Nach der GeburtZwischen Mommy Makeover und Akzeptanz: Was Frauen durchmachen
Nach einer Geburt verändert sich der Körper – viele Frauen erleben ihn als fremd. Dennoch spüren einige den Druck, schnell wieder wie früher auszusehen.
Plötzlich funktionieren Muskeln, die sonst immer zuverlässig waren, nicht mehr wie gewohnt. Brüste werden praller, Füsse grösser und der Bauch weicher. Die Hormone fahren Achterbahn und die Rückbildung dauert länger als gedacht. Eine Schwangerschaft verändert alles – und trotzdem ist die Erwartung bei vielen hoch, nach der Geburt zur Normalität zurückzukehren.
Wie stehst du dazu, dass viele Mütter nach der Geburt unter Druck stehen, schnell wieder in ihre «alte Form» zu kommen?
«Bounce Back Culture» heisst das – und was in den Nullerjahren seine Hochzeit erlebte, kann heute immer noch Druck ausüben: «Kulturelle Schönheitsideale, mediale Darstellungen prominenter Frauen und gezielte Werbung der Fitnessindustrie für frisch gebackene Mütter können eine Rolle spielen», sagt Psychologin Dr. phil. Simona Palm. «Ein geringer Selbstwert, soziale Vergleiche und hohe Erwartungen an Selbstdisziplin verstärken diesen Druck», so die Expertin weiter.
Über die Expertin
Mommy Makeover
Stellt sich Spannkraft von Bauch und Brüsten nicht zügig wieder ein, lockt das «Mommy Makeover»: Brustvergrösserung, Bauchdeckenstraffung, Fettabsaugung, Schamlippen-Verkleinerung. Alles, um wieder auszusehen wie vor der Schwangerschaft.
Dabei rückt ein wichtiger Punkt in den Hintergrund: «Der Körper leistet Grossartiges, wenn er ein Leben erschafft», sagt Gudrun Mehring, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. «Die Gebärmutter wächst bis zur 36. Schwangerschaftswoche fast bis zum Brustbein und verdrängt dabei die umliegenden Organe».
Über die Expertin

Dr. Gudrun Mehring ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe.
www.gyn-health.ch
Zwischen Rektusdistase und Beckenbodenübungen
Das Kind braucht Platz. Dabei überdehnt auch das Bindegewebe zwischen der geraden Bauchmuskulatur so sehr, dass ein Spalt zwischen den Bauchmuskeln entsteht. Rektusdiastase nennt sich das. Nach der Geburt sollte sich dieser Spalt nach und nach schliessen – eigentlich. Bei einem Drittel ist der Spalt auch ein Jahr nach der Entbindung noch da, berichten norwegische Forschende im «British Journal of Sports Medicine».
Auch ein starker Beckenboden wird zum Thema. Was passiert, wenn dieser eher schwach ist, wird ungern erwähnt: «Das kann zu unkontrollierten Urin- aber auch Stuhlverlust führen», sagt Mehring. Deswegen empfehle sie ihren Patientinnen einen Rückbildungskurs.
Auswirkungen auf die Libido
Solche Veränderungen können zu weniger Selbstbewusstsein führen. «Die Mehrheit der Frauen kann das als natürlichen Prozess annehmen – einige Frauen empfinden ihren Körper aber als fremd», sagt Palm. Eine veränderte Körperform oder Gewichtszunahme können ebenfalls zu Verunsicherungen führen. Laut Expertin kann sich das auch negativ auf das sexuelle Wohlbefinden auswirken.
Ist das der Fall, hilft es, wenn das Gegenüber die Gefühle der Frau ernst nimmt, Verständnis zeigt und eine offene Kommunikation fördert. «Viele sind von den Leistungen des weiblichen Körpers während dieser Zeit beeindruckt – solche Rückmeldungen können helfen, den Körper aus einer neuen Perspektive zu sehen», sagt Palm.
«Viele Frauen sprechen nicht offen»
«Es ist normal, dass sich der Körper nach einer Geburt verändert, und es ist okay, wenn nicht alles sofort wieder wie vorher aussieht», sagt Gudrun Mehring. Schwangerschaften und Geburten werden oft als etwas Wunderschönes dargestellt. «Die Realität sieht aber oft anders aus», so die Gynäkologin. «Viele Frauen sprechen nicht offen über ihre Probleme wie Inkontinenz oder Hämorrhoiden, weil sie das Gefühl haben, dass es nicht zu dem positiven Bild passt, das in der Gesellschaft vorherrscht», sagt Mehring.
Laut Simona Palm kann Austausch mit anderen Müttern dazu beitragen, das eigene Erlebte einzuordnen und zu normalisieren. Unter dem Hashtag #mamakörper werden auf Instagram oder Tiktok Postpartum-Körper und Erfahrungen geteilt. Ein Blick in die Kommentare zeigt: Es geht vielen Frauen so – es wird nur bisher nicht im Alltag genügend darüber gesprochen.
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