«Man wird das Grosi nicht mehr mit dem Auto am HB abholen können»

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Zürcher Hauptbahnhof«Man wird das Grosi nicht mehr mit dem Auto am HB abholen können»

Die Stadt Zürich will die Verkehrsführung um den Hauptbahnhof neu gestalten. Alles rund um den HB soll zum Park werden, dafür werden Strassen und Autos verbannt sowie Tramgleise reduziert. Das sorgt für Kritik.

Die Stadt Zürich will rund um den Bahnhof Zürich mehr Grünflächen zum Flanieren bauen.
Der Hauptbahnhof soll für Fussgänger entspannter werden.
Es soll eine «Grüne Spitze» entstehen. Mit dem Auto über den Bahnhofplatz Richtung Gessnerallee zu fahren, wäre nicht mehr möglich.
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Die Stadt Zürich will rund um den Bahnhof Zürich mehr Grünflächen zum Flanieren bauen.

Visualisierung Studio Vulkan

Darum gehts

  • Die Stadt Zürich plant, den Verkehr um den Hauptbahnhof drastisch zu reduzieren und mehr Raum für Grünflächen und Fussgänger zu schaffen.

  • Kritiker, wie der SVP-Gemeinderat Stephan Iten, sehen darin eine Abwertung des HB als Verkehrsknotenpunkt und eine Benachteiligung des motorisierten Verkehrs.

  • Die Umsetzung der Pläne wird hohe Kosten verursachen und ist abhängig von möglichen Zustimmungen des Kantons und der Stimmbevölkerung.

Die Stadt Zürich plant, den Verkehr rund um den Hauptbahnhof (HB) drastisch zu reduzieren und mehr Grün- sowie Fussgängerflächen zu schaffen. Autos sollen nahezu verbannt werden.

Die Pläne sehen vor, den Autoverkehr vor dem und um den Bahnhof und beim Central stark einzuschränken. Heute fahren täglich bis zu 10'000 Fahrzeuge über die Walchebrücke, künftig sollen es drastisch weniger sein. Mit dem Auto über den Bahnhofplatz Richtung Gessnerallee zu fahren, wäre nicht mehr möglich.

Infografik zur geplanten Umgestaltung am Zürich HB.
Die roten Strecken sollen alle autofrei werden.

Infografik zur geplanten Umgestaltung am Zürich HB. Die roten Strecken sollen alle autofrei werden.

20min/Damian Luginbühl

SVP-Gemeinderat Stephan Iten kritisiert das Vorhaben. «Alle Verkehrsteilnehmer wurden berücksichtigt, ausser der motorisierte Individualverkehr», sagt Iten.

Gehbehinderte Menschen würden benachteiligt

Für Iten bedeutet das eine Abwertung des HB als Verkehrsknotenpunkt. «Man kann nicht mal mehr das Grosi zum HB bringen oder abholen», kritisiert er und fragt sich, wie die SBB reagieren werden. «2017 war der Auftrag an den Stadtrat, ein Verkehrskonzept für alle zu erstellen – alle Parteien haben das unterschrieben.» Stattdessen sei ein «ideologisches, links-grünes Träumli» herausgekommen.

Auch der Automobil Club der Schweiz (ACS) kritisiert die Pläne der Stadt Zürich scharf. Ruth Enzler, Präsidentin des ACS Zürich, sagt: «Ein Verkehrsverbot rund um den HB beeinträchtigt die Zugänglichkeit und behindert den Individualverkehr, ohne dass nachhaltige Alternativen konkret aufgezeigt wurden.»

Zusätzliche Belastung für Quai- und Hardbrücke

Ein autofreier HB wäre laut ACS «ein klares Zeichen dafür, dass auf Kosten der Erreichbarkeit eine ideologisch gefärbte Verkehrspolitik vorangetrieben wird». Personen, die auf Autos angewiesen sind, wie Gehbehinderte oder ältere Menschen, würden in ihrer Mobilität benachteiligt.

Ein blockierter HB hätte massive Auswirkungen, erklärt Enzler. «Das könnte zu unnötigen Umwegen und einer zusätzlichen Belastung der umliegenden Wohngebiete führen.»

Überregional würde sich der Verkehr zwangsläufig auf alternative Routen verlagern, wie die Quaibrücke und die Hardbrücke, die bereits stark belastet sind. Für den Berufsverkehr bedeutet dies längere Anfahrtswege.

Auch Tramverkehr wird reduziert

Auch der öffentliche Verkehr ist betroffen: Künftig sollen nur zwei Tramgleise statt vier über den Bahnhofplatz führen. Haltestellen sollen verlegt oder abgeschafft werden – etwa am künftig tramfreien Löwenplatz. «Die Reduktion von vier auf zwei Tramgleise ist sinnlos», meint Iten. «Der HB ist ein Hochleistungsknotenpunkt und muss funktionieren.»

Nicht nur Iten, auch Vertreter des innerstädtischen Gewerbes und des ÖV kritisieren die Pläne. Guido Schoch, Ex-VBZ-Direktor, sieht die Reduktion der Tramspuren kritisch. «Schon heute ist das System am Anschlag. Die Halbierung auf zwei Spuren wird zu chaotischen Verhältnissen im ÖV führen», sagt Schoch gegenüber der NZZ.

«Läuft auf ein autofreies Zürich hinaus»

Iten befürchtet: «Es läuft auf ein völlig autofreies Zürich hinaus.» Besonders für den Güterverkehr sei das problematisch, wie er anhand einer Anekdote beschreibt: «Ein Moderator fragte bei einer Infoveranstaltung zum grünen HB, wie er mit seinen Lautsprecherboxen zum Bahnhof komme, und eine Mitarbeiterin vom Tiefbauamt meinte, man könne ‹nicht auf alle Einzelfälle Rücksicht nehmen›.»

Auch der ACS sieht die Gefahr, dass ein autofreier HB erst der Anfang sei. Enzler: «Ein verkehrsfreier Hauptbahnhof würde als Präzedenzfall für weitere Einschränkungen des motorisierten Verkehrs in Zürichs Innenstadt genutzt.» Damit würden schrittweise mehr Zonen für Autofahrer unzugänglich. «Das würde langfristig nicht nur die Mobilität, sondern auch die Attraktivität Zürichs als Wirtschaftsstandort gefährden.»

Kosten wohl im dreistelligen Millionen-Bereich

Wie viel die Parks rund um den HB kosten würden, ist unklar. Inklusive neuer Haltestellen dürfte laut NZZ ein dreistelliger Millionenbetrag zustande kommen.

Die Frage, wie sich der Verkehr auf andere Stadtgebiete verlagern wird, bleibt ungelöst. Die zuständige Stadträtin Simone Brander wollte gegenüber 20 Minuten keine Stellung nehmen, weil das Vorhaben im Stadtrat noch nicht traktandiert war.

Die Pläne sollen im Stadtrat laut NZZ jedoch im Frühjahr 2025 als Masterplan verabschiedet werden. Ob sie so umgesetzt werden, ist fraglich – zum einen braucht die Stadt möglicherweise die Zustimmung des Kantons, weil es sich teilweise um Kantonsstrassen handelt, zum anderen könnte das Stimmvolk das letzte Wort haben.

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