Markanter AnstiegKrank im Sommer: Junge leiden an Lungenentzündungen
Halsschmerzen, Husten und leichtes Fieber: Im Vergleich zur Vorpandemiezeit haben sogenannte Mykoplasmen-Lungenentzündungen bei Jungen markant zugenommen. Ärzte erörtern die Gründe dafür.
Darum gehts
Die Zahl der Lungenentzündungen hat sich im Vergleich zur Vorpandemiezeit verdoppelt.
Vor allem junge Erwachsene und ältere Kinder sind betroffen, oft durch Mykoplasmen verursacht.
Gründe für die Zunahme sind Post-Covid-Effekte und eine systematischere Diagnostik von Atemwegsinfektionen.
Seit zehn Tagen liegt M.* (29) flach – begonnen habe es mit Grippesymptomen wie Schnupfen, leichtem Fieber und Halsschmerzen. «Da es nach einigen Tagen nicht besser wurde, ging ich zur Ärztin. Schnell wurde klar: Lungenentzündung.» Auch C.G.* (27) hatte mehrere Tage mit Fieber zu kämpfen. «Der Husten kam erst später dazu.» Der Arzt diagnostizierte ebenfalls eine Lungenentzündung. Beide nehmen zurzeit Antibiotika ein. «Ich bin eigentlich eine fitte Person, doch auch nach zwei Wochen Ruhe bin ich noch angeschlagen», so C.
So wie den beiden Frauen geht es derzeit vielen Menschen in der Schweiz. Das bestätigt Walter Zingg, leitender Arzt für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Unispital Zürich. Er stellt derzeit eine starke Zunahme der Lungenentzündungen fest: «Explizit ist die Zahl der Mykoplasmen-Pneumonien-Erkrankungen (siehe unten) etwa doppelt so hoch wie vor der Pandemie.»

Walter Zingg, leitender Arzt für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene am Unispital Zürich, stellt derzeit eine starke Zunahme der Lungenentzündungen fest.
USZVermehrt Junge sind betroffen
Betroffen seien Personen jeder Altersgruppe, so Zingg. Aber: «Im Unispital haben wir den Eindruck, dass vermehrt junge Erwachsene erkranken.» Stefan Roth, Kinderarzt und Vorstandsmitglied des Verbands Hausärzte Schweiz, stellt gleichzeitig fest: «Vor allem im Winter und Frühjahr sahen wir eine spürbare Zunahme von prolongiert verlaufenden Atemwegsinfektionen, vor allem bei älteren Kindern und Jugendlichen.» Genaue Zahlen gibt es nicht. Der Grund: Die Krankheit ist nicht meldepflichtig. «Meist wird die Infektion von Hausärzten behandelt und nicht im Spital», so Zingg.
Was ist eine Mykoplasmen-Lungenentzündung?
Konkret handle es sich um vermehrte Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae. Das ist ein Bakterium, das häufig Atemwegsinfektionen wie Bronchitis und atypische Lungenentzündungen verursacht. Infektionen mit Mycoplasma pneumoniae können Husten, Fieber, Halsschmerzen, Müdigkeit und manchmal Kopf- und Muskelschmerzen verursachen. Die Symptome sind oft milder als bei anderen Lungenentzündungs-Arten. Übertragen wird das Bakterium mit einer Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch, beispielsweise durch Husten oder Niesen. Mit welcher Art der Lungenentzündung sich die beiden News-Scouts genau infizierten, ist nicht klar.
So kann man sich davor schützen
So wird die Infektion behandelt
«Wenn ein Erwachsener zum Hausarzt geht, bekommt er in der Regel ein Antibiotikum verschrieben, welches auch Mykoplasmen abdeckt», so Zingg. Bei Kindern hingegen werde das Bakterium selten spezifisch behandelt, da es seltener vorkomme als andere Infektionen.
Das sind die Gründe für die Zunahme
Ähnlich wie bei anderen Infektionskrankheiten dürfte die Zunahme auf Post-Covid-Effekte zurückzuführen sein: «Vor der Covid-19-Pandemie waren Mykoplasmen saisonal gehäuft. Während der Pandemie verschwanden diese Fälle fast vollständig», so Zingg. Doch im letzten Jahr seien sie zurückgekehrt: «Und zwar in einem höheren Ausmass als vor der Pandemie.» Grund dafür sei, dass die Bevölkerung während Corona viel weniger exponiert war. Während einer Infektion mit Sars-CoV-2 sei zudem das Risiko erhöht, im Verlauf eine bakterielle Pneumonie zu entwickeln. «Nach der Infektion ist das Risiko gering», so Zingg.
Infektionen bis in den Hochsommer
Seit Covid habe sich aber auch die Diagnostik verändert: «Nun wird systematischer nach Erregern bei Atemwegsinfektionen gesucht. Das ist mit ein Grund, dass es vermehrt diagnostiziert wird.» Aussergewöhnlich sei aber, dass sich die Saison, in der die Leute erkranken, verlängert hat. Heisst: Vorher beschränkten sich die Infektionen auf die kalten Wintermonate – heute tauchen sie bis in den Hochsommer auf.
Deswegen wird die Infektion nicht immer erkannt
Laut Zingg sind klassische Lungenentzündungen im Röntgenbild und beim Abhören mit dem Stethoskop gut erkennbar. «Atypische Pneumonien – und dazu gehört die Infektion mit Mykoplasmen – sind jedoch schwieriger zu diagnostizieren, da sie weder gut sichtbar noch hörbar sind.» Das könne dazu führen, dass Mykoplasmen-Pneumonien ausserhalb der Saison möglicherweise verzögert diagnostiziert werden.
*Namen der Redaktion bekannt
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