Nato-Beamte«Das ist die Frühjahrsoffensive Russlands – mehr kommt da nicht»
Immer wieder warnten Militärexperten vor einer russischen Grossoffensive im Frühling 2023. Laut einem hochrangigen Nato-Beamten laufe diese bereits – für einen grösseren Vorstoss mangle es den Russen am Willen, den Soldaten und dem Material.
Darum gehts
Die ukrainische Regierung und zahlreiche Experten warnten zum Jahresbeginn vor einer russischen Grossoffensive im Frühling.
Laut einem Nato-Beamten läuft die Offensive bereits – in weit kleinerem Rahmen als vom Westen befürchtet.
Grund dafür sei fehlendes Material, Personal und Munition.
Russland hat anfangs Februar gemäss der Ukraine eine neue Offensive in den ostukrainischen Gegenden Donezk und Luhansk begonnen. «Eine Eskalation ist im Gange und das Hauptziel ist es, bis Ende März den Donbass einzunehmen», teilte Andrij Jussow vom ukrainischen Militärgeheimdienst damals mit.
Auch mehrere Militärexperten rechneten zu Beginn des Jahres noch mit einer massiven Offensive der russischen Truppen. Diese ist bisher ausgeblieben – und wird laut einem hochrangigen Nato-Beamten auch nicht mehr kommen, wie dieser im Interview mit der «Bild» sagt.
Vorstösse in Richtung Kiew bleiben bisher aus
«Das ist die russische Frühlingsoffensive. Genau so sieht sie aus. Mehr kommt da nicht», sagt der nicht namentlich genannte Experte zu den Kämpfen, die bereits jetzt vor allem im Donbass toben. Eigentlich rechneten Militärexperten wie auch die ukrainische Regierung damit, dass grosse russische Truppenverbände unter anderem in Richtung Kiew und Charkiw vorstossen könnten.
Laut dem hohen Nato-Beamten gebe es mehrere Gründe für den Ausfall beziehungsweise die stark reduzierte Grösse der Frühlingsoffensive. So fehle nach wie vor der Wille, im grossen Mass russische Soldaten in die Ukraine zu entsenden, während Putin wieder vermehrt auf deren Schlagkraft statt auf die Söldner von Prigoschins Wagner-Truppe setzen will.
«Russische Waffensysteme sind unterlegen»
Ausserdem sei der Kreml wohl notgedrungen zur Einsicht gekommen, dass viele der im Krieg eingesetzten russische Waffensysteme den vom Westen gelieferten Pendants hoffnungslos unterlegen seien. Es fehle aber auch an Munition – in der Vergangenheit klagte etwa Jewgeni Prigoschin wiederholt, dass seine Wagner-Kämpfer keine Artilleriegranaten und andere Geschosse mehr bekommen würden.
Auch der Gedanke an einen Einsatz der russischen Luftwaffe, der für einen effektiven Vorstoss wohl unabdingbar wäre, dürfte den Strategen im Kreml Kopfzerbrechen bereiten. Seit Kriegsbeginn verzeichnen die russischen Piloten nämlich keine gute Bilanz – viele für den Bau neuer Jets benötigte Elektronik-Teile dürften wegen der westlichen Sanktionen in Russland nicht mehr erhältlich sein, und der Kreml verliert reihenweise Flugzeuge.
Russland konnte Lufthoheit nie sichern
Trotz zahlenmässiger Überlegenheit und moderneren Flugzeugen verlor Russland laut der OSINT-Plattform Oryxspioenkop.com bereits 79 Flugzeuge, während die ukrainische Luftwaffe den Verlust von insgesamt 61 Flugzeugen hinnehmen musste. Auch gelang es dem Kreml nie, die Lufthoheit für sich zu gewinnen.
Der Nato-Beamte fasst den Krieg kurz und bündig unter dem Motto «Quantität gegen Qualität» zusammen. Während Russland in grosser Zahl schlecht ausgebildete und entbehrliche Menschen und mit extrem viel ungerichteter Artilleriemunition und ungenauen Raketen kämpft, halte die Ukraine mit wenig, dafür gut ausgebildeten Soldaten und westlichen Präzisionswaffen dagegen.
Ein weiterer Punkt seien die extrem hohen Verluste auf russischer Seite. «Im Juli letzten Jahres lag diese Zahl bei 173 pro Tag, während im Februar dieses Jahres 824 russische Soldaten und Söldner pro Tag getötet oder verletzt wurden.» Damit seien die Verluste auf russischer Seite «um ein Vielfaches höher» als auf jene der Ukrainer.
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