BaselKampfstoff auf Bau-Areal – wie viel wusste Swisslife?
Seit längerem gibt es Anzeichen auf eine chemische Belastung des Klybeck-Areals. Trotzdem hielt Swisslife nach dem Kauf Events auf dem Gelände ab.
Darum gehts
Swisslife veranstaltete Events auf dem belasteten Klybeck-Areal.
Das K-90-Gebäude enthält den gefährlichen Stoff Chlorpikrin.
Erst 2023 wurde das Gebäude aus Sicherheitsgründen geschlossen.
Das sogenannte K-90-Gebäude auf dem Basler Klybeck-Areal birgt unsichtbare Gefahren: Spätestens seit Frühling 2023 ist klar, dass der ehemalige Fabrikraum mit Chlorpikrin belastet ist, schon zuvor gab es Hinweise auf eine chemische Belastung. Diese Bedenken schlug der neue Besitzer Swisslife aber anfangs in den Wind, wie ein Beitrag der SRF Rundschau zeigt. Die ganze Sendung wird am 13. November um 20.05 auf SRF 1 ausgestrahlt.
Dass das K-90 mit gefährlichen Chemikalien belastet ist, ist schon länger klar. Im Jahr 2018 untersuchte ein Ingenieurbüro mögliche Schadstoffe im Gebäude, wobei es bei einigen Involvierten zu einer «schwachen Reizung der Atemwege» gekommen sei. Auch die Chemiekonzerne BASF und Novartis warnten beim Verkauf ihres Areals, dass es im betroffenen Gebäude einen Altlasten-Hotspot gebe.
So gefährlich ist Chlorpikrin
Laut Altlast-Experte Martin Forter handelt es sich bei Chlorpikrin um einen «sehr gefährlichen Stoff»: Zuerst verspüre man eine Reizung der oberen Atemwege, bei höherer Konzentration komme es zu einer massiven Schädigung der Lunge und schliesslich zum Tod. Der chemische Kampfstoff wurde erstmals im Ersten Weltkrieg von diversen Kriegsparteien eingesetzt, soll aber auch heute noch zum Zug kommen, etwa auf russischer Seite im Ukraine-Krieg.
Diese Gefahren schien die neue Besitzerin Swisslife nicht besonders zu kümmern – der Versicherer führte nach dem Kauf des Klybeck-Areals diverse Veranstaltungen im K-90 durch, etwa die Architekturveranstaltung Open House Basel 2022.
Belastung entdeckt, aber nicht richtig erkannt
Zu diesem Zeitpunkt waren die Schadstoffexperten bereits auf das Chlorpikrin gestossen, wussten jedoch noch nicht, dass es sich um den Kampfstoff handelt. «Tatsächlich wurde beim Nachweis von Trichlornitromethan nicht erkannt, dass es sich um den im Ersten Weltkrieg verwendeten Kampfstoff Chlorpikrin handelte», schreibt ein Gutachter 2023, nachdem der Kampfstoff im Frühling 2023 entdeckt worden war.
Als Reaktion schloss Swisslife das Gebäude, das bis heute nur mit Schutzanzug, Schutzbrille und Atemschutzmaske betreten werden darf. Seitens des Unternehmens heisst es, dass man das Gebäude «im Rahmen einer periodischen Überarbeitung des Sicherheitskonzepts» geschlossen habe. Demnach seien in drei Proben Trichlornitromethan identifiziert worden, jedoch in einer Belastung, die als nicht besorgniserregend eingestuft wurde.
«Nur ein Immobilieninvestor tappt in diese Falle»
In der Rundschau von SRF wundert sich der Altlastenexperte Frank Karg über das Vorgehen. Bevor man einen solchen Bau öffne, müsse man Raumluft, Bodengas, Boden, Grundwasser und das Gebäude auf Schadstoffe untersuchen. «Ein erfahrener Industrieller, etwa in der Pharmaindustrie, würde sowas nie machen. Die würden vorher alles erkunden. Nur ein Finanz- oder Immobilieninvestor tappt in diese Falle», sagt Karg.
Woher das Trichlornitromethan kommt, ist kein grosses Rätsel: Im K-90 und in weiteren Gebäuden auf dem Klybeck-Areal wurden von den 1950ern bis 2011 Farbstoffe produziert. Während Martin Forter, Altlastenexperte und Geschäftsführer der Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, nicht annimmt, dass der Chlorpikrin-Kampfstoff je in Basel produziert worden sei, dürfte der Stoff seiner Meinung nach bei der Farbproduktion eingesetzt worden sein.
Diese Pläne hat Swisslife mit dem Areal
Mit dem Klybeck-Areal hat der Versicherer Swisslife Grosses vor: Auf dem über 100'000 Quadratmeter grossen Areal sollen Wohnungen für 10'000 Menschen entstehen, wofür ein Dutzend Gebäude abgerissen werden sollen. Die Schadstoff-Untersuchungen dazu werden noch unter Verschluss gehalten und umfassen laut Behörden etwa 1000 Seiten. Die alte Farbenfabrik K-90 gehört nicht zu den Gebäuden, die abgerissen werden.
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