BaselTourist geht in den Ausgang und schüttelt danach nur den Kopf
In der Schweiz neue Bekanntschaften zu machen, ist für viele Touristen und Zugezogene schwierig. Ein User auf Reddit teilt seine Erfahrung, eine Expertin klärt auf.
Darum gehts
Ein Tourist war am Samstagabend allein in Basel, wollte ausgehen und Leute kennenlernen.
Er sei dabei nur auf Ablehnung gestossen. Er fragt die Reddit-Community, ob das in der Schweiz normal sei.
Expertin Kathy Hartmann-Campbell sagt: Die Distanziertheit der Schweizer werde oft als unfreundlich interpretiert.
Über das Wochenende allein als Tourist in Basel und Lust, mit anderen zu feiern? Gar nicht so einfach. Denn spontan zu einer Freundesgruppe dazuzustossen, stellte sich als unmöglich heraus, wie ein User auf der Plattform Reddit berichtet. Mit seiner Erfahrung steht er nicht allein da, das zeigen die vielen Reaktionen auf seinen Post.
«Es war eine belebte Strasse voller Leute, die tranken und Spass hatten», schreibt der Reddit-User. Er dachte, es wäre ein Einfaches, hier mit Leuten in Kontakt zu treten. «Ich hätte mich nicht mehr irren können.» Alle hätten zwar seine Fragen höflich beantwortet, niemand wollte aber länger als fünf Minuten mit ihm sprechen. Die Community fragte er deshalb: «Habe ich was falsch gemacht oder ist das hier einfach so?»
«Es ist lustiger auf einem Friedhof»
«Es ist einfacher, sich auf einem Friedhof zu amüsieren als samstagabends in einer Schweizer Stadt», meint einer der User. Leute in der Schweiz seien nicht unbedingt verschlossener als Leute in Skandinavien oder den Niederlanden, entgegnet ein anderer, einfach ein wenig langweiliger: «Das Saufen in der Schweiz mutet mediterran an: Wein mit Freunden und am nächsten Tag wandern, statt kotzend mit einem Döner in der Hand an der Bushaltestelle einschlafen.»
Machst du oft neue Bekanntschaften?
«Es tut mir leid, dass du das erleben musstest», meint ein weiterer Reddit-User, «aber ich bin genau so». Wenn er mit einer Gruppe von Freunden zusammen sei und sich ein Fremder nähere, führen sie alle ihre Schutzschilde hoch und atmeten kollektiv aus, sobald der Fremde weg sei. «Dadurch habe ich wahrscheinlich schon viele tolle Gespräche verpasst.»
«Ich würde in der Schweiz niemals jemanden abends auf der Strasse ansprechen.»
«Mit der Zeit wirst du hier ein paar Dinge merken», zum Beispiel, dass ein Abend unter Freunden lange im Voraus geplant sei und nicht gestört werden wolle, lautet eine weitere Antwort. Dadurch seien die Leute weniger flexibel. Die Menschen hier seien grundsätzlich offen, stimmt ein weiterer User zu, aber es komme auf das Timing an: «Ich würde in der Schweiz niemals jemanden abends auf der Strasse ansprechen.» Er solle es lieber in einem Café versuchen, da hätten die Leute Zeit.
Oftmals sei es eine Mischung aus Unsicherheit mit einer Fremdsprache, Schüchternheit und Respekt vor dem Privatleben anderer, die es schwierig mache, mit Menschen in Kontakt zu treten, lautet ein weiterer Erfahrungsbericht auf Reddit.
Privatsphäre wird hochgehalten
«Die Trennung von privater und öffentlicher Sphäre ist in der Schweiz wichtig», bestätigt auch Kathy Hartmann-Campbell. Sie ist Kommunikationstrainerin und aus dem Ausland nach Basel gezogen. Die auf Reddit geteilte Erfahrung sei der grösste kulturelle Unterschied, dem Zugezogene in der Schweiz begegnen: «Oftmals wird die Distanziertheit als unfreundlich oder kalt interpretiert.»
Mit 27 Jahren kam die Gründerin von «Basel Connect», einem Verein für Expats, aus den USA in die Schweiz. Sie hatte damals einen Kulturschock. Hartmann-Campbell machte die Erfahrung, dass die Leute in der Schweiz nicht sehr offen seien für kurze Bekanntschaften.
Lebenslange Freundschaften
Freundschaften würden hier schon früh geschlossen werden: «Herzog und de Meuron kennen sich beispielsweise auch schon seit der Kindheit.» Das liege auch daran, dass viele ihr ganzes Leben in der gleichen Region bleiben, die Mobilität sei verhältnismässig niedrig.

«Freundschaften werden in der Schweiz früh geschlossen», sagt Kathy Campbell-Hartmann. Und sie halten lange. (Symboldbild)
IMAGO/Michael GstettenbauerIn einem neuen Land gehe es denn auch um die Auseinandersetzung mit sich selbst. «Die eigene kulturelle Prägung zu erkennen, ist essenziell für eine interkulturelle Kompetenz», meint Hartmann-Campbell. Jedes Land sei unterschiedlich und es sei wichtig, zu versuchen, das jeweils andere zu verstehen.
«Es ist nicht gut oder schlecht, es ist anders.»
«Das Wichtigste ist, der anderen Kultur mit Neugier zu begegnen.» Ihr Mantra sei immer gewesen: «Es ist nicht gut oder schlecht, es ist anders», und dies gebe Hartmann-Campbell auch in ihrem Workshop für Neuzugezogene «Typically Swiss» in Basel weiter.

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