Nach Gewalt-Zunahme – Polizisten bereiten sich mit speziellen Trainings auf Messerangriffe vor

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Nach Gewalt-ZunahmePolizisten bereiten sich mit speziellen Trainings auf Messerangriffe vor

In der Schweiz gibt es immer mehr Vorfälle von Gewalt mit Messern. Nun bereiten sich Polizistinnen und Polizisten auch mit Virtual-Reality-Trainings auf solche Situationen vor.

Hier siehst du, wie das VR-Training der Polizei aussieht.

Video: Refense AG / 20min

Darum gehts

  • Die Messergewalt in der Schweiz nimmt seit Jahren zu.

  • Polizeikorps reagieren: «Bei unseren Trainings mit der Stadtpolizei Zürich waren Messer dieses Jahr ein Hauptthema», sagt Ronny Tobler, der Virtual-Reality-Ausbildungen anbietet.

  • Während die Polizeigewerkschaft die Bemühungen begrüsst, kritisiert das Institut für Gewaltprävention den Fokus auf repressive Massnahmen.

Jugendliche und junge Erwachsene stechen seit 2017 immer häufiger zu. Schweizweite Zahlen für 2021 fehlen noch, doch der Trend scheint sich fortzusetzen: «Ich kann den Eindruck, dass Gewaltdelikte, bei denen Messer im Spiel sind, im öffentlichen Raum zugenommen haben, bestätigen», sagte etwa Hanspeter Krüsi von der Kapo St. Gallen. Jugendliche sagen zudem, dass an manchen Orten das Tragen von Messern normal geworden sei.

Nun reagieren Polizeikorps auf die Gewalt-Zunahme: «Bei unseren Trainings mit der Stadtpolizei Zürich waren Messer dieses Jahr ein Hauptthema», sagt Ronny Tobler, der Virtual-Reality-Ausbildungen für Polizeikorps anbietet (siehe Video und Box): «Das dürfte an den vielen Zwischenfällen liegen, die es in den letzten Jahren gab.»

Stapo trainiert erstmals Messer im VR-Training

Auch von anderen Polizeien werde er für das Training von Messer-Situationen angefragt, so Tobler. «Wir arbeiten im Rahmen eines interkantonalen Projekts mit mehreren grossen Polizeikorps zusammen.»

Das bestätigt die Kantonspolizei Bern auf Anfrage: «Wir planen im Herbst 2022 im Rahmen der Weiterbildung auch einen Ausbildungsblock mit Virtual Reality», sagt Sprecherin Isabelle Wüthrich: «Dabei werden insbesondere Bedrohungslagen für Polizistinnen und Polizisten, aber auch andere Aspekte der Polizeiarbeit thematisiert.» Die Ausbildung stehe aber nicht im direkten Zusammenhang mit Messergewalt.

Auch die Stadtpolizei Zürich bestätigt, dass dieses Jahr erstmals Messer ein Teil des VR-Trainings waren: «Die Teilnehmenden können in den Szenarien für die Thematik sensibilisiert werden», sagt Sprecher Marc Surber.

«Ausbildung dient Schutz der Bevölkerung»

Die Efforts der Polizeikorps werden beim Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) begrüsst: «Wir finden es generell immer gut, wenn unsere Mitglieder angemessen ausgebildet werden», heisst es auf Anfrage. Die Ausbildung sei schon immer an aktuelle Entwicklungen und Umstände angepasst worden.

Sie diene einerseits dem Schutz der Polizistinnen und Polizisten selbst, aber auch dem der Bevölkerung: «Dies vor allem, wenn gefährliche Gegenstände im Spiel sind.»

Mehr Prävention gefordert

Mit repressiveren Massnahmen allein sei es aber nicht getan, kritisiert Fabian Albisser vom Schweizer Institut für Gewaltprävention (SIG): «Man reagiert immer nur auf Jugend- und Messergewalt, wenn etwas passiert ist.» Er setzt sich für eine stärkere Prävention ein: «Diese muss schon früh im Primarschulalter beginnen – unter Einbezug von Kindern, Eltern und Schulen.» Einmal gefestigte Verhaltensweisen ändere man später nicht mehr einfach so.

Es brauche verstärkte und flächendeckende Präventionsprogramme, sagt Albisser. Da seien auch die Kantone gefragt: «Was momentan passiert, ist ein Tropfen auf den heissen Stein.»

So funktioniert das Training mit VR-Brille

Beim Training mit VR-Brille tauchten die Teilnehmenden völlig in die virtuelle Welt ein, sagt Ronny Tobler: «Wir können etwa Wind simulieren, wenn das Szenario draussen stattfindet und die Polizistinnen und Polizisten spüren Schmerzen über ihre Anzüge, wenn sie getroffen wurden.» Weil die Situation als echt wahrgenommen werde, sei der Lerneffekt viel grösser.

Man könne die verschiedensten Szenarien simulieren, sagt Tobler: «Von lebensbedrohlichen Attacken bis zu häuslicher Gewalt ist alles möglich.» Das Messer sei dabei eines von mehreren möglichen Angriffs-mitteln. Zudem sei eine detaillierte Nachanalyse möglich, was sehr wertvoll sei.

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