Schweizer NeutralitätMartin Bäumle fordert Cassis auf, Putin zu Verhandlungen zu bewegen
Die Neutralität der Schweiz wird derzeit heiss diskutiert. Ein GLP-Nationalrat will Verhandlungen mit Putin, für die Linke ist es dafür zu früh. Die SVP lanciert gar eine Volksinitiative.
Darum gehts
Die Neutralität der Schweiz sorgt seit Wochen für Kritik.
GLP-Nationalrat Martin Bäumle will, dass Bundesrat Cassis auch Moskau besucht.
Mit der am Dienstag lancierten Neutralitätsinitiative soll der Begriff der Neutralität in der Verfassung geändert werden.
Befürworter der Initiative erklären, weshalb die Schweiz als Friedensstifter agieren soll.
Die Gegnerinnen und Gegner der Initiative lehnen diese klar ab – Sanktionen etwa zeigten die Positionierung der Schweiz.
Nach dem überraschenden Besuch von Bundesrat Cassis in Kiew im Oktober führt die Schweiz seit Wochen auf verschiedensten Ebenen Diskussion über traditionelle Neutralität und Solidarität mit der Ukraine.
GLP-Nationalrat Martin Bäumle setzt weiterhin auf Verhandlungen mit Putin. «Wenn Bundesrat Cassis nach Kiew geht und sich dort zeigt, wäre es super, wenn er am gleichen Tag verkünden würde, später gehe er nach Moskau», sagte er in einem Interview mit der «Schweizer Illustrierten». Die Schweiz könnte noch immer etwas bewegen – eine Verhandlung mit Putin sei der einzige Weg. «Beide Seiten müssen an den Tisch sitzen», fordert Bäumle.
«Deshalb brauchen wir diese Initiative»
Dies entspricht ebenfalls den Zielen von SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Er präsidiert das Initiativkomitee der Neutralitätsinitiative: «Die Neutralität der Schweiz ist ein Erfolgsmodell, welches uns vor zwei Weltkriegen im letzten Jahrhundert bewahrt hat.» Die Schweiz habe die Aufgabe, als Friedensstifter zu wirken und die «guten Dienste» anzubieten. «Dann helfen wir dem Frieden auf dieser Welt und nicht anders.»
Die Aussage von Bäumle findet Wobmann nicht daneben: «Wenn Bundesrat Cassis schon in der Ukraine war, warum sollte er nicht auch nach Moskau und versuchen, die zwei Konfliktparteien zusammenzubringen, um zu verhandeln?» Andererseits könne er dies nun nicht mehr, da Ukraine, Russland und auch die USA die Schweiz nicht mehr als neutral ansähen. «Deshalb brauchen wir jetzt diese Initiative, die genau festlegt, dass die ‹immerwährende, bewaffnete Neutralität› in die Verfassung gehört und sich die Regierung daran zu halten hat», so Wobmann.
«Bräuchten klare Beweise, dass Russland den Krieg beenden will»
Im Gegensatz zu Bäumle ist es für SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher noch zu früh, mit Putin zu reden: «Wir bräuchten klare Aussagen und Beweise Russlands, dass sie den Krieg tatsächlich beenden wollen.» Sie sieht auch die Neutralitätsinitiative als höchst problematisch. Diese verbiete, dass die Schweiz künftig Sanktionen aussprechen könne. «Im Beispiel des Ukrainekriegs wäre die Schweiz das einzige Land in Europa, welche diese Sanktionen nicht mittragen könnte.» Damit würde die Schweiz «den Krieg unter Umständen sogar billigen» und wäre jetzt ein Paradies für russische Oligarchen. «Wir hätten den Angriffskrieg also mitfinanziert.»
Wichtig sei auch die Unterscheidung zwischen Neutralitätsrecht und Neutralitätspolitik: Das Recht besage heute schon, dass die Schweiz etwa keine Waffen in Kriegsländer schicken dürfe. Die Neutralitätspolitik hingegen sei nicht sakrosankt definiert – das sei wichtig, damit man diese zeit- und situationsgerecht anwenden könne, so Graf-Litscher.
«Keine Verantwortung zu übernehmen heisst nicht, neutral zu sein»
Grüne-Nationalrätin Sibel Arslan findet es richtig, dass über die Neutralität-Definition diskutiert werde. Aber ohne Debatte im Parlament und mit dem Vorschlag der SVP – ohne Möglichkeit eigenständiger Sanktionen – lehne Sie die Initiative ab. «Keine Verantwortung zu übernehmen, ist nicht mein Verständnis von Neutralität».
«Ich bin auch der Meinung, dass man mit allen Parteien versuchen sollte zu sprechen und daher auch mit Putin», so Arslan. Es sei wichtig, immer das übergeordnete Interesse zu verfolgen: Frieden. «Ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir die Sanktionen übernehmen müssen und somit eine klare Positionierung zeigen – trotzdem sollte man die Türen vor Gesprächen mit den Aggressoren nicht verschliessen».
Muss die Schweiz sich stärker für Verhandlungen mit Russland und der Ukraine einsetzen?
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