GeschlechtsidentitätDo (55) ist nicht binär: «Uns gibt es nicht erst seit ein paar Jahren»
Do möchte zeigen, dass nicht binäre Menschen nicht einfach einen Trend mitmachen. Darum kämpft Do um die Sichtbarkeit und Existenz nicht binärer Menschen in der Schweiz.
Darum gehts
Do (55) ist nicht binär und spricht über die Vielfalt von nonbinären Personen.
Trotz Ängsten vor Hassnachrichten und Diskriminierung möchte Do sichtbar sein und setzt sich für die Rechte nicht binärer Menschen ein.
Die Organisation «We Exist» fordert einen dritten Geschlechtseintrag in der Schweiz, um die Anerkennung aller Geschlechtsidentitäten zu erreichen.
«Uns gibt es überall – auch als Beamte beim Kanton.» Do (55) steht mit Regenschirm, Mantel und vollgepackten Taschen vor dem Regenbogenhaus in Zürich. Leicht nervös wirkt Do, denn heute spricht Do das erste Mal in der Öffentlichkeit über das Leben als nicht binäre Person. «Ich konnte kaum schlafen und wusste nicht, ob ich das Interview absagen soll oder nicht», sagt Do mit Basler Akzent. Mittlerweile lebt Do mit den drei Kindern in Zürich. Und seit ein paar Jahren kann Do benennen, was Do ist.
«Ich bin nicht binär»
«Nonbinarität ist keine Modeerscheinung oder ein Trend der Generation Z», so Do. «Ich bin weder jung noch gibt es uns erst seit ein paar Jahren. Uns hat es schon immer gegeben, jetzt gibt es halt einfach einen Begriff dafür.» Und obschon Do Angst vor Hassnachrichten habe, sei es für Do trotzdem wichtig, dass es Vorbilder gebe, die für alle einstehen.
«Nonbinarität ist keine Modeerscheinung oder ein Trend der Generation Z»
Die Reise zu sich selbst sei für Do ein langer Prozess gewesen. Das ausschlaggebende Ereignis für Do war, als der Bundesrat verkündete, dass es keinen Eintrag für ein drittes Geschlecht geben würde und die Gesellschaft noch nicht bereit dafür sei.
Um sich dagegen zu wehren, habe sich Do einer Demonstration angeschlossen – und dann gemerkt: «Der Begriff nicht binär beschreibt auch mich und meine Geschlechtsidentität.» Auch die Arbeit in der Bibliothek des Regenbogenhauses und Kontakte mit jungen Menschen hätten Do geholfen.

Do setzt sich für die Sichtbarkeit und Rechte von nicht binären Menschen in der Schweiz ein.
20min/Shanice Bösiger«Meine Kinder waren überhaupt nicht überrascht»
Gespräche über Dos Nonbinarität mit der Familie hat Do positiv in Erinnerung. «Meine Kinder waren überhaupt nicht überrascht», erzählt Do. Der 20-jährige Sohn habe lediglich eine Bitte gehabt, wie er 20 Minuten erzählt: «Ich hoffte nur, dass ich meine Mama immer noch Mama nennen konnte.» Und auch die 16-jährige Tochter habe die 55-Jährige bestärkt: «Du bist, wer du bist. Und meine Mama.»
«Aber die Zeit ist gekommen und ich möchte, dass wir sichtbar werden.»
Normalerweise verzichtet Do auf Pronomen und beschreibt sich selbst als Elternteil. «Es wäre schön, wenn die Menschen einfach fragen würden, welche Pronomen ich bevorzuge, aber ich bin nicht nachtragend, wenn jemand aus Unwissenheit das falsche Pronomen benutzt.» Jedoch gebe es einen Unterschied zwischen denen, die es gut meinten, und denen, die Do absichtlich falsch ansprächen.
Studiert hat Do Umweltwissenschaften und leitet aktuell Projekte bei einer kantonalen Verwaltung. Im beruflichen Umfeld habe Do bis jetzt nicht über die Nonbinarität gesprochen, aus Sorge, falsch verstanden zu werden, oder dass Dos Kompetenz dadurch infrage gestellt werden könnte. «Darum sind Aufklärungsangebote durch die Arbeitgeber so wichtig.» Auch habe Do Respekt vor möglichem Hass im Netz. «Aber die Zeit ist gekommen und ich möchte, dass wir sichtbar werden. In der Schweiz leben um die 150’000 nicht binäre Personen. Das ist die Anzahl Bewohnende der Stadt Bern», sagt Do.
Braucht es
einen dritten Geschlechtseintrag?
Dritter Geschlechtseintrag
Um dieses Ziel zusammen zu erreichen, wurde die Kampagne «We Exist» ins Leben gerufen. Sie setzen sich für die Sichtbarkeit und Rechte von nicht binären Menschen in der Schweiz ein und kämpfen für die Anerkennung aller Geschlechtsidentitäten – auch Do ist Mitglied. «Unsichtbar sein macht unsere Lebenslage rechtlich unsicher und zwingt uns jeden Tag dazu, ein Geschlecht vorzuspielen, das wir nicht haben. Das ist psychisch belastend und könnte ganz einfach behoben werden», sagt Do.
Dazu fordert «We Exist» einen dritten Geschlechtseintrag: «Dies hilft uns, gesund zu bleiben und die gleiche Sicherheit zu erhalten, wie Frauen und Männer diese jeden Tag selbstverständlich erfahren. Es ist nicht so, dass wir jemandem die Identität wegnehmen wollen», sagt Do weiter. Aktuell haben die Aktivisten für ihre Pläne ein Crowdfunding lanciert: «Wir brauchen Geld, Räume und Ressourcen, um diesen Prozess voranzubringen.» Do habe aber ein gutes Gefühl: «Ich glaube, dass die Gesellschaft offen dafür ist – und seit Nemos Sieg wissen jetzt viele, dass es uns gibt.»
Wirst du oder wird jemand, den du kennst, aufgrund der Geschlechtsidentität diskriminiert?
Hier findest du Hilfe:
Gleichstellungsbüros nach Region
Gleichstellungsgesetz.ch, Datenbank der Fälle aus Deutschschweizer Kantonen
Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann
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