftige Kritik – auch innerhalb der links-grünen Lager.
Derartige Verbote seien eine Gefahr für die Wirtschaft, Kultur und Sport, erklären Bürgerliche.
Andere Töne stimmt Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber an: «Das Verbot geht in die richtige Richtung.»
Am Mittwoch hat der Zürcher Gemeinderat mit 58 zu 57 Stimmen eine Motion der Alternativen Liste (AL) angenommen, die ein weitreichendes Verbot von kommerzieller Werbung auf öffentlichem Grund fordert.
In der Stadt Zürich sollen künftig nur noch das lokale Gewerbe und die öffentliche Hand Werbung machen dürfen – für politische und nicht-kommerzielle Werbung sollen Ausnahmen gelten. Auch im privaten Raum sollen die Plakate massiv eingedämmt werden.
Zürich: Linke Stadt-Parlamentarier warnen vor «Manipulation» der Masse
Damit folgt der Zürcher Gemeinderat dem Berner Stadtrat, der im Februar 2024 ein entsprechendes Verbot verabschiedet hatte: Die Bundesstadt geht dabei sogar noch einen Schritt weiter und plant ein generelles Verbot kommerzieller Werbung im Aussenraum auf dem gesamten Gemeindegebiet – auch auf privatem Grund. Nun müssen die Exekutiven beider Städte an der Umsetzung der Forderung arbeiten.

Innerhalb des links-grün dominierten Zürcher Gemeinderats wurde der Entscheid teilweise mit heftigen Reaktionen quittiert: «Willkommen in Pjöngjang», sagte Ratspräsident Guy Krayenbühl (GLP) während der Debatte. (Archivbild)
Tamedia/Sabina BobstDie Zürcher Ratsmehrheit ist überzeugt, dass Werbung ausschliesslich zur Manipulation der Massen diene. Der Vorstoss mache die Stadt Zürich «nachhaltiger, lebenswerter und gerechter», so die Argumentation der Befürworterinnen. Doch selbst im rot-grünen Gemeinderat stiess der Entscheid längst nicht nur auf Verständnis: «Willkommen in Pjöngjang», sagte Ratspräsident Guy Krayenbühl (GLP). Sogar die ebenfalls links-grün dominierte Stadtregierung lehnt die Forderung des Parlaments ab.
Medien-Experte: Werbegegner sollen auf Wahlwerbung verzichten
Der Zürcher Medien-Experte und Persönlich-Verleger Matthias Ackeret kritisiert das geforderte Werbeverbot aufs Schärfste: Insbesondere in der Wirtschaftsstadt Zürich sei es «doppelt pervers», schreibt er in einem Blog-Eintrag.
Konsequenterweise müssten, so Ackeret, die Werbegegner bei den nächsten Wahlen auf «jegliche Propaganda» verzichten. Einmal mehr habe der Zürcher Gemeinderat nach der Devise gehandelt, dass Geld nicht verdient werden müsse, sondern vom Himmel falle.
«Verstehe das nicht»: Unverständnis bis in die SP
Bei den meisten Nationalräten aus den beiden Städten sorgt der Entscheid für Kopfschütteln. «In den Schweizer Städten wüten mitunter die extremsten links-grünen Kreise Zentraleuropas», erklärt der Stadtberner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Unter solchen Werbeverboten würden insbesondere Kultur, Sport, KMU und das lokale Gewerbe leiden – die Medien- und Werbebranche werde regelrecht «kollabieren», sagt der Berner. «Die Linke zerstört damit aktiv KMU, Kultur und Sport.»

Der Stadtberner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen ist überzeugt: «In den Schweizer Städten wüten mitunter die extremsten links-grünen Kreise Zentraleuropas.» (Archivbild)
20min/Matthias SpicherÄhnlich sieht es sein Zürcher Kollege Andri Silberschmidt. Er interpretiert den Entscheid als Frontalangriff auf die Werbeindustrie, die KMU und die Wirtschaftsfreiheit im Allgemeinen: «Ein solches Verbot schadet vielen und nützt niemandem – die linke Politik soll aufhören, den Menschen umerziehen zu wollen.»
Auch Mitte-Nationalrat Reto Nause – der bis vor kurzem selbst noch in der Berner Stadtregierung sass – ist gegen ein Verbot kommerzieller Werbung: «Das ist kompletter Blödsinn. Der Stadt entgehen so wichtige Einnahmen und Werbung schafft auch Orientierung über neue Produkte.»

Auch links der Mitte stossen die Verbotsforderungen längst nicht nur auf Zustimmung: Die Zürcher SP-Nationalrätin Min Li Marti schreibt auf Bluesky: «Bei aller Liebe – ich verstehe diesen Vorstoss nicht.» (Archivbild)
20min/Matthias SpicherDas Werbeverbot sorgt sogar bei prominenten Linken für Unverständnis. SP-Nationalrätin Min Li Marti findet: «Bei aller Liebe – ich verstehe diesen Vorstoss nicht.» Die «Kreativwirtschaft» sei für die Stadt Zürich wichtig und ein Verbot würde den «Broligarchen» noch mehr Werbegelder in die Kassen spülen, schreibt sie auf Bluesky.
Prelicz-Huber (Grüne): «Leuchtreklamen pure Energieverschwendung»
Sympathie für die Regelung zeigt aber Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber: «Das Verbot geht in die richtige Richtung», erklärt sie. «Mich ärgern vor allem diese blöden Leuchtreklamen – das ist pure Energieverschwendung.»
Wie stehst du zu Werbeverboten im öffentlichen Raum?
Die Zürcherin ist überzeugt, dass es eben dieses «effekthascherische Gehabe» der Werbeindustrie sei, die solchen Vorstössen zum Durchbruch verhelfe. «Es ist Zeit, hier Grenzen zu setzen. Auch national wird uns diese Debatte noch prägen.»
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