Martin DahindenSchweizer Ex-Diplomat: «Habe Trump ganz anders wahrgenommen»
Der ehemalige Spitzendiplomat vertrat die Schweiz in Washington während Barack Obamas und auch Donald Trumps erster Amtszeit. In einem Interview schätzt er ein, was ab Januar vom Republikaner zu erwarten ist.
Darum gehts
Der ehemalige Schweizer Botschafter Martin Dahinden spricht über seine Erfahrungen mit Donald Trump.
Dahinden beschreibt Trump als unberechenbar, aber im persönlichen Gespräch konzentriert und sachlich.
Für die Schweiz sei es wichtig, ihre Rolle als bedeutender Investor in den USA zu betonen.
Der ehemalige Schweizer Botschafter in den USA, Martin Dahinden, hat in einem Interview über seine Erfahrungen mit Donald Trump und gesprochen und seine Einschätzung zu dessen Rückkehr ins Präsidentenamt geteilt. Während der 69-Jährige als erfahrener Diplomat seinen Favoriten für sich behält, zeigt er sich erleichtert darüber, «dass die Wahl so schnell entschieden war und keine langwierigen juristischen Verfahren» mit sich zog.
Nach Ansicht von Dahinden verhalf Trumps Fokussierung auf einfache Fragen zu Migration und Wirtschaft zum Sieg. «Das sind Fragen, die viele Amerikaner bewegen», so der Diplomat. Der Ex-Präsident bediene geschickt die isolationistische Haltung vieler Bürger, wobei «America First» für viele Amerikaner nicht nur ein Slogan, sondern eine Haltung sei. Mit diesen Fragen habe Trump seine Anhängerschaft fest hinter sich versammelt – schliesslich liefert er jeweils auch die dazugehörigen, scheinbar einfachen Lösungen.
Zwingt Trump die Demokratie in die Knie?
Während einzelne Staaten wegen Trumps Wahl massive negative Auswirkungen befürchten, sieht Dahinden die demokratischen Strukturen trotz Plänen wie dem Project 2025 in den USA nicht gefährdet: «Die amerikanischen Institutionen sind extrem widerstandsfähig», betont Dahinden im Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung».
Unberechenbar bleibe Trump auf jeden Fall: «Wie in seinem Buch ‹The Art of the Deal› beschrieben, nutzt er Unberechenbarkeit als Verhandlungstaktik», so der Diplomat. Dies sei eine völlig andere Herangehensweise als bei Obama, dessen Administration strategisch und langfristig plante. «Unter Trump galt oft das Prinzip: Opportunitäten sofort nutzen.»
Tweets bereiteten Dahinden viel Arbeit
Für die Schweiz, die derzeit in Washington von Botschafter Ralf Heckner vertreten wird, würde diese Unberechenbarkeit eine anstrengende Zusammenarbeit darstellen – etwa wegen seiner Tweets: «Der Aufwand als Botschafter wurde viel grösser: Was läuft da wieder? Ich versuchte, diese Kurznachrichten zu deuten, die ‹out of the blue› kamen und aussahen, als hätte sie Trump selbst in sein Smartphone getippt», erinnert sich Dahinden.
Im direkten Gespräch trete Trump derweil überraschend sachlich auf: «Vieles ist Politshow, jedenfalls habe ich ihn bei Treffen im Weissen Haus oder am WEF ganz anders erlebt: Er war konzentriert, professionell, stellte Fragen und kannte seine Dossiers.» Trump agiere wie ein Geschäftsmann – bilateral, pragmatisch und stets den Nutzen für die USA im Blick. Er habe auch keine Sprüche geklopft. Für die Schweiz sei daher wichtig, ihre Rolle als bedeutender Investor in den USA und Arbeitgeber zu betonen. Bescheidenheit ist hier laut dem Ex-Botschafter fehl am Platz: «Wir schaffen mehr Arbeitsplätze in den USA als andere europäische Staaten wie Italien oder Frankreich – das wissen viele Amerikaner nicht», so Dahinden.
Folgst du schon 20 Minuten auf Whatsapp?
Eine Newsübersicht am Morgen und zum Feierabend, überraschende Storys und Breaking News: Abonniere den Whatsapp-Kanal von 20 Minuten und du bekommst regelmässige Updates mit unseren besten Storys direkt auf dein Handy.