Kritik an Schweizer Rohstoffriese: «Unsere Männer werden impotent»

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NamibiaKritik an Schweizer Rohstoffriese: «Unsere Männer werden impotent»

Der Schweizer Konzern IXM hinterlässt in Namibia laut der Koalition für Konzernverantwortung die wohl grösste Arsen-Deponie der Welt. Sie ist hochgiftig.

Arbeiter im Schmelzwerk in Namibia tragen Schutzausrüstung.
Dort lässt der Schweizer Metallhandelskonzern IXM Kupfererz verarbeiten.
Die riesige Arsen-Deponie liegt nur wenige hundert Meter neben der Kleinstadt Tsumeb (rechts oben).
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Arbeiter im Schmelzwerk in Namibia tragen Schutzausrüstung.

Koalition für Konzernverantwortung

Arsen – darum gehts

  • Ein Schweizer Konzern hinterlässt 300'000 Tonnen giftiges Arsen in Namibia.

  • Das berichtet die Koalition für Konzernverantwortung.

  • Die Deponie liegt über einer wichtigen Grundwasserquelle des Landes.

Die Schweiz gilt als rohstoffarmes Land. Doch hier sitzen einige der grössten Rohstoffkonzerne der Welt. Nach Schlagzeilen wegen Umwelt- und Korruptionsskandalen sowie Menschenrechtsverletzungen sorgt jetzt eine Untersuchung der Koalition für Konzernverantwortung für Aufregung.

Laut der NGO hinterlässt der Schweizer Grosskonzern IXM einen Abfallberg von 300'000 Tonnen hochgiftigem Arsen in Namibia, die wohl grösste Arsen-Deponie der Welt. Deponiert sei der krebserregende Stoff über einer für das ganze Land bedeutsamen Grundwasserquelle.

Das ist Arsen

Arsen ist ein giftiges Element, das in Mineralien in vielen Kupferminen der Welt vorkommt. Das aufgenommene Arsen gelangt in alle Organe des Körpers. Wird anorganisches Arsen über längere Zeit aufgenommen, kann es dazu beitragen, dass Krankheiten entstehen: Dazu zählen Hautschädigungen, Herzerkrankungen, Atemwegserkrankungen und verschiedene Krebsarten wie Haut-, Blasen- und Lungenkrebs.
Quelle: Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit

Die NGO sprach mit Bewohnerinnen und Bewohnern der Kleinstadt Tsumeb in der Nähe der Kupferschmelzerei sowie aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden. Die Menschen berichten von Ausschlägen am ganzen Körper, mit aufgeplatzten, blutigen Blasen und blinden Augen, die ersten Symptome einer Arsenvergiftung.

«Bevölkerung ist massiv Arsen ausgesetzt»

Lisken Claasen war Mitorganisatorin einer Demonstration gegen die Schmelzerei. Sie sagt: «Wir machen uns hier ernsthaft Sorgen um unsere Gesundheit, unsere Männer werden impotent, viele leiden an Diabetes oder hohem Blutdruck, wir sehen Fehlgeburten und Kinder mit Behinderungen.» Sie fordert eine kostenlose medizinische Untersuchung der Bevölkerung.

Lisken Claasen (rechts) wehrt sich gegen die Verschmutzung.

Lisken Claasen (rechts) wehrt sich gegen die Verschmutzung.

Koalition für Konzernverantwortung

Die NGO liess Haar-, Boden- und Pflanzenproben an der Uni Bern auswerten. «Die Werte sind erschreckend und zeigen, dass die Bevölkerung Tsumebs massiv Arsen ausgesetzt ist», sagt Adrien Mestrot, Professor für Bodenwissenschaften an der Uni Bern.

14 Jahre Kupfer geschmolzen

Während 14 Jahren schmolz das kanadische Unternehmen Dundee Precious Metals (DPM) in Namibia das Kupfererz als Dienstleister des weitgehend unbekannten Schweizer Metallhandelskonzern IXM. Er gilt als Nummer drei in der Branche, gleich hinter den Schweizer Riesen Glencore und Trafigura.

Arbeiter in Schutzanzügen schichten den hochgiftigen Abfall in einer Deponie auf. Insgesamt lagern in Tsumeb gemäss Schätzungen der Koalition für Konzernverantwortung rund 300’000 Tonnen Arsenabfall.

Arbeiter in Schutzanzügen schichten den hochgiftigen Abfall in einer Deponie auf. Insgesamt lagern in Tsumeb gemäss Schätzungen der Koalition für Konzernverantwortung rund 300’000 Tonnen Arsenabfall.

Koalition für Konzernverantwortung

Jetzt verkauft DPM die Schmelzerei. Der giftige Abfall bleibe zurück. Die Umwelt werde dadurch grossflächig verschmutzt. Käufer sei ein chinesisches Unternehmen, das laut NGO umgerechnet rund 17 Millionen Franken bezahlte, obwohl DPM zuvor fast eine halbe Milliarde Franken investiert habe. Dafür übernehme der Käufer aus China sämtliche Haftbarkeiten.

Die Risiken seien schon lange bekannt. Schon 2011 hätten Untersuchungen gezeigt, dass jede sechste Person in der Bevölkerung Arsenwerte über dem WHO-Grenzwert hatte. Die Ergebnisse wurden allerdings nicht publiziert. «Wir hatten keine Erlaubnis dafür», sagt ein involvierter Forscher, der anonym bleiben will. Die Forschung sei von der Regierung mitfinanziert worden.

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Die Konzerne hätten nichts zum Schutz unternommen. Die NGO wirft ihnen vor, die schwache Regulierung in Namibia ausgenutzt und die Risiken für die Bevölkerung bewusst in Kauf genommen zu haben. Der kanadische Konzern DPM verweist auf eigene Messungen, die aber nicht öffentlich einsehbar sind. IXM reagierte nicht auf eine Anfrage von 20 Minuten.

Dominique de Buman, Alt-Nationalrat der Mitte-Partei und Vorstandsmitglied der Koalition für Konzernverantwortung, sagt zu 20 Minuten: «Mich macht besonders betroffen, wie lange den involvierten Konzernen schon bekannt sein musste, dass das Schmelzwerk die Gesundheit der Arbeiter schädigte und auch für die Bevölkerung eine Gefahr darstellen könnte.»

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