Frank-Zeichen: Mythos oder Indikator für Herzkrankheiten?

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FaktencheckGibt das Frank-Zeichen wirklich Aufschluss über die Herzgesundheit?

Der Blick aufs Ohrläppchen soll verraten, wie es um die Herzgesundheit steht. Das zumindest behauptet ein Mediziner auf Tiktok. Schweizer Mediziner sagen etwas anderes.

Das Video zum sogenannten Frank-Zeichen von Mahyar Maddahali – laut seinem Linkedin-Profil Mediziner und Social-Media-Creator – hat auf verschiedenen Plattformen mehrere 10'000 Userinnen und User erreicht.
In dem Clip sagt er, das Frank-Zeichen – eine diagonale Falte am Ohrläppchen – stehe «stark mit koronarer Herzkrankheit in Verbindung».
«Wenn dein Ohrläppchen so aussieht, möchtest du vielleicht einen Kardiologen aufsuchen», sagt Maddahali, der sich auf Social Media Dr. Max nennt.
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Das Video zum sogenannten Frank-Zeichen von Mahyar Maddahali – laut seinem Linkedin-Profil Mediziner und Social-Media-Creator – hat auf verschiedenen Plattformen mehrere 10'000 Userinnen und User erreicht.

Tiktok/@itsdrmax

Darum gehts

  • Der Tiktok-User @itsdrmax behauptet, dass das Frank-Zeichen am Ohrläppchen ein Hinweis auf koronare Herzkrankheit sein kann.

  • Schweizer Kardiologen sehen das anders und betonen, dass das Frank-Zeichen in der modernen Medizin keine Relevanz hat und in internationalen Richtlinien nicht erwähnt wird.

  • Studien zeigen uneinheitliche Ergebnisse.

  • Das Frank-Zeichen sollte nicht als alleiniges Diagnosekriterium für Herzkrankheiten verwendet werden.

«Wenn dein Ohrläppchen so aussieht, möchtest du vielleicht einen Kardiologen aufsuchen.» Mit diesen Worten beginnt Tiktok-User @itsdrmax seine Vorstellung des sogenannten Frank-Zeichens. Der Clip findet sich auch auf seinem Instagram- und seinem Facebook-Account. Als Frank-Zeichen bezeichnen Medizinerinnen und Mediziner eine diagonale Falte am Ohrläppchen (siehe folgende Bildstrecke), die bei manchen Menschen auftritt. Andere Menschen haben sie nicht.

Das Frank-Zeichen ist nach seinem Entdecker benannt: Der US-Lungenfacharzt Sanders T. Frank entdeckte es 1973 bei Patientinnen und Patienten, die an Angina Pectoris – Brustenge – litten.
Frank beschrieb damals erstmals den Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieser Hautfalte und dem Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung. (Im Bild: Vollständige diagonale Ohrläppchenfalte)
Das Frank-Zeichen kann ein- oder beidseitig auftreten und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. (Im Bild: Als leicht, mässig und schwer eingestufte Ohrläppchenfalte)
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Das Frank-Zeichen ist nach seinem Entdecker benannt: Der US-Lungenfacharzt Sanders T. Frank entdeckte es 1973 bei Patientinnen und Patienten, die an Angina Pectoris – Brustenge – litten.

Getty Images

Das Frank-Zeichen – auch diagonale Ohrläppchenfalte genannt – soll laut Mahyar Maddahali, wie der User laut seiner in seinem Profil verlinkten Website mit richtigem Namen heisst, «stark mit koronarer Herzkrankheit in Verbindung» stehen. Doch so ist es nicht.

Schweizer Mediziner sind anderer Meinung

Mediziner aus der Schweiz sehen das anders. Auf Anfrage von 20 Minuten teilt Stefan Blöchlinger, Leiter der Klinik für Kardiologie am Kantonsspital Winterthur, mit, dass das Frank-Zeichen in der modernen Medizin keine Relevanz mehr hat. Auch Michael Schmid, Leiter Ambulatorium Kardiologie am Inselspital Bern, sieht es so: «In den internationalen Richtlinien wird das Zeichen nicht erwähnt.» Frank Ruschitzka, Direktor der Klinik für Kardiologie am Unispital Zürich, nennt die Gründe: «Nach aktueller Datenlage ist ein Zusammenhang zwischen Frank-Zeichen und koronarer Herzkrankheit nicht eindeutig belegt.» Die diagnostische Genauigkeit sei unzureichend.

«Nach aktueller Datenlage ist ein Zusammenhang zwischen Frank-Zeichen und koronarer Herzkrankheit nicht eindeutig belegt.»

Frank Ruschitzka, Direktor der Klinik für Kardiologie am Unispital Zürich

Eine sichere Abklärung sei aber wichtig, so Ruschitzka: «Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen über 20'000 Todesfälle pro Jahr und sind damit die häufigste Todesursache in der Schweiz.»

Als wichtigste beeinflussbare Risikofaktoren nennt er hohen Blutdruck, erhöhte Cholesterinwerte, Diabetes, Rauchen, Adipositas und Bewegungsmangel. Schmid nennt zusätzlich noch eine weitere, nicht beeinflussbare Rolle: die Vererbung.

Wie sehen deine Ohren aus?

Das sagt die Forschung zum Frank-Zeichen

Es gibt zahlreiche Studien und Fallberichte, in denen der Zusammenhang zwischen dem Frank-Zeichen und einer koronaren Herzkrankheit untersucht wurde. Die Arbeiten unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Herangehensweise, der Zahl der Probandinnen und Probanden und auch hinsichtlich ihrer Ergebnisse. Denn eindeutig ist die Studienlage nicht.

Auch jüngere Arbeiten geben kein klares Bild: So kam ein polnisches Forschungsteam nach der Auswertung von 13 Querschnittsstudien mit 3951 Patientinnen und Patienten im «Journal of Clinical Medicine» zu dem Schluss, dass die diagnostische Genauigkeit der diagonalen Ohrläppchenfalte zur Erkennung chronischer Koronarsyndrome unzureichend ist. Die Sensitivität lag zwischen 26 und 90 Prozent, die Spezifität zwischen 32 und 96 Prozent (siehe Box). Das blosse Vorhandensein oder Fehlen sollte die klinische Behandlung der Patienten nicht beeinflussen. Das Frank-Zeichen könnte lediglich als Teil der körperlichen Untersuchung betrachtet werden.

Sensitivität? Spezifität?

Für die Zuverlässigkeit von Tests gibt es zwei wesentliche Parameter: Die Sensitivität gibt an, bei welchem Prozentsatz erkrankter Patienten die jeweilige Krankheit durch die Anwendung des Tests tatsächlich erkannt wird. Es gilt: Je höher die Sensitivität eines Tests ist, desto sicherer erfasst er die Erkrankung.

Die Spezifität gibt den Prozentsatz an, zu dem nicht infizierte Personen als gesund erkannt werden. Ein Test mit einer Spezifität von 95 Prozent liefert bei fünf von 100 Gesunden ein falsch positives Ergebnis. In anderen Worten: Der Test zeigt bei 95 von 100 gesunden Personen ein negatives Resultat, bei fünf erkennt er fälschlicherweise eine Erkrankung.

Rechtsmedizinerinnen und -mediziner des Uniklinikums Bonn und der Universität Göttingen kamen im Jahr darauf im Fachjournal «Forensic Science, Medicine and Pathology» zu einem anderen Ergebnis. Das Team verglich Bildmaterial von 165 Verstorbenen (115 männlich, 50 weiblich) mit deren Autopsiedaten. Auch das Alter wurde berücksichtigt.

«Ihr Kardiologe kennt Ihren Gesundheitszustand und andere Risikofaktoren besser als jeder andere im Internet!»

Mahyar Maddahali alias @itsdrmax

Ergebnis: Das Vorhandensein des Frank-Zeichens wurde mit einer koronaren Herzkrankheit in Verbindung gebracht, genauso wie ein höheres Alter. Die Forschenden weisen darauf hin, dass mit steigendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit für ein Frank-Zeichen wächst. «Allerdings scheint der Einfluss des Alters bei der koronaren Herzkrankheit noch grösser zu sein als beim Frank-Zeichen.» Entsprechend scheine das Vorhandensein einer diagonalen Falte am Ohrläppchen «vor allem für jüngere Patienten von prognostischem Wert» zu sein und könnte im Rahmen von körperlichen Untersuchungen mitberücksichtigt werden. Allerdings weisen die Forschenden darauf hin, dass eine gross angelegte prospektive Kohortenstudie (siehe Box) erforderlich sei, um den Zusammenhang zwischen dem Frank-Zeichen und kardiovaskulärer Morbidität und um seine Rolle als Marker für damit verbundene Komplikationen zu klären.

Das sagt @itsdrmax dazu

20 Minuten hat auch Maddahali kontaktiert, genauso wie die Agentur DTT, die Influencer Marketing betreibt und ihn vertritt. Reagiert haben beide bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht. Auf der Website Maddahalis befindet sich jedoch ein Disclaimer, laut dem die von ihm als Dr. Max veröffentlichten Informationen «nicht als Ersatz für eine professionelle medizinische Beratung durch Ihren Arzt oder einen anderen Gesundheitsdienstleister gedacht» sind. Jeder Ratschlag sollte zunächst vom Hausarzt oder der Hausärztin überprüft werden.

Das bekräftigt er auch in den Kommentaren unter dem Instagram-Post zum Frank-Zeichen. Auf Nachfrage einer Userin, was sie davon halten solle, wenn ihr Kardiologe trotz Vorhandensein des Frank-Zeichens nicht besorgt sei, antwortet Maddahali: «Ihr Kardiologe kennt Ihren Gesundheitszustand und andere Risikofaktoren besser als jeder andere im Internet!»

Instagram/@itsdr.max

Fazit

Die Aussagekraft des Frank-Zeichens ist umstritten und wird in der Fachwelt diskutiert. Dass die diagonale Falte am Ohrläppchen «stark mit koronarer Herzkrankheit in Verbindung» steht, wie von Maddahali behauptet, gibt der aktuelle Forschungsstand nicht wieder. Das Zeichen kann allenfalls als ein zusätzlicher Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen gewertet werden. Es sollte jedoch nicht als alleiniges Diagnosekriterium verwendet werden. Laut den von 20 Minuten befragten Kardiologen hat es in der modernen Medizin keine Bedeutung mehr. Es wird in den internationalen Richtlinien nicht erwähnt.

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