Niederlande«Hört auf Pädophile zu jagen, hört auf sie festzuhalten»
In den letzten Monaten kam es in den Niederlanden zu über 250 Fällen von Gewalt oder Erpressung von angeblichen Pädophilen. Die Polizei warnt die Pädo-Jäger davor, ihrerseits gegen das Gesetz zu verstossen.
Darum gehts
In den Niederlanden wurden in den letzten Monaten in drei Fällen Jugendliche wegen Misshandlung festgenommen.
Im November starb ein 73-Jähriger, nachdem er von mindestens 7 Jugendlichen verprügelt worden war.
Justiz und Polizei in den Niederlanden warnen davor, Selbstjustiz auszuüben und sich selber strafbar zu machen.
Die niederländische Justiz ist besorgt über die Zunahme von Gruppen, die Jagd auf angebliche Pädophile machen. Die Vorfälle von Misshandlungen nähmen zu, sagte Polizeisprecher Simen Klok der Deutschen Presseagentur in Arnheim. Im vergangenen Jahr waren innerhalb von drei Monaten etwa 250 Fälle von Gewalt oder Erpressungen registriert worden. Auch in diesem Jahr wurden bereits mehrere Fälle registriert. Die Polizei schätzt, dass die Dunkelziffer gross ist. Viele Opfer würden aus Scham oder Angst schweigen.
Zuletzt waren drei Fälle bekannt geworden, bei denen die Polizei an verschiedenen Orten vorwiegend jugendliche Täter wegen Misshandlung festgenommen hatte. Sie hatten den Angaben zufolge Männer über einen Internet-Chat zu einem Treffpunkt gelockt, wo sie angeblich eine Verabredung mit einem minderjährigen Mädchen hatten. Dort waren die Männer misshandelt worden.
In die Falle von Jugendlichen getappt
Im vergangenen Jahr war bei einem ähnlichen Fall ein 73-jähriger Mann getötet worden. Wie «Focus» berichtet, hatte er sich im Internet mit einem Minderjährigen zum Sex verabredet. Als er am Treffpunkt erschien, stellte sich heraus, dass ihm eine Gruppe Jugendlicher eine Falle gestellt hatte. Sie sollen ihn gemäss Bericht verfolgt und so schwer verprügelt haben, dass er später an seinen Verletzungen starb. Wie die Polizei bekanntgab, habe der 73-Jährige gewusst, dass sein Chatpartner minderjährig sei. Beweise für frühere sexuelle Kontakte mit Minderjährigen habe es aber nicht gegeben.
In der Folge wurden sieben Teenager verhaftet. Der Anwalt eines 15-jährigen Beteiligten erklärte, die Idee zur Pädophilenjagd sei «in der Langeweile der Corona-Zeit entstanden». Die sogenannten Pädo-Jäger wollen Pädophile entlarven und an den Pranger zu stellen. Sie organisieren sich dafür oft auf Facebook. Die Gruppen «Pedohuntnl» hat beispielsweise fast 5000 Mitglieder.
«Sie machen sich strafbar – überlasst die Jagd uns»
Polizei und Staatsanwaltschaft warnen die Gruppen davor, das Recht in eigene Hände zu nehmen. «Sie machen sich strafbar», sagte der Sprecher. Die Verfolgung von Kindesmissbrauch sei Sache der Polizei. Sexuelle Gefühle für Kinder sind nicht strafbar. Verboten ist es erst, wenn sich ein Erwachsener an einem Kind vergreift.
Oscar Dros, Polizeichef der Einheit Ost-Niederlande, richtete im «Allgemeen Dagblad» einen Aufruf an die Jugendlichen: «Hört auf Pädophile zu jagen; hört auf sie festzuhalten, hört auf zu provozieren – überlasst das uns.» Nur so könnten weitere Todesfälle verhindert und Unschuldige geschützt werden. «Die Beweise, die diese Bürger glauben zu haben, sind oft hauchdünn», so Dros.
Serie zu Pädophilie und sexueller Gewalt an Kindern
Teil 1: Pascal (45): «Ich wurde als Kind jahrelang sexuell misshandelt»
Teil 2: Philipp (28): «Ich bin pädophil, aber ich werde nie ein Kind anfassen»
Teil 3: Marion (51): «Mein Ex-Mann ist pädokriminell und sitzt im Gefängnis»
Teil 4: Sandra (58): «Ich bin mitschuldig, dass mein Sohn sexuell misshandelt wurde»
Teil 5: Kapo St. Gallen: «Der Konsum von Kinderpornos nimmt wegen Corona zu»
Bist du oder jemand, den du kennst, pädophil oder von Pädokriminalität betroffen?
Hier findest du Hilfe:
Castagna, Opferhilfe für sexuell ausgebeutete Kinder und Bezugspersonen
Kokon, Beratungsstelle und Hotline für Betroffene von körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
Bist du selbst pädophil und möchtest nicht straffällig werden? Hilfe erhältst du beim Institut Forio und bei den Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel (UPK).