St. Gallen«Eine Line Koks ist billiger als ein Drink in der Bar»
Immer mehr Menschen in St. Gallen greifen zu Kokain – quer durch alle Schichten. Die günstige Droge und hoher Leistungsdruck heizen den Konsum an.

Der Preis für ein Gramm Kokain ist sehr niedrig, da es ein so grosses Angebot gibt.
20min/AgencyDarum gehts
Kokainkonsum nimmt in St. Gallen insgesamt zu, vor allem wegen des günstigen Preises und gesellschaftlichem Leistungsdruck.
Im Quartier Linsebühl wird angeblich offen mit Drogen gedealt und konsumiert.
Stadt und die Suchthilfe setzen auf Beratung, Prävention und Zusammenarbeit mit der Polizei, um eine offene Drogenszene zu verhindern.
Der Kokainkonsum ist nicht auf das Linsebühl beschränkt, sondern verteilt sich auf die ganze Stadt.
Die Gassenküche hat seit 23 Jahren ihren Platz im Linsebühlquartier und ist zurzeit stark besucht. Wer vorbeiläuft, sieht oft Gruppen vor dem Eingang oder gefüllte Tische im Inneren.
Hat das mit dem steigenden Kokainkonsum zu tun?
Regine Rust, Geschäftsleiterin der Stiftung Suchthilfe, sieht einen anderen Grund: Die zunehmende Armut. «Immer mehr Menschen leben an der Armutsgrenze und sind auf dieses Angebot angewiesen.» Die Gassenküche dokumentiert nicht, ob jemand arm oder suchtkrank ist.
«Suchtkranke, zum Beispiel Kokainkonsumenten, sind oft berufstätig und stehen mitten im Leben.» Die Konsumenten sind vielfältig und stammen aus allen sozialen Schichten. Arm bedeutet nicht automatisch suchtkrank.
Kein klassisches Wohnquartier
Das Linsebühlquartier war lange das Rotlichtviertel von St. Gallen. Seit dieser Zeit ist auch die Gassenküche dort beheimatet, das «St. Galler Tagblatt» berichtete zuerst über Drogenprobleme im Quartier. Heute ist es ein Wohnquartier, aber wie Regine Rust sagt, kein klassisches.
Es sei immer noch ein Quartier, das von Menschen mit niedrigem Einkommen bewohnt wird. «Aber es ist Opfer einer zunehmenden Gentrifizierung.» Gentrifizierung bedeutet, dass ein Stadtteil, der früher eher günstig und oft von Menschen mit geringerem Einkommen bewohnt wurde, nach und nach teurer wird.
«Die meisten verhalten sich korrekt»
Trotzdem sei das Quartier ein Ort, an dem öffentlich gedealt und konsumiert wird, wie Sascha Schmid, Präsident des Quartiervereins, in der Vereinszeitung «Südost» schreibt. «Die meisten verhalten sich korrekt. Einige sind aber besonders auffällig und aggressiv.» Suchtkranke, die auf Spielplätzen Crack rauchen, Dealer, die auf dem Trottoir Drogen verkaufen, und die Zunahme von Einschleichdiebstählen seien ein Problem.
Es sei nicht so, dass die Bewohnerinnen und Bewohner Angst vor den Suchtkranken haben müssten. Es gehe aber darum, eine Eskalation und die Entstehung einer offenen Drogenszene zu verhindern.
Hat St. Gallen ein Kokainproblem?
Ja, die Zahl der Konsumenten steigt laut Suchthilfe. «Das zeigt sich klar bei der Suchtberatung», sagt Rust. Die Beratungszahlen bei Kokainkonsumierenden steigen. Auch sei die Dunkelziffer immer noch sehr hoch.

Ein Gramm Kokain kostet laut Regine Rust rund 80 Franken.
Sven Hoppe/dpaGründe dafür: Kokain ist günstig. Der Kokainhandel ist gut organisiert und das Angebot ist riesig. «Bei grossem Angebot sinkt der Preis.» Ein Gramm Kokain kostet laut Rust rund 80 Franken. Daraus lassen sich sechs bis zehn Lines machen. Der Preis pro Line liegt also zwischen acht und 13 Franken – «günstiger als ein Drink in einer Bar.»
Auch der gesellschaftliche Druck spielt eine Rolle, so Regine Rust. «In unserer Gesellschaft zählt Leistung sehr stark.» Man müsse selbstbewusst auftreten und immer voller Energie sein. Genau dieser Druck mache Kokain so attraktiv. «Man will immer die beste Leistung bringen.»
Ist das Linsebühl ein Hotspot für Kokainkonsumenten?
«Nein, der Konsum verteilt sich über die ganze Innenstadt und zieht sich bis in die Aussenquartiere», so Rust. Auch das Gerücht, die HSG spiele eine grosse Rolle, weist Rust zurück: «Die HSG ist sicher nicht der Ort, wo besonders viel oder mehr Kokain konsumiert wird. Das hat sich in der Pandemie ganz klar gezeigt.»
Was wird konkret unternommen, um den Kokainkonsum einzudämmen?
«Wir unterstützen durch Prävention, Sensibilisierung und durch spezialisierte Beratungsangebote Personen, die bereits konsumieren.»
Ebenso gäbe es Angebote für Angehörige, wie Eltern, Partnerinnen und Partner oder Arbeitgeber. Die Suchthilfe arbeite sehr eng mit der Polizei zusammen, damit die Situation im öffentlichen Raum weiterhin stabil bleibt.
Hast du oder hat jemand, den du kennst, ein Problem mit Suchtmitteln?
Hier findest du Hilfe:
Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen
Feel-ok, Informationen für Jugendliche
Infodrog, Information und Substanzwarnungen
Anonyme Alkoholiker, Tel. 0848 848 885
Narcotics Anonymous, Selbsthilfegruppe für Suchtbetroffene
Stopsmoking.ch, Tel. 0848 000 181
Vergiftungsnotfälle, Tel. 145
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