«Gefundenes Fressen für Pädophile»: Empörung über Shein-Werbung

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Kindermode«Gefundenes Fressen für Pädophile»: Empörung über Shein-Werbung

Eine 20-Minuten-Leserin entdeckte auf Facebook eine Werbung von Shein Kids, die junge Mädchen in aufreizenden Posen zeigt. Laut einer Expertin steckt dahinter ein gesellschaftliches Problem.

Das Mädchen links posiert in einem hautengen Kleid – das andere Mädchen formt mit den Lippen einen Kussmund.
Auch Fanny de Tribolet-Hardy findet die Bilder problematisch. Sie ist Leiterin der Präventionsstelle Pädosexualität der Forensischen Psychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Zürich. (Symbolbild)
«Um die Sexualisierung von Kindern in den Medien und auf Social-Media-Plattformen zu bekämpfen, muss die Gesellschaft handeln», sagt Tamara Parham, Leiterin Kommunikation der Stiftung Kinderschutz Schweiz. (Symbolbild)
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Das Mädchen links posiert in einem hautengen Kleid – das andere Mädchen formt mit den Lippen einen Kussmund.

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Darum gehts

  • Eine 20-Minuten-Leserin hat sich über eine Werbung von Shein Kids empört, die junge Mädchen in sexualisierten Posen zeigt.

  • Eine Expertin kritisiert die Darstellung als gesellschaftliches Problem, das besonders für pädophile Betroffene problematisch ist.

  • Die Expertin fordert mehr Verantwortung von Unternehmen und Eltern, um Kinder zu schützen.

Ein News-Scout sah auf Facebook eine Werbung von Shein Kids – und ist empört: «Das eine Mädchen posierte in einem hautengen Minirock, das andere schaute mit lasziven Blick und gespreizten Beinen in die Kamera», so der News-Scout. Die Mädchen seien wahrscheinlich keine zwölf Jahre alt – würden aber posieren wie erwachsene Frauen. «Es ist total problematisch und ich finde, Firmen, die solche Werbung verbreiten, sollten zur Rechenschaft gezogen werden.»

Kinder sollten ihrer Meinung nach generell nicht so dargestellt werden: «Sie könnten doch einen Ball in der Hand halten zum Beispiel. Das sind keine natürlichen Posen eines Kindes.» Die Zürcherin habe bei ihrer Arbeit in einer Psychiatrie öfter mit Pädophilen zu tun – ein Grund mehr, weshalb sie die Werbung kritisch sieht: «Ein gefundenes Fressen für Pädophile, die solche Bilder als Vorlagen für ihre sexuellen Fantasien benutzen.»

Sexualisierte Kinderbilder seien ein gesellschaftliches Problem

Auch Fanny de Tribolet-Hardy findet die Bilder problematisch. Sie ist Leiterin der Präventionsstelle Pädosexualität der Forensischen Psychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) Zürich. «Ich kann die Empörung der Leserin gut nachvollziehen – Kinder sollten per se nicht sexualisiert dargestellt werden, unabhängig von Pädophilie», so de Tribolet-Hardy. Generell seien solche Bilder ein gesellschaftliches Problem: «Kinder sollten niemals als Sexobjekte dargestellt werden, da dies eine Normalisierung solcher Inhalte begründen kann», sagt die Psychologin.

Das sagt der Kinderschutz

Tamara Parham, Leiterin Kommunikation der Stiftung Kinderschutz Schweiz, im Interview zur Shein-Kids-Werbung.

Frau Parham, wie bewerten Sie die Darstellung von Kindern in Werbekampagnen wie der von Shein Kids?
Die Darstellung von Kindern in Werbekampagnen wie der von Shein, in denen sexualisierte Darstellungen gezeigt werden, ist zutiefst problematisch und stellt nur die Spitze des Eisbergs dar. Sie ist Teil eines Systems, das sowohl die Ausbeutung von Kindern in der Produktion durch Kinderarbeit als auch deren missbräuchliche Darstellung in den Medien umfasst – beides ist ein absolutes No-go und darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.

Welche Auswirkungen können solche Bilder auf Kinder und Jugendliche haben, sowohl in Bezug auf ihr Selbstbild als auch auf ihre Sicherheit?
Die Darstellung von Kindern in sexualisierten Bildern kann das Selbstbild von Kindern und Jugendlichen erheblich verzerren und zu psychischen Belastungen wie einem niedrigen Selbstwertgefühl führen. Bilder, wie in dieser Kampagne, machen Kinder zudem anfälliger für Cybersexualdelikte.

Was kann die Gesellschaft insgesamt tun, um das Problem der Sexualisierung von Kindern in den Medien und auf Social-Media-Plattformen zu bekämpfen?
Um die Sexualisierung von Kindern in den Medien und auf Social-Media-Plattformen zu bekämpfen, muss die Gesellschaft handeln. Das Recht der Kinder auf Privatsphäre muss respektiert, ihre Medienkompetenz gestärkt und Eltern im Umgang mit Kinderbildern sensibilisiert werden. Es braucht leicht verständliche Schutzstrategien und niederschwellige Hilfsangebote für alle Schutzverantwortlichen. Zudem sollten Apps und Plattformen standardmässig den Datenschutz für Kinder gewährleisten, einschliesslich Alterskontrollen. Eine Plattformregulierung, die die Rechte der Kinder schützt, ist ebenfalls erforderlich.

Komplette Reizüberflutung auf Social Media

Patienten mit Pädophilie würde sie empfehlen, keine Social-Media-Kanäle zu nutzen: «Die Reizüberflutung auf den Plattformen ist riesig. Sehr junge Mädchen und Jungen sind auf Social Media stark vertreten, und viele von ihnen stellen auch selbst Bildmaterial online». Diese Entwicklung sei besorgniserregend, da immer mehr sexualisierte Inhalte von Jugendlichen selbst produziert und geteilt würden. «Sexualisierte Bilder von Kindern und Jugendlichen verstärken kognitive Verzerrungen – beziehungsweise falsche Annahmen betreffend Kindern bei Menschen mit Pädophilie» – Menschen mit sexuellen Neigungen zu Kindern werde so suggeriert, dass solche Darstellungen normal seien und die sexuelle Intention dahinter von Kindern verstanden und gewollt werde.

Die Gesellschaft trägt Verantwortung

Laut de Tribolet-Hardy sollten die Unternehmen in Bezug auf die Inhalte mehr Verantwortung übernehmen. Es sei nicht nötig, die Kleidung auf diese Art und Weise zu präsentieren. «Auf Social Media tragen unter anderem auch Eltern eine wichtige Verantwortung. Bilder eigener Kinder sollten zurückhaltend geteilt werden. Weiter ist zu reflektieren, welche Botschaften durch Kleidung und Posing transportiert werden können und Jugendliche betreffend der Wirkung auf Social Media aufzuklären.»

Shein reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage von 20 Minuten.

Bist du minderjährig und von sexualisierter Gewalt betroffen? Oder kennst du ein Kind, das sexualisierte Gewalt erlebt?

Hier findest du Hilfe:

Polizei nach Kanton

Kokon, Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Castagna, Beratungsstelle bei sexueller Gewalt im Kindes- und Jugendalter

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Bist du selbst pädophil und möchtest nicht straffällig werden? Hilfe erhältst du bei Forio, Beforemore und bei den UPK Basel.

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