SVP will Hälfte der Organspenden verbieten

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HerbstsessionSVP will die Hälfte der Organspenden verbieten

Die umstrittene Organentnahme nach Herztod soll in der Schweiz verboten werden. Der Nationalrat entscheidet am Mittwoch über den Antrag aus der SVP.

Im Mai 2022 sagten die Stimmberechtigten Ja zur Widerspruchslösung. Künftig gilt grundsätzlich jeder als Spender, sofern er nicht das Gegenteil festhält. (Im Bild: Organspende-Ausweis von Swisstransplant)
Nun stimmt das Parlament erneut über eine Revision des Transplantationsgesetzes ab. Dabei geht es um Anpassungen, die unbestritten sind. Einzig ein Antrag der SVP sorgt für Aufsehen: Die Partei will Organspenden nach Herztod verbieten.
Den Antrag eingebracht hat die Zürcher SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer, er wird von der SVP-Fraktion unterstützt. Hingegen wird es im Nationalrat kaum für eine Mehrheit reichen. Neben der SVP werden voraussichtlich auch Vereinzelte aus der Mitte-Partei und anderen Parteien dafür stimmen.
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Im Mai 2022 sagten die Stimmberechtigten Ja zur Widerspruchslösung. Künftig gilt grundsätzlich jeder als Spender, sofern er nicht das Gegenteil festhält. (Im Bild: Organspende-Ausweis von Swisstransplant)

20min/Celia Nogler

Darum gehts

  • Das Parlament berät in der Herbstsession das Transplantationsgesetz, das die Organspende regelt.

  • Aus der SVP kommt ein Antrag, die Organspende nach Herz-Kreislauf-Stillstand zu verbieten.

  • Damit würden 46 Prozent der Organspenden verboten.

Bei einer Organspende gibt es zwei Arten von Tod: Hirntod oder Herztod (siehe Box). Die Organentnahme nach einem Herzkreislauf-Stillstand ist umstritten und steht jetzt im Parlament zur Diskussion. Am Mittwoch entscheidet der Nationalrat über einen Antrag aus der SVP, diese Art von Organspende zu verbieten. Damit würden die Organspenden nach Herztod, die heute 46 Prozent der Organspenden betragen, wegfallen.

Die Abstimmung erfolgt im Rahmen einer Revision des Transplantationsgesetzes, die im Grundsatz kaum bestritten ist. Der SVP-Antrag wird voraussichtlich keine Mehrheit finden. Allenfalls werden eine Minderheit der Mitte-Partei sowie Vereinzelte aus anderen Parteien dafür stimmen.

Gesetz

Wann ist ein Mensch tot?

Laut Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG) gibt es zwei Arten, vor einer Organentnahme den Tod eines Menschen festzustellen. «Als Todeskriterium gilt der irreversible Ausfall des Gehirns», dessen Ursachen können sein:

Schwere Schädigung des Gehirns, etwa in Folge eines Unfalls oder einer starken Hirnblutung. Es müssen auch Faktoren ausgeschlossen werden, die einen Ausfall des Gehirns nur vortäuschen könnten wie etwa Unterkühlung, Vergiftung durch Medikamente oder gewisse Krankheiten.

Tod durch anhaltenden Herzkreislauf-Stillstand, etwa nach einem Herzinfarkt. Dieser führt dazu, dass das Hirn mangels Blutzufuhr keinen Sauerstoff mehr bekommt. In dieser Situation muss mit einem Herz-Ultraschall nachgewiesen werden, dass das Herz stillsteht. Nach einer Wartezeit von mindestens fünf Minuten wird anhand von klinischen Untersuchungen festgestellt, ob die Hirnfunktionen ausgefallen sind. Der Anteil der Organspenden nach Herztod hat stark zugenommen, heute beträgt er 46 Prozent. (blu)


In Deutschland ist die Organspende nach Herztod ganz verboten, in der Schweiz gab es in jüngster Zeit Strafanzeigen wegen vermuteten Verstössen gegen das Transplantationsgesetz.

Kritiker bezweifeln, dass das Hirn nach fünf Minuten ohne Sauerstoff irreversibel ausgefallen ist. Nach fünf Minuten wird der Tod festgestellt und die Organentnahme wird eingeleitet. «Im Zweifelsfall müssen wir uns für den Erhalt des Lebens einsetzen», sagt SVP-Nationalrätin Therese Schläpfer, die in der Gesundheitskommission den Antrag gestellt hat. «Es stellt sich die Frage, ob die fünf Minuten Wartezeit ethisch vertretbar sind.»

SVP-Nationalrätin Verena Herzog ist auch der Ansicht, dass die Bevölkerung besser informiert werden muss. Auch müsse es möglich sein, im Spendeausweis anzukreuzen, ob man nur nach einem Hirntod oder auch nach einem Herztod spenden will.

Gegner: «Hirnfunktionen könnten zurückkommen»

Der Winterthurer Arzt Alex Frei, ein dezidierter Gegner der Organspende nach dem Tod, pflichtet Therese Schläpfer bei. «Es wird behauptet, das Hirn sei nach fünf Minuten ohne Sauerstoff irreversibel ausgefallen. Notfallmediziner stellen aber häufig fest, dass Menschen nach fünf Minuten Herzstillstand erfolgreich reanimiert werden können, sogar ohne Hirnschäden.»

Für Alex Frei ein weiteres Indiz: Mit einer neuen Methode wird bei Herz-Kreislauf-Stillstand nach fünf Minuten die Blutzufuhr zum Hirn künstlich unterbunden, während die anderen Organe mit einer Maschine zur Erholung durchblutet werden. «Transplantationsmediziner befürchten, dass sonst Hirnfunktionen wie Schmerzempfinden oder sogar das Bewusstsein zurückkommen könnten.»

Befürworter: «Nur bei aussichtsloser Prognose»

Anderer Ansicht ist Franz Immer, Herzchirurg und Direktor der Stiftung Swisstransplant. Aus medizinischer Sicht könne er die Kritik nicht nachvollziehen, sagt er. Nach einem fünfminütigen Herz-Kreislauf-Stillstand bei einem Menschen mit einer aussichtslosen Prognose sei das Gehirn irreversibel ausgefallen.

Die Todesfeststellung geschehe durch zwei Arztpersonen, immer im Vieraugenprinzip. Zudem müsse in der Schweiz mit einem Herz-Ultraschall nachgewiesen werden, dass das Herz in diesen fünf Minuten stillsteht und kein Blut mehr auswirft.

Dass der Sterbeprozess mit einer Organentnahme quasi unterbrochen wird, bestreitet Franz Immer nicht. «Das ist richtig. Das Sterben ist ein Prozess.» Zehennägel und Haare könnten sogar bis zu sieben Tage nach dem Tod noch wachsen. «Wenn man die Organspende unter diesem Titel kritisiert, müsste man auch die Krematorien hinterfragen», sagt Franz Immer. 

Soll die Organspende nach Herztod zulässig bleiben?


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