Wie bekämpft man illegale Migration?

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AsyldebatteSchnellverfahren, Drittstaaten: Was tun gegen illegale Migration?

Die irreguläre Migration stellt Europa vor Herausforderungen. Ansätze zur Bekämpfung gibt es einige. Effektiv sind bisher kaum welche. Was tun mit Menschen, die keinen Schutz erhalten?

Wieso riskieren Menschen ihr Leben, um von Frankreich nach England zu kommen? 20 Minuten war vor Ort in Calais und hat nachgefragt.20min

Darum gehts

  • Im Jahr 2023 stellten 1,1 Millionen Menschen in Europa einen Asylantrag, von denen die Hälfte Asyl oder Schutz erhielt.
  • Die andere Hälfte hat theoretisch kein Recht in Europa zu bleiben, wird aber selten in die Herkunftsländer zurückgeführt.
  • Es fehlen klare politische Antworten darauf, was mit den abgelehnten Asylbewerbern geschehen soll, obwohl verschiedene Ideen diskutiert werden.
  • Vorschläge umfassen Rückführungsabkommen, Schnellverfahren an den EU-Aussengrenzen, Bekämpfung von Fluchtursachen, legale Migration und Integration sowie Asylverfahren in Drittstaaten.

1,1 Millionen Menschen haben letztes Jahr in Europa einen Asylantrag gestellt. Der Hälfte der Menschen wird Asyl oder Schutz gewährt. Die andere Hälfte hat theoretisch kein Recht, in Europa zu bleiben. Nur selten werden Menschen aber tatsächlich zurückgeführt. Es stellt sich deshalb die Frage: Was passiert mit den Menschen, die kein Anrecht auf Schutz haben? Bisher fehlen klare politische Antworten darauf. Ideen sind allerdings genug vorhanden.

Migrationsabkommen

Ein Asylgesuch führt faktisch oft zu einem Bleiberecht für die EU. Damit sich das ändert, sollen Deals mit Herkunftsländern abgeschlossen werden, damit diese ihre Bürgerinnen und Bürger zurücknehmen. Der deutsche Rechtsanwalt Erol Özkaraca plädiert im 20-Minuten-Interview darauf.

Auch der Soziologe Kristof Bender sieht darin eine Lösung, um irreguläre Migration zu reduzieren: «Viele Menschen würden sich gut überlegen, ob es sich lohnt, wenige Wochen nach der Flucht ärmer und mit mehr traumatischen Erfahrungen wieder zu Hause zu sitzen.» Als Gegenleistung seien ein jährliches Kontingent an Arbeits- oder Studentenvisa vorstellbar: «Viele europäische Länder suchen ja Arbeitskräfte.»

Schnellverfahren an den EU-Aussengrenzen

Der kürzlich verabschiedete Asylpakt sieht diese Lösung als zentralen Aspekt vor. Wer aus einem Land kommt, aus dem weniger als 20 Prozent als Flüchtlinge anerkannt werden, soll in ein Lager an den EU-Aussengrenzen kommen. Dort soll es dann ein schnelles Asylverfahren geben, das innerhalb von zwölf Wochen abgeschlossen sein soll.

Experten wie Bender zweifeln aber an der Effizienz solcher Regelungen. «Ich sehe da zwei Herausforderungen: Kapazität und Machbarkeit.» Es bräuchte an den Aussengrenzen enorm viele administrative Kräfte, Case Worker, Ärztinnen und Ärzte, psychologische Dienste. «Das muss erst einmal vorbereitet und gestemmt werden.» Und dann stellt sich erneut die Frage nach durchführbaren Abschiebungen. «Das klappt bisher nicht, weshalb sollte sich das dann plötzlich ändern? Im Asylpakt gibt es keine einzige Massnahme dazu», so Bender.

Flucht vermeiden

Auch Fluchtursachenbekämpfung wird im öffentlichen Diskurs immer wieder gefordert und auch gefördert. So zum Beispiel auf dem Höhepunkt der Fluchtbewegungen nach Europa, als Entwicklungsgelder und privatwirtschaftliche Investitionen zugesprochen wurden, damit Menschen erst gar nicht fliehen. NGOs und linke Politikerinnen kritisieren diesen Ansatz als zu kurz gegriffen und schlagen stattdessen Massnahmen gegen ungerechte globale Abhängigkeiten vor. «Vor allem in der Handels-, Agrar- und Klimapolitik gebe es Hebel», sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel Judith Kopp im Rahmen einer Caritas-Publikation.

Mehr legale Migration und Integration

«Eine andere Möglichkeit ist es, mehr legale Migration zu schaffen», sagt zum Beispiel der italienische Migrationsexperte Andrea De Petris gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung». Das würde vor allem auf die Wirtschaftsmigranten abzielen, die momentan unter dem Deckmantel der Asylpolitik nach Europa kommen.

Das müsse laut De Petris auch mit effektiveren Integrationsprojekten einhergehen, damit ein Zusammenleben reibungslos funktioniert. «Integration ist sicherlich kostspielig, aber ich glaube nicht, dass es billiger ist, Europas Aussengrenzen zu militarisieren und zu überwachen, illegal Migrierende zu inhaftieren und sie in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken.»

Welche Lösung für die Asylpolitik in Europa findest du am sinnvollsten?

Drittstaatenlösung

Und dann gibt es die Drittstaatenlösung, die momentan in zahlreichen europäischen Ländern diskutiert wird. Demnach sollen Asylverfahren fortan in Staaten ausserhalb der EU oder der Schweiz stattfinden. Die Idee: So sind all diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wird, nicht in Europa vor Ort und können auch nicht einfach bleiben.

Dazu erscheint morgen im Rahmen unserer Migrationsserie ein ausführlicher Pro-Contra-Artikel. Ausserdem wird dann auch der zweite Teil der Videoreportage von 20 Minuten «Reporter!n» erscheinen, in der Menschen in Grossbritannien von ihrer Angst erzählen, nach Ruanda abgeschoben zu werden.

Zwischen Calais und Dover: Elend am Ärmelkanal

Der Ärmelkanal ist zum Migrations-Hotspot geworden, Tausende Menschen riskieren ihr Leben, um aus der EU und nach Grossbritannien zu gelangen – obwohl ihnen dort die Abschiebung nach Ruanda droht. 20 Minuten ist nach Frankreich und England gereist und der Frage nachgegangen, wer die Menschen sind, die ihr Leben riskieren, um über den Ärmelkanal zu kommen. Und wie die Menschen dort über sie denken, wo die Geflüchteten ankommen. Diese Teile der Reportagen-Serie sind bislang erschienen:

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Carolin Teufelberger (cat) arbeitet seit 2024 für 20 Minuten als Redaktorin beim Ressort News, Wirtschaft & Videoreportagen.

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